Kameraüberwachung im Eiscafé – ein Vergleich vor dem Landesarbeitsgericht Hamm

Datenschutzrheinmain/ November 26, 2013/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz, Videoüberwachung/ 0Kommentare

Vor wenigen Tagen fand zu diesem Thema eine mündliche Verhandlung vor dem Landesarbeitsgericht (LAG) Hamm statt. In einem Vergleich zwischen der Betreiberin eines Eiscafés und dem Kläger (einem dort seit Jahren im Service beschäftigten Kollegen) wurde vereinbart, dass 3 von 7 der dort vor mehreren Jahren installierten Videokameras abgebaut werden. Sie überwachen den Bereich, in dem die Kunden Platz nehmen, die Theke und den Flur, der sich zwischen den Toilettenräumen und den Umkleideräumen der Beschäftigten befindet. Anfangs war gar eine achte Kamera direkt im Umkleideraum der Beschäftigten angebracht; sie wurde aber nach massiven Protesten aus dem Kreis der Beschäftigten wieder abgebaut. Die Aufzeichnungen der Videokameras werden 8 Tage gespeichert und erst dann gelöscht. Jetzt müssen die Kameras, die den Flur zwischen den Toilettenräumen und den Umkleideräumen der Mitarbeiter und den Arbeitsbereich hinter der Theke überwachen, abgebaut werden. 4 Kameras dürfen weiter genutzt werden; sie überwachen den Gästebereich und die Kasse.

Die Mehrzahl der Beschäftigten des Eiscafés hatte den Verbleib von 7 der ursprünglich 8 Kameras mehr oder weniger freiwillig (?!?) akzeptiert. Es darf davon ausgegangen werden, dass Angst um den Arbeitsplatz und das Einkommen wesentlich dazu beigetragen hat. Der Beschäftigte, der Klage gegen die Videoüberwachung eingereicht hat, sah im Betrieb der 7 verbleibenden Kameras eine Verletzung seiner Persönlichkeitsrechte und verlangte von der Betreiberin des Eiscafés ihre Entfernung. Diese lehnte dies mit Hinweis auf ihr Interesse an der Verhütung und Aufklärung von Straftaten ab; das erstinstanzlich zuständige Arbeitsgericht Hamm schloss sich rundheraus der Auffassung der Chefin an und lehnte die Klage ab. Der Beschäftigte ging in Berufung. Die vorsitzende Richterin am LAG Hamm schlug in der mündlichen Verhandlung als Kompromiss den Abbau der Kameras im Backstage des Eiscafés vor und machte deutlich, dass dies auch ihre Linie für das Urteil sei. Dem stimmte der Kläger auf Anraten seines Anwalts zu.

Was ist an diesem Fall bemerkenswert?

  • Es ist nicht die Indolenz des Arbeitsgerichts Hamm, das auch knapp 30 Jahre nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur informationellen Selbstbestimmung („Volkszählungsurteil“ vom 15.12.1983) davon scheinbar oder tatsächlich keine Kenntnis hat und ungebremste Videoüberwachung zuließ.
  • Es ist auch nicht der wachsweiche Kompromiss, den das LAG Hamm vorschlug, um eine Entscheidung in der Sache zu vermeiden.
  • Bemerkenswert ist, dass ein Arbeitnehmer im laufenden Beschäftigungsverhältnis die Traute aufbringt, Klage gegen seine Firma einzureichen und das zu einem Thema, bei dem es nicht um vorenthaltenen Lohn oder entgangenen Urlaub geht sondern um die Freiheit vor ständiger Überwachung.

Dass der Kläger nur einen Teilerfolg erzielen konnte mindert nicht die Hochachtung vor seinem geraden Rücken und seiner Konsequenz bei der Verteidigung eines zunehmend gefährdeten Grundrechts auf informationelle Selbstbestimmung.

Chapeau!

Die Klage vor dem Landesarbeitsgericht Hamm  hat das Aktenzeichen 5 Sa 640/13. Der Vergleich ist derzeit noch nicht veröffentlicht. Spannend bleibt z. B. die Frage, ob Speicherfristen von 8 Tagen nach Ansicht des LAG Hamm noch akzeptabel oder doch zu lang sind.

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