Hessischer Datenschutzbeauftragter contra Dash-Cams: Mit Bußgeldern die Pest allgegenwärtiger Überwachung eingrenzen
In seinem 44. Tätigkeitsbericht für das Jahr 2015 informiert der Hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch, dass er im Berichtszeitraum in mehreren Fällen wg. der Benutzung von Dash-Cams, den an der Windschutzscheibe eines Pkw bzw. Lkw installierten Videokameras, ein Bußgeld gegen die Kamerabetreiber verhängt hat.
In seinem Bericht stellt der Datenschutzbeauftragte im Abschnitt 4.1.3.1 dankenswerter Weise klar: „Diese Videoaufzeichnungen durch Privatpersonen sind Datenerhebungen und daher ein Eingriff in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung und unterliegen den Vorschriften des BDSG. § 6b BDSG regelt die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung)… Meiner Meinung nach ist der Einsatz dieser Kameras im öffentlichen Straßenverkehr gemessen an § 6b BDSG grundsätzlich unzulässig.“
Und weiter: „Dash-Cams zeichnen den Verkehr ohne Anlass und permanent auf, so dass eine Vielzahl von Verkehrsteilnehmern betroffen ist, die sämtlich unter einen Generalverdacht gestellt werden, ohne dass sie von der Überwachung Kenntnis erlangen oder sich entziehen können. Das Interesse des Autofahrers, für den eher theoretischen Fall eines Verkehrsunfalls Beweismittel in der Hand zu haben, kann den gravierenden Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Verkehrsteilnehmer nicht rechtfertigen… Im Berichtsjahr 2015 wurden von mir erstmals mehrere Ordnungswidrigkeitenverfahren im Zusammenhang mit dem Einsatz sog. Dash-Cams im Straßenverkehr abgeschlossen. In allen Fällen filmte ein Autofahrer das Verkehrsgeschehen mit einer Dash-Cam und händigte später der Polizei die Aufnahmen aus. Dokumentiert werden sollte jeweils das verkehrswidrige Verhalten anderer Verkehrsteilnehmer, die etwa andere Autos auf dem Standstreifen überholten, andere Verkehrsteilnehmer bedrängten oder durch Handzeichen beleidigten. Auch ein Unfall mit einem nur geringen Sachschaden wurde gefilmt…“
Zur Höhe der verhängten Bußgelder teilt der 44. Datenschutzbericht mit, dass sie sich jeweils an der wirtschaftlichen Situation der Betroffenen orientierten und nur im unteren Bereich des Bußgeldrahmens verhängt wurden. „Mein Ziel war es in erster Linie, klarzustellen, dass das Filmen und Überwachen des öffentlichen Straßenverkehrs in ‚Hilfs-Sheriff-Manier‘ nicht erlaubt ist.“ Herrn Prof. Dr. Ronellenfitsch ist bei dieser Bewertung unumschränkt zuzustimmen!
Er kommt zum gleichen Ergebnis wie das Landgericht Bonn. Dieses hat mit rechtskräftigem Urteil vom 07.01.2015 (Aktenzeichen: 5 S 47/14) auf Grund der Klage eines Betroffenen festgestellt, dass Privatperson von anderen Personen keine Fotos machen dürfen, wenn diese eine Ordnungswidrigkeit begehen. Die Begründung: Privatpersonen stehe in der Regel kein schutzwürdiges Interesse an der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten zu. Sie verletzten mit Fotos das Recht am eigenen Bild und somit das allgemeine Persönlichkeitsrecht der Abgebildeten.
Interessanter Artikel, allerdings sehe ich hier ein Lücke im Gedanken. Insbesondere bei der praktischen Anwendung. Grundsätzlich bin ich gegen eine anlasslose Generalüberwachung von öffentlichem Raum, auch der Straße. AFAIK darf aber eine Privatperson zur Dokumentation einer Straftat (z.B. einer Körperverletzung) Bilder machen. Im Straßenverkehr rede ich hier nicht von einem Falschparker oder einer Geschwindigkeitsüberschreitung (das sind Ordnungswidrigkeiten). Auch eine Beleidigung oder eine Drohung sehe ich jetzt erst mal relativ gelassen. Ich denke hier insbesondere an die Nötigung, denn durch die entsteht oft eine konkrete Gefährung der beteiligten Personen (meistens auch des Nötigenden). Leider sehe ich auf den Autobahnen mindestens wöchentlich Nötigungen oder muss sie selbst ertragen ohne das ich etwas dagegen unternehmen könnte. Rücksichtslose Verkehrsteilnehmer nutzen hier die besonderen Umstände der Autobahn aus: schlechte Kommunikationsmöglichkeit der Verkehrsteilnehmer untereinander, schnelles „wegschwimmen“ der Fahrzeuge von potentiellen Zeugen, die „Beschäftigung“ der Geschädigten durch das Fahren selbst, die fehlende Möglichkeit kurz anzuhalten, das potentiell vorhandene Smartphone darf während der Fahrt nur äußerst eingeschränkt bedient werden…
Ich habe eine Dashcam. Ich setze sie aber aus Achtung der Privatsphäre meiner Mitmenschen nicht ein. Was also tun?
Es ist keine „Lücke im Gedanken“ sondern eine Spezialfall.
Ist eine Straftat im Gang, ist die Videoaufnahme nicht mehr „anlasslos“. Solche Aufnahmen verdienen ein gewisses Verständnis und Gerichte mögen dass im Rahmen einer Notwehrhaltung dulden und die Aufnahme ausnahmsweise als Beweis zulassen.
Das ist die Ausnahme, die die Regel bestätigt: Keine Aufnahmen im öffentlichen Raum durch Private.