Palantir und HessenDATA: Rechtmäßigkeit des Einsatzes ist äußerst fragwürdig

Datenschutzrheinmain/ Januar 8, 2023/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD)/ 2Kommentare

So bewertet Roman Peters, Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main, die in Hessen seit 2017 durch eine Änderung im hessischen Polizeirecht (§ 25a HSOG) formaljuristisch zulässige Nutzung einer Software, die die hessische Polizei beim US-Software-Unternehmen Palantir eingekauft hat und in ihrer eigenen Version HessenDATA nennt.

Die Frage einer Journalistin der Zeitung Junge Welt Was sagen Sie zu Beuths Argument, die Software könne hilfreich sein, um Terroranschläge zu verhindern?“ beantwortet Roman Peters mit der Feststellung: Das führt das hessische Innenministerium stets an, die Datenlage ist aber eher dünn. Mit der 2017 beschafften Hessendata konnten jedenfalls rechtsextreme Anschläge nicht verhindert werden: weder der Mord an Walter Lübcke im Juni 2019 noch die rassistischen Morde von Hanau im Februar 2020.“

Und zur Frage Könnte auf Basis der so erlangten Daten auch der Verfassungsschutz davon Kenntnis erlangen?“ erklärt er: In der Theorie sollte nur die Polizei Zugriff auf die Software erhalten. Tatsächlich gibt es aber beispielsweise das »Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum«, wobei sich die Bundes- und Landespolizei und die Verfassungsschutzbehörden eher informell austauschen. Was da an Daten fließt, ist nicht bekannt. Das Zentrum steht in der Kritik, das Trennungsgebot aufzuheben.

Anlass des Interviews war die mündliche Verhandlung über eine Verfassungsbeschwerde gegen § 25a HSOG und andere Neuregelungen in diesem Gesetz sowie im hessischen Verfassungsschutzgesetz. Juristisch unterstützt durch die Gesellschaft für Freiheitsrechte (GFF) haben sich sieben Kläger*innen an das Gericht gewandt und eine unzulässige Einschränkung ihrer Grundrechte reklamiert. In einer mündlichen Verhandlung am 20.12.2022 haben die Verfassungsrichter u. a. den hessischen Innenminister Peter Beuth (CDU) befragt und den hessischen Datenschutzbeauftragten Prof. Alexander Roßnagel als Sachverständigen gehört.

Nach Abschluss der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht erklärte die GFF: Wir haben die Verfassungsbeschwerden eingereicht, damit für den Einsatz komplexer Auswertungssoftware durch die Polizei strenge Maßstäbe aufgestellt werden. Eine Frage war dabei in Karlsruhe zentral: Ist – wie nach Ansicht der Hessischen und Hamburgischen Regierungsvertreter – die automatisierte Datenauswertung nur die Fortsetzung klassischer Polizeiarbeit mit ‚mehr Power‘? Oder begründet die Möglichkeit, riesige Datenpoole zusammenzuziehen, Verbindungen und Muster zu generieren etc. eine ganz neue Eingriffsqualität, die auch entsprechend strenge Grenzen braucht? Die Gegenseite wurde nicht müde zu beteuern, dass keinerlei künstliche Intelligenz im Einsatz sei. Gegenstand des Verfahrens waren aber ja die Regelungen und die sind – wie heute immer wieder formuliert wurde – ‚technik-offen‘. Was noch nicht ist, kann also jederzeit noch werden.Die vielen detaillierten Nachfragen des Gerichts zeigten, dass die Richterinnen und Richter die vagen Normen zur Automatisierten Datenauswertung ebenfalls kritisch sehen. Insbesondere stand an vielen Stellen die Frage im Raum, ob die Einhaltung der rechtlichen Grenzen überhaupt technisch umsetzbar ist…“

Der hessische Datenschutzbeauftragte hat in einer Pressemitteilung vom 21.12.2022 seine Bewertung der mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Regelung in § 25a HSOG bekannt gemacht: „… hessenDATA Mit seinem Einsatz sind auch viele datenschutzrechtliche Fragen verbunden… Problematisch sieht er die Reichweite des Analyse-Werkzeugs, das auch auf alle Daten von Funkzellenabfragen zugreift, durch die alle Personen, die sich mit einem Handy zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten räumlichen Bereich aufgehalten haben, erfasst werden, und das auch alle Daten des polizeilichen Dokumentationssystems auswertet, in dem alle Vorkommnisse, mit denen die Polizei zu tun hat, dokumentiert sind, von Ermittlungen zu Straftaten, über Zeugenaussagen, Verkehrsunfällen, Verlustanzeigen bis hin zu Nachbarstreitigkeiten und unbelegten Verdächtigungen. Dadurch bestehe das Risiko, dass viele Personen in polizeiliche Ermittlungen einbezogen werden, die dort nicht hingehören. Zugriff auf diese Analyse-Software haben in Hessen über 2.000 Kriminalbeamte, die mit ihr im letzten Jahr über 14.000 Ermittlungen durchgeführt haben. Verfassungsrechtlich problematisch ist…unter anderem, dass die gefahrenabwehrrechtliche Vorschrift des § 25a HSOG zu unbestimmt istEin weiteres Problem sieht Roßnagel im Zusammenhang mit dem Thema der Zweckbindung. Bei der Analyse der bei der Polizei gespeicherten Daten mit hessenDATA werden große Mengen an Daten von „Unbeteiligten“ einbezogen, die davon nichts erfahren und die keine Chance haben, ihre Lebensführung so einzurichten, dass sie nicht erfasst werden…“


Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat, ebenso wie das Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e. V. (FIfF) und die Humanistische Union (HU), die Verfassungsbeschwerde gegen das HSOG und das hessische Verfassungsschutzgesetz begleitet und unterstützt. Sie ruft auf,

zur Finanzierung dieser und anderer Verfassungsbeschwerden die GFF mit Spenden zu unterstützen.

 

2 Kommentare

  1. Wer ist Peter Thiel? – ZDFmediathek
    Peter Thiel ist vor allem als brillanter Investor bekannt, der früh auf den Erfolg von Facebook setzte. Doch in den letzten Jahren mischt sich Thiel zunehmend auch in die US-Politik ein. 14…
    https://www.zdf.de/dokumentation/zdfinfo-doku/wer-ist-peter-thiel-radikale-politik-mit-tech-milliarden-100.html

  2. US-Armee: Palantir erhält millionenschweren Auftrag für Schlachtfeld-KI

    Die umstrittene Big-Data-Firma Palantir soll dem US-Militär mit dem Projekt Titan bei der automatisierten Zielerfassung und langen Präzisionsschüssen helfen.
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    Großer Armee-Truck

    Der Truck soll Palantir zufolge Zugriff auf Weltraum-, Höhen-, Luft- und terrestrische Sensoren haben, um verwertbare Zielinformationen für eine verbesserte Missionsführung und Präzisionsfeuer über weite Strecken bereitzustellen.

    (Bild: Palantir)
    09.03.2024, 18:07 Uhr
    Lesezeit: 3 Min.
    Von Stefan Krempl

    https://www.heise.de/news/US-Armee-Palantir-erhaelt-millionenschweren-Auftrag-fuer-Schlachtfeld-KI-9650570.html

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