Österreich: Ex-Cheftechniker der NSA warnt vor Überwachungspaket

Datenschutzrheinmain/ August 11, 2017/ alle Beiträge, EU-Datenschutz, staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung/ 0Kommentare

Österreich steht vor einer dramatischen Ausweitung der Überwachungsgesetze. Die Bürgerrechtsorganisation epicenter.works (ehemals: Arbeitskreis Vorratsdaten Österreich) führt dagegen eine engagierte Auseinandersetzung. Vor wenigen Tagen war Bill Binney, ehemals technischer Direktor des US-Geheimdienstes NSA, mittlerweile einer der schärfsten Kritiker von breit angelegten Überwachungsmaßnahmen, Gast einer Veranstaltung von epicenter.works. Seine dort ausgesprochene Warnung:

Massenüberwachung ist nicht geeignet, der Gefahr des Terrorismus zu begegnen, gefährdet aber Demokratie und Freiheit

Bill Binney: „Es gibt keinen Beleg dafür, dass das massenweise Sammeln und Auswerten von Daten tatsächlich für mehr Sicherheit sorgt oder bei der Aufklärung schwerer Straftaten helfen kann. Allerdings gibt es sehr viele Belege dafür, dass zu viele Daten der Verbrechensprävention hinderlich sind“.

Und weiter: „Wo neue Datenbanken mit personenbezogenen Daten geschaffen werden, entstehen auch neue Begehrlichkeiten und Missbrauchsmöglichkeiten. Der Schaden, der hier entstehen kann, darf nicht unterschätzt werden.“ Dass diese Befürchtung berechtigt ist, zeigt ein aktuelles Beispiel aus Deutschland: Der neue Justizminister in Nordrhein-Westfalen, Peter Biesenbach (CDU), hat in einem Interview mit BILD gefordert, dass bei der Aufklärung schwerer Straftaten künftig auch Mautdaten genutzt werden dürfen. Das Aufklärungsinteresse bei einer schweren Straftat wie Mord liege für ihn deutlich über dem Datenschutz.

Thomas Lohninger, Sprecher von epicenter.works, erklärte in der Veranstaltung: „Die österreichische Bundesregierung will jetzt Maßnahmen einführen, die schon in EU-Ländern mit mehr Terroranschlägen wie Frankreich, Großbritannien, Belgien oder Deutschland nicht zur Sicherheit beigetragen haben. Das geplante Überwachungspaket setzt wieder auf anlasslose Massenüberwachung, etwa bei der Vorratsdatenspeicherung von Videomaterial von Überwachungskameras oder bei der Erfassung von Autokennzeichen. Im Fall des Bundestrojaners will man sogar die Sicherheit von technischen Systemen riskieren, die von Millionen Menschen genutzt werden, nur um Einzelpersonen überwachen zu können. Die Ausweispflicht beim Kauf von Wertkarten-SIMs trifft auch die Falschen. Hier wird Millionen Unschuldigen die Möglichkeit genommen, anonym zu kommunizieren. All diese Maßnahmen bringen mehr Schaden als Nutzen…“.

Der Jurist Max Schrems, der unter anderem dafür verantwortlich ist, dass das Safe-Harbour-Abkommen vom Europäischen Gerichtshof gekippt wurde, ortet noch andere Mängel bei den neuen Gesetzesvorschlägen der österreichischen Bundesregierung: „Während die Überwachung von Smartphones, Öffi-Nutzern und Autofahrern ausgebaut wird, fehlt es an entsprechend verstärkten rechtsstaatlichen Kontrollen. Seit 2001 gab es 28 Novellen des ‚Sicherheitspolizeigesetzes‘ mit immer weiteren Befugnissen für die Polizei, die bereits greifen bevor sich jemand strafbar gemacht hat. Bei der Einführung von Videokameras oder Mautsystemen wurde hoch und heilig versprochen, dass diese Daten nicht zum Zweck der Massenüberwachung genutzt werden. Kaum sind die Daten da, versucht man, sie in einem zweiten Schritt für den Staat anzuzapfen. In Berlin geht es schon bis zum Test automatischer Gesichtserkennung an Bahnhöfen. Hätte man vor zehn Jahren gesagt, wir bauen überall Kameras auf um jede Bewegung scannen zu können, wäre das nie akzeptiert worden. Mit der klassischen ‚Salamitaktik‘ scheint das aber alles zu gehen.“ Auch dies eine Beschreibung, die auch auf die Entwicklung der Gesetzgebung in Deutschland zutrifft.

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