Hessen setzt verfassungswidrige Big-Data-Analyse fort! Erneute Verfassungsbeschwerde eingereicht

Datenschutzrheinmain/ Juni 26, 2024/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Telekommunikations-Überwachung/ 0Kommentare

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) hat am 25.06.2024 Verfassungsbeschwerde gegen das novellierte HSOG, das Hessische Polizeigesetz. Der hessische Gesetzgeber (damals: CDU und Grüne) hatte das Gesetz 2023 nach einer erfolgreichen Verfassungsbeschwerde der GFF zu den Grenzen von Big-Data-Analysen nachgebessert. Doch die Novelle enthält abermals verfassungswidrige Befugnisse für den polizeilichen Einsatz der Analysesoftware HessenDATA. Ziel der Verfassungsbeschwerde ist, die andauernde Verletzung der Privatsphäre zu beenden und die automatisierte Datenauswertung (Data Mining) endgültig auf den Boden des Grundgesetzes zurückzuholen.

Die Neuregelung aus 2023 erlaubt es weiterhin, auch die Daten vollkommen Unbeteiligter in die hessische Analysesoftware einzuspeisen, die auf der Software Gotham der US-Firma Palantir basiert. Menschen, die noch nie Anlass für Überwachungsmaßnahmen gegeben haben, sind mit einem Knopfdruck Teil von Analysen, die der Verhinderung von Straftaten dienen sollen. Die Datenanalysen können bereits weit im Vorfeld von Gefahren stattfinden.

Wer in einem Baumarkt Klebstoff kauft, kann damit in den ohnehin fragwürdigen Verdacht einer kriminellen Vereinigung als Klima-Aktivist*in kommen und Ziel einer Datenanalyse werden. Die Eingriffsvoraussetzungen sind absurd gering“, betont GFF-Juristin Simone Ruf.

Die automatisierte Datenauswertung greift in das Recht der Betroffenen ein, über ihre Daten selbst zu bestimmen. Bereits auf der Grundlage weniger Übereinstimmungen können Menschen in das Visier der Ermittlungsbehörden geraten. Oft sind diskriminierte Gruppen verstärkt davon betroffen. Sowohl die Analyse als auch daraus potenziell folgende Überwachungsmaßnahmen wie Observationen und Telekommunikationsüberwachung erfolgen heimlich. Währenddessen haben Betroffene keine Möglichkeit, sich gegen die massiven Grundrechtseingriffe zu wehren.

Trotz der klaren Vorgaben aus Karlsruhe fehlt weiterhin eine eindeutige Kennzeichnungspflicht für die verwendeten Daten. Dabei müssen die erhobenen Daten an den Zweck für den weiteren Einsatz gebunden werden, ansonsten ist die Gefahr für eine missbräuchliche Verwendung hoch.

Statt wirksam nachzubessern, verschiebt der hessische Gesetzgeber seine Regelungspflicht an die Polizei. Die Dienststellen sollen den Softwareeinsatz größtenteils selbst regeln. Änderungen sind damit ohne öffentliche parlamentarische Debatte schnell und lautlos möglich. Mit Blick auf die grundrechtsintensiven Eingriffsmöglichkeiten darf der hessische Gesetzgeber die Aufgabe nicht an die Beamt*innen abgeben. Vielmehr müssen die Parlamentarier*innen für den Grundrechtsschutz sorgen und damit klare Regelungen erlassen.

Die Verfassungsbeschwerde zum novellierten HSOG ist Teil der strategischen Prozessführung der GFF gegen ausufernde Überwachungsmaßnahmen auf der Grundlage riesiger Datenmengen. Gegen die nordrhein-westfälische Rechtsgrundlage für den Einsatz von Gotham ist eine weitere Verfassungsbeschwerde der GFF anhängig. Die Entscheidung zur Verfassungsbeschwerde gegen das BKA-Gesetz, das noch mehr Daten für die Polizeiarbeit zulässt, erwartet die GFF noch in diesem Jahr.

Quelle: Pressemitteilung der GFF vom 25.06.2024

Mehr Informationen zur Verfassungsbeschwerde gegen das HSOG finden Sie hier.


Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat die wiederholten Verfassungsbeschwerden der sechs Kläger*innen und der GFF gegen das HSOG begleitet und unterstützt. Sie ruft dazu auf, zur Finanzierung dieser und anderer Verfassungsbeschwerden

die GFF mit Spenden zu unterstützen.

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