Software aus USA für die hessische Polizei: Palantir und hessenDATA – nicht nur ein vergaberechtlicher Skandal
Das Präsidium für Logistik und Verwaltung der Polizei in Hessen hat am 02.02.2018 eine Ausschreibung veröffentlicht über den beabsichtigten Ankauf einer “Analyseplattform zur effektiven Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der schweren und Organisierte Kriminalität” für die Polizei in Hessen. Im Text der Ausschreibung wird bekanntgegeben, dass sie eigentlich nicht stattfindet, sondern dass bereits ein Unternehmen gefunden ist, das die Kriterien der Ausschreibung erfüllt: “Eine Auftragsvergabe an die Fa. Palantir Technologies GmbH im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb erfolgte wegen technischer Besonderheiten…“ Da dieses Verfahren wesentlichen Grundsätzen öffentlicher Vergabeverfahren widerspricht, haben die Oppositionsparteien (FDP, Linke, SPD) im hessischen Landtag einen parlamentarischen Untersuchungsausschusses erzwungen, der am 03.07.2018 seine Tätigkeit aufgenommen hat.
Um wenige Monate vor der hessischen Landtagswahl Schaden von der Landesregierung und den sie tragenden Parteien CDU und Grüne abzuwehren, hat CDU-Innenminister Beuth am Vortag in einer demonstrativen Vorführung im Frankfurter Polizeipräsidium den Kauf der Software verteidigt und auf „Ermittlungserfolge“ hingewiesen. Die Frankfurter Rundschau berichtet: „Hessen ist das erste Bundesland, das mit Palantir zusammenarbeitet. Nach Angaben von Bereswill (Polizeipräsident in Frankfurt) wird die Software von Europol und der dänischen Polizei verwendet. Der Polizeipräsident kündigte an, dass die Nutzung ausgeweitet werden könnte. Bisher werde ‚Hessendata‘ vom Staatsschutz genutzt. Künftig könnte es auch bei Ermittlungen gegen die Organisierte Kriminalität Einsatz finden.“
Unter der Überschrift „Datenkrake Polizei? Palantir als die Spitze des Eisberges„ stellt Telepolis am 22.06.2018 fest: „Neue gesetzliche Befugnisse und technische Anschaffungen erweitern die Überwachungsmöglichkeiten der deutschen Polizei immens. Die Bürger- und Persönlichkeitsrechte geraten unter die Räder.“ Der Beitrag informiert über die Firma Palantir, ihre Produkte sind und ihre Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten. Im Beitrag werden notwendige Fragen gestellt:
- „Was tut der hessische Staatsschutz eigentlich mit Palantir Gotham?
- Aus welchen Datenquellen wird das Programm gefüttert?
- Wird über die Plattform der Datenaustausch mit anderen Polizeibehörden und Nachrichtendiensten organisiert?„
Und auch in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung vom 03.07.2018 wird Kritik an Innenminister Beuth und der hessischen Polizeiführung deutlich: „Dass Staatsschützer, die jeden Tag damit verbringen, schwerste Straftaten zu verhindern, von einem solchen Analyse-Programm begeistert sind, ist verständlich… Aber an der technischen Qualität zweifelt auch niemand. Es ist vielmehr die Frage, unter welchen Bedingungen sich das Land Hessen auf dieses Programm eingelassen hat. Und da stellen sich tatsächlich viele Fragen. So verwundert es, warum andere Bundesländer und auch die Bundesbehörden die Software nicht auch einsetzen, wenn sie doch so gut ist… Zu erörtern ist auch, ob Innenminister Beuth nicht fahrlässig gehandelt hat, als er darauf verzichtete, für die Anschaffung einer solchen Software einen Wettbewerb auszuschreiben. Er hätte sich Konkurrenzprodukte ansehen können, bei denen einem nicht sofort der Facebook-Skandal in den Sinn kommt. Schließlich soll Palantir in Verbindung zu Cambridge Analytica stehen…“
Die Oppositionsparteien im Hessischen Landtag versprechen gründliche Aufklärungsarbeit. Während SPD und Linke sich in ihrer Kritik weitgehend auf den vergaberechtlichen Aspekt der Sache beziehen, wird in der Stellungnahme der FDP-Landtagsfraktion auch die bürger- und datenschutzrechtliche Dimension des Problems angesprochen: „… Ob aber der Einsatz der Software ‚Gotham‘ aus dem Hause Palantir mit hessischen Sicherheitsinteressen vereinbar ist, das steht auf einem anderen Blatt. Schließlich steht Palantir wegen seiner Verbindungen zu der in den Facebook-Skandal verwickelten Firma Cambridge Analytica und wegen der missbräuchlichen Nutzung von Kundendaten in den USA massiv in der Kritik. Wenn diese Software im Rahmen der polizeilichen Ermittlungsarbeit in Hessen zum Einsatz kommt, steht zwangsläufig die Frage im Raum, ob beispielsweise Dritte – nämlich Palantir-Mitarbeiter – im Zusammenhang mit dem Auftrag Zugang zu polizeilichen Daten haben…“
Und die Grünen im Hessischen Landtag? Sie schweigen!
Das ist Ergebnis einer Recherche auf der Homepage der Grünen Landtagsfraktion am 03.07.2018. Weder unter dem Stichwort Palantir noch unter dem Stichwort hessenDATA ist eine Information oder gar Stellungnahme zu finden.