„Sicherheit, wie ich sie (nicht) meine“ – Ein Plädoyer von Sabine Leutheusser-Schnarrenberger für eine liberale Sicherheitspolitik

Datenschutzrheinmain/ August 12, 2018/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), Telekommunikations-Überwachung, Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung/ 0Kommentare

Die ehemalige Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP), die im Januar 1996 aus Protest gegen die geplante akustische Wohnraumüberwachung ihren Rücktritt als Ministerin erklärte, hat sich vor wenigen Tagen mit einer umfangreichen Stellungnahme zu bereits beschlossenen oder in Planung befindlichen Verschärfungen von Polizei- und Überwachungsgesetzen zu Wort gemeldet. Eingangs ihres Beitrags stellt sie fest:

„Bestimmend ist seit dem 11. September 2001… eine Logik des (Miss-)Verständnisses von Freiheit und Sicherheit, die seitdem als Generalargument für eine Fülle an Sicherheitsgesetzen genutzt wird: Mehr Daten bedeuteten mehr Sicherheit. Nur wenn Regierungen und Sicherheitsbehörden möglichst alles wüssten, könnten sie effektive Terrorabwehr und lückenlose Strafverfolgung betreiben. Und mehr Daten heißt anlasslose massenhafte Erhebung, Sammlung, Speicherung, Verknüpfung des Alltags von uns allen; nicht nur von potentiellen Terroristen… Deswegen werden private Stellen zur Erfassung des Verhaltens ihrer Kunden verpflichtet. Deswegen werden Eingriffsschwellen für polizeiliche Gefahrenabwehr und für den Zugriff auf vorhandene Datenbanken immer weiter herabgesenkt. Deswegen wird die Grenze der Strafbarkeit weit ins Vorfeld der tatsächlichen Handlung bis an die Grenze der Gedankenfreiheit verlagert. Deswegen werden Daten verknüpft, um abweichendes Verhalten (was ist das und wer bestimmt das eigentlich?) möglichst genau erkennen, nachzeichnen und vorhersagen zu können… Eben jene Logik führt zu Regelungen, die mehr Sicherheit suggerieren, aber nicht tatsächlich bringen und gleichzeitig Freiheitsrechte einschränken…“

Leutheusser-Schnarrenberger stellt die Frage: Doch wie sieht eine kluge Sicherheitspolitik aus, die Lehren aus den Versäumnissen zieht? Ihre Antwort: „Sie liegt jenseits von Fatalismus und der beschriebenen Überwachungslogik, ist grundrechtsschonend und effektiv, gerade weil sie auf Anhäufung von Datenbergergen, Herabsetzung von Zugriffsschwellen und blindes Vertrauen in automatisierte Verarbeitung verzichtet. Eine liberale Sicherheitspolitik stellt nicht eine gesamte Bevölkerung unter Generalverdacht, sondern konzentriert sich auf gefährliche Einzelfälle. Von den wirklich gefährlichen Personen sollen unsere Sicherheitsbehörden alles wissen, von der überwältigenden Mehrheit der in Deutschland Lebenden hingegen so wenig wie möglich…“

Auch wenn der Verfasser dieses Textes nicht alle Schlussfolgerungen und Forderungen von Frau Leutheusser-Schnarrenberger teilt: Ihr Beitrag bemerkenswert unaufgeregt. Und er ist lesenswert!

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