Am 1. Mai 2019 in Berlin-Grunewald: Videoüberwachung durch Bundespolizei gleicht einer Anwesenheitsliste der Demonstration
Das Verwaltungsgericht Berlin und die Bundespolizei sind sich einig: 7.500 Demoteilnehmer:innen können mit schwenkbaren Zoomkameras auf dem Weg zur Versammlung abgefilmt und die Aufnahmen gespeichert werden. So geschehen am 01.05.2019 im Berliner Nobel-Stadtteil Grunewald.
Das Quartiersmanagement Grunewald als Anmelderin der Versammlung hatte gegen die Viedoüberwachung im S-Bahnhof Grunewald 2019 geklagt. Das Verwaltungsgericht Berlin wies mit Urteil vom 22.08.2022 (Aktenzeichen: VG 1 K 405/20) die Klage ab.
„Das Urteil des VG Berlin bedeutet eine Schwächung des Versammlungsrecht gegen staatliche Eingriffe“, kommentiert Frauke Geldher, Sprecherin des Quartiersmanagement Grunewald. „Dies ist nicht hinnehmbar. Wir beantragen deswegen die Zulassung der Berufung zum Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.“
In einer Gemeinsamen Pressemitteilung des Quartiersmanagement Grunewald und des Forums InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FifF) vom 20.09.2022 wird dazu u. a. festgestellt:
Offensichtlich vorgeschobene Gründe durch Bundespolizei
Die Polizei begründete die Videoüberwachung mit möglichen Gefahren durch eine Überfüllung des Bahnhof. „Aus dem Verwaltungsvorgang ergibt sich eindeutig, dass die Sorge um einen zu vollen Bahnhof nicht der Grund für die Videoüberwachung war“, sagt Frauke Geldher. So sei zum Ziel der Videoüberwachung von „Beweissicherung“ die Rede gewesen; ferner fragte die Bundespolizei u.a. bei der Berliner Landespolizei an, ob Bedarf an den Aufzeichnungen bestünde – offensichtlich zur weiteren Speicherung und Auswertung. „Mit der akuten Abwehr von Gefahren durch einen überfüllten Bahnhof hat all dies nichts zu tun. Dass das Gericht dies nicht erkennen will, ist nicht nachvollziehbar“, so Geldher.
Videoüberwachung gleicht einer Anwesenheitsliste der Demonstration
Bereits 2020 hatte das Büro des Bundesdateschutzbeauftragten Ulrich Kelber problematisiert, dass seitens der Bundespolizei keine Verhältnismäßigkeitsprüfung stattgefunden hatte. Hierzu erklärt Rainer Rehak als Ko-Vorsitz des Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung (FIfF): „Staatsorgane müssen verfassungsbedingt immer das mildeste Mittel für eine Aufgabe wählen. Um die proklamierten Ziele der Polizei zu erfüllen, hätten drei Beamt:innen mit Funkgeräten genügt. Mit der Entscheidung für eine digitale Videoüberwachung hat die Bundespolizei stattdessen nahezu alle Teilnehmenden bildtechnisch festgehalten. Sie hat somit quasi nebenbei eine technisch einfach auswertbare Anwesenheitsliste der gesamten Demonstration angefertigt. Das kann in einer freiheitlichen Demokratie nicht legal sein, darum befürworten wir die Berufung“.
Zusammen mit vielen Einzelspender:innen unterstützt das FIfF die Klage.