Hessische Landesregierung will Mitglieder privater Krankenversicherungen vor Preisgabe ihrer Gesundheitsdaten schützen

WS/ November 26, 2019/ alle Beiträge, Gesundheitsdatenschutz, Telematik-Infrastruktur/ 1Kommentare

Die Hessische Landesregierung hat in den Bundesrat den Entwurf einer Entschließung eingebracht. Ihr Ziel: Schutz von Versicherungsnehmer*innen privater (Kranken-)Versicherungen vor laufender Erhebung hochsensibler Gesundheitsdaten zu Zwecken der Tarifgestaltung.

Zur Begründung verweist der Entschließungs-Entwurfs auf folgende Entwicklung: „In jüngster Zeit ist auf dem deutschen Versicherungsmarkt zu beobachten, dass im Bereich der Risikolebens-, Unfall- und Erwerbsunfähigkeitsversicherung sowie der privaten Rentenversicherung Versicherungstarife angeboten werden, bei denen der Tarif unter anderem dadurch beeinflusst werden kann, dass die Versicherten Gesundheitsdaten über Trainingseinheiten, die sie mit Fitness-Trackern aufzeichnen, per App an ein Partnerunternehmen der Versicherer übermitteln. Bei derartigen Vertragskonstellationen können im Laufe der Zeit große Mengen an sensiblen Gesundheitsdaten erhoben, übertragen und gespeichert werden. Eine Ausweitung auf den Bereich der privaten Krankenversicherungen wird von den Versicherern geprüft.“

Im Text der Entschließung wird zu Recht festgestellt: 

  • 2. … darf … nicht aus dem Blick verloren werden, dass es sich bei Gesundheitsdaten um eine besondere Kategorie personenbezogener Daten nach Art. 9 Abs. 1 der Datenschutzgrundverordnung handelt, die überaus sensibel sind. Insbesondere die laufende automatisierte Datenübertragung, etwa durch Fitness-Tracker, lässt detaillierte Rückschlüsse über einzelne Personen zu. In Kombination mit anderweitig gewonnenen Daten ermöglichen sie die Erstellung umfassender individueller Gesundheitsprofile…
  • 3. Die angesprochenen rechtlichen Maßnahmen müssen über rein datenschutzrechtliche Bestimmungen hinausgehen. Im Krankenversicherungswesen gilt es, das Grundprinzip von Versicherungen als eine Institution zur Übernahme von Risiken des Lebens durch einen Ausgleich im Versichertenkollektiv langfristig zu sichern. Diesem Grundprinzip läuft eine laufende automatisierte Übertragung hochsensibler Gesundheitsdaten an die Krankenversicherer oder deren Partnerunternehmen zur Tarifgestaltung zuwider, die beispielsweise durch Fitness-Tracker und die dazugehörigen Apps unproblematisch technisch möglich ist. Es besteht die Gefahr, dass sich mit der Einwilligung zur Datenübermittlung verbundene Self-Tracking-Tarife etablieren, die überwiegend von Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmern mit ‚guten‘ Risiken gewählt werden, wohingegen die anderen auf weniger günstige Tarife zurückgreifen müssen. Auch besteht die Gefahr der Kommerzialisierung der sensiblen Daten. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen sind nicht ausreichend. Es gilt zu verhindern, dass Self-Tracking-Tarife den Krankenversicherungsmarkt durchdringen und sich Versicherungsnehmerinnen und Versicherungsnehmer aus ökonomischem Druck zur Preisgabe ihrer höchstpersönlichen Gesundheitsdaten veranlasst sehen.
  • 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher dafür zu sorgen, dass die laufende (automatisierte) Erhebung hochsensibler Gesundheitsdaten zu Zwecken der Tarifgestaltung in der Krankenversicherung unabhängig von der Einwilligung der versicherten Person für unzulässig erklärt wird.“

Laut einer Veröffentlichung des Bundesrats (dort TOP 38) haben sich die Länder Bremen und Hamburg dem Antrag aus Hessen angeschlossen.


In der Bundesratssitzung am 29.11.2019 wird der Bundesrat auch Stellung nehmen zum Digitale Versorgung-Gesetz – DVG (TOP 12), das der Bundestag am 07.11.2019 beschlossen hat und das für viele gesetzlich Versicherte Patienten einen massiven Eingriff in ihr Recht auf informationelle Selbstbestimmung über ihre Gesundheits- und Behandlungsdaten darstellt.

Beim DVG handelt es sich um ein „Einspruchsgesetz“ i. S. d. Art. 77 Abs. 2 Grundgesetz. Der Bundesrat könnte damit noch Einfluss nehmen auf den Inhalt des DVG. Die Ausschüsse des Bundesrats empfehlen aber, von dieser Möglichkeit nicht Gebrauch zu machen und das DVG „durchzuwinken“.

Da fragt sich der interessierte Beobachter: Sind die ca. 70 Mio. gesetzlich versicherter Menschen in Deutschland aus Sicht des Bundesrats beim Schutz ihrer Gesundheits- und Behandlungsdaten weniger wichtig als die ca. 12 Mio. Menschen, die sich privat krankenversichert haben?

1 Kommentar

  1. Gut so! Wirklich!
    Ich wünsche mir, dass dieser Entwurf durchgeht. Ich wünsche mir, dass die Daten der Privatkrankenversicherten als hochsensibel eingeschätzt werden und möglichst aller Gebrauch per Gesetz verboten wird.

    …und dann klagen alle gesetzlich Versicherten auf Gleichstellung. Oder worin unterscheiden sich die hochsensiblen Gesundheitsdaten eines Pflichtversicherten und eines Privatversicherten? Genau solche Argumente werden derzeit von vielen Klägern gegen die eGK/TI, das DVG und weiteren Gesetzen vor Gericht gebracht, welches aber alle Sorgen als unbegründet abschmettert und das Allgemeinwohl höher gewichtet. Tja, gehören die Privatversicherten nicht auch zur Allgemeinheit und profitieren sie nicht auch vom Allgemeinwohl?

    Dann also ALLE oder KEINER! (und ich bin definitiv für keiner)

    In der Sache eGK und TI fragen sich immer mehr, warum die unbedingte Pflicht aller Zwangsversicherten darin besteht, all ihre Gesundheitsdaten in die TI pumpen zu müssen, während die Privatversicherten dem Gesetz nicht unterstehen. Aber so deutlich und unverblümt die Zweiklassengesellschaft darzustellen, ist erschreckend.

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