Sigmar Gabriel (SPD) und das „Grundrecht auf Sicherheit“

Datenschutzrheinmain/ Januar 5, 2017/ alle Beiträge, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung/ 2Kommentare

Sigmar Gabriel hat als Vorsitzender der SPD am 03.01.2017 unter der Überschrift „Zeit für mehr Sicherheit in Zeiten wachsender Unsicherheit“ ein Statement veröffentlicht, in dem er u. a. ein „Grundrecht auf Sicherheit“ kreiert.

Seine Erfindung ist nicht neu. Bereits im Jahre 2013 meinte der damalige Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) feststellen zu müssen:  „Sicherheit ist ein Supergrundrecht“. Dies damals im Zusammenhang mit den ersten Versuchen, nach den Snowden-Enthüllungen die illegalen Schnüffelpraktiken der US-amerikanischen und britischen Geheimdienste auf deutschem Boden zu verteidigen.

Grundrechte sind im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland und dort in den Artikeln 1 bis 19 definiert. Das Grundgesetz kennt

  • das Grundrecht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) und
  • das Grundrecht auf Schutz des Eigentums (Art.14 GG).

Das Grundgesetz kennt aber auch

  • das Grundrecht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2 GG);
  • das Grundrecht auf Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG) und
  • das Grundrecht auf das Post- und Fernmeldegeheimnis (Art.10 GG) und
  • das Grundrecht auf Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 GG).

Alle diese Grundrechte sind wichtig. Und sie sind es wert, in Zeiten von weltweitem Terror und  weltweiten Kriegshandlungen verteidigt zu werden. Ein „Grundrecht auf Sicherheit“ kennt das Grundgesetz entgegen der Interpretation der Herren Gabriel (SPD) und Friedrich (CSU) aber nicht.

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 15.12.1983, dem sogenannten  Volkszählungsurteil, abgeleitet aus Art. 1 GG („Die Würde des Menschen ist unantastbar“) und Art. 2 GG („Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt“) das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung konstituiert.

Und genau dieses Urteil und seine rechtlichen und politischen Folgen scheinen die Herren Gabriel (SPD) und Friedrich (CSU) nicht zu kennen oder wollen es nicht beachten, wenn sie ein „(Super)Grundrecht auf Sicherheit“ aus der Taufe heben.Sie wollen damit beabsichtigte Maßnahmen zum weiteren Ausbau von unspezifischer Überwachung von Millionen Menschen legitimieren. Vorratsdatenspeicherung und Videoüberwachung sind dafür zwei, aber nicht die einzigen Stichworte. Dass damit zugleich die Freiheitsrechte der BürgerInnen dieses Landes noch weiter eingeschränkt werden, scheint auch Herr Gabriel billigend in Kauf nehmen zu wollen.

Das ist nicht akzeptabel!

2 Kommentare

  1. Wertes ddrm – Redaktionsteam,
    Liebe ddrm – LeserInnen,

    die bundesweite und geplante Überwachungsstrategie rollt übrigens unermüdlich weiter:

    So plant unserer Verkehrsminister Dobrindt lt. gestriger Nachrichten die bundesweite (!!!) Abschaffung der bisherigen papiergebundenen Fahrscheine und Tickets zugunsten des E – Tickets bzw. eines Chip gebundenen Tickets.

    Damit eröffnen sich für unseren „demkratischen“ Staat wohl weitere Überwachungsmöglichkeiten, da eher anzunehmen ist, dass diese E – und Chip – Tickets möglicherweise personengebunden sein dürften.

    Somit ließen sich aufgrund gigantischer Datenmengen Bewegungsprofile der Bevölkerung erstellen und aufzeichnen.
    Bliebe abzuwarten, wie sich die Datenschutzbeauftragten diesbezüglich äußern werden.

    Mit der Bitte ans ddrm – Redaktion – Team um eine entsprechende Recherche und Berichterstattung

  2. Ja das Eine kommt zum Anderen. So sind ja auch die Online Tickets (z.B. der Bahn oder Flixbus) bereits personengebunden und damit auswertbar. Begründung:
    Ein Online-Ticket kann beliebig oft ausgedruckt werden, und man kann es auch vor Fahrtantritt wieder stornieren. Bei der Fahrkartenkontrolle im Zug sind jedoch weder eine Prüfung auf Mehrfachnutzung noch auf Stornierung möglich, diese können erst bei einem späteren Datenabgleich festgestellt werden. Um in solchen Fällen nachträglich Ansprüche gegen den Reisenden geltend machen zu können, muss man logischerweise seine Identität kennen. Gäbe es keine Personenbindung der Tickets, wären dem Missbrauch Tür und Tor geöffnet.

    So werden Vorteile für die Verbraucher (Online-Ausdruck) datenschutzrechtlich problematisch. Angetrieben wird die Problematik noch dadurch, dass bei Ticketkauf im Reisezentrum noch zusätzliche Gebühren anfallen. Deshalb fordern wir bei allen Digitalisierungserrungenschaften die analoge Alternative beizubehalten ohne Mehrkosten!
    Das ist nicht nur eine wichtige datenschutztechnische Forderung sondern auch eine eine wichtige Forderung zu möglichem Technikausfall.
    Die Pläne Dobrindts sind nicht neu!
    Die DB hatte schon im Januar 2016 verkündet, das papiergebunden Tickets ein Auslaufmodell sind. Siehe:
    http://mobilbranche.de/2016/01/bahn-papiertickets-rente.
    Wir bleiben am Ball und haben Dobrindt deshalb auch für den Big Brother Award vorgeschlagen.
    Grüße
    Uli Breuer

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