Nein zur Auswertung der Handydaten bei Geflüchteten! Gesellschaft für Freiheitsrechte unterstützt drei Kläger*innen

Datenschutzrheinmain/ Mai 6, 2020/ alle Beiträge, Beschäftigten- / Sozial- / Verbraucherdaten-Datenschutz, Telekommunikations-Überwachung/ 1 comments

Am 29.07.2017 trat das Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (BGBl. I S. 2780) in Kraft. Mit diesem Gesetz wurde der § 15a in das Asylgesetz (AsylG) eingefügt. Gestützt auf § 48 Absatz 3a und § 48a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) damit ermächtigt, Handys und andere Datenträger von AsylbewerberInnen auszuwerten.

Auswertung verfassungswidrig? Der gläserne Flüchtling

Unter dieser Überschrift informierte die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ) bereits am 19.08.2017 über die Folgen dieser Gesetzesänderung. Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) hat am 04.05.2020 mitgeteilt, dass sie die Klagen von drei Geflüchteten gegen dieses Gesetz juristisch und finanziell unterstützt. Die Kläger*innen sind nach Deutschland geflohen und mussten dem BAMF ihre Mobiltelefone zur Auswertung überlassen.

Einer von ihnen ist der 29-jährige Mohammad A. Er kommt aus Syrien und wurde 2015 als Flüchtling in Deutschland anerkannt. Im Jahr 2019 überprüfte das BAMF ohne Anlass alte Asylentscheidungen – einschließlich der, mit der Mohammed A. anerkannt wurde. Bei dieser Überprüfung hat das BAMF routinemäßig auch sein Smartphone ausgewertet. Die GFF zitiert seine Aussage: „Auf einmal hat der BAMF-Mitarbeiter zu mir gesagt, ich soll mein Handy rausgeben und entsperren. Ich wusste überhaupt nicht, was da genau passiert, man hat mir nichts erklärt. Aber ich hatte Angst, abgeschoben zu werden. Also habe ich ihm das Handy gegeben. Das war, als würde ich mein ganzes Leben über den Tisch reichen.“ Die positive Entscheidung im Asylverfahren wurde zwar aufrechterhalten, der massive Eingriff in das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung soll jetzt aber vom Verwaltungsgericht Hannover überprüft werden. Die GFF unterstützt zudem die Klagen einer etwa 37-jährigen Frau aus Afghanistan vor dem Verwaltungsgericht Berlin sowie einer 25-jährigen Frau aus Kamerun vor dem Verwaltungsgericht Stuttgart. Ziel ist, die gesetzliche Grundlage für die Handydatenauswertung vor das Bundesverfassungsgericht zu bringen.

Angesichts der umfangreichen, oft sehr intimen Daten, die auf Smartphones gespeichert sind, stellt die Handyauslesung einen besonders tiefen Eingriff in die Privatsphäre der Betroffenen dar. Wegen ihrer Trennung von Heimat, Familie oder Freund*innen spielen Mobiltelefone im Leben geflüchteter Menschen oft eine besonders zentrale Rolle.

Diese Daten werden durch das BAMF in zwei Schritten ausgewertet: Die Daten werden zunächst extrahiert, computergestützt analysiert und das Ergebnis der Auswertung in einem Bericht abgespeichert. Dieser Bericht kann in einem zweiten Schritt durch eine*n Volljurist*in des BAMF freigegeben und im jeweiligen Asylverfahren genutzt werden. Der Bericht umfasst eine Vielzahl persönlicher Daten, dazu zählen Informationen zu den Ländervorwahlen ein- und ausgehender Anrufe, Nachrichten, Kontaktdaten und besuchte Webseiten. Auch wertet das vom BAMF genutzte Programm Lokationsdaten aus und zeigt diese auf einer Landkarte an. Ebenso werden Login-Namen, welche die betroffene Person für verschiedene Apps nutzt, gelistet. Schließlich werden SMS- und Messenger-Nachrichten einer Sprachanalyse unterzogen, welche die verwendete Sprache bzw. den arabischen Dialekt bestimmen soll. Das BAMF stellt dabei nicht sicher, dass der Kernbereich ihrer Persönlichkeitsrechte geschützt wird, also beispielsweise ein Zugriff auf besonders persönliche Daten unterbleibt. Zwar ist das BAMF rechtlich verpflichtet ist, die Handyauslesung nur als letztes Mittel einzusetzen. So können etwa gezielte Fragen zum Herkunftsland und -ort in der Asylanhörung Zweifel an der Identität mit größerer Gewissheit aufklären. Die Handyauslesung wird aber in aller Regel schon lange vor der Anhörung durchgeführt. Weniger einschneidende Mittel, die das BAMF vor der Handyauslesung einsetzt, sind nicht bekannt.

Die GFF stellt dazu fest: Die Auslesung der Datenträger von Asylsuchenden durch das BAMF ist in der jetzigen Form verfassungsrechtlich stark zu kritisieren. Das BAMF greift bereits ohne konkrete Verdachtsmomente tief in die Rechte tausender Menschen ein. Den betroffenen Personen bleibt faktisch keine Möglichkeit, diese Maßnahme abzuwehren und den Schutz ihrer persönlichen Daten sicherzustellen. Das steht in keinem Verhältnis dazu, dass das BAMF durch diese Maßnahme nur in sehr wenigen Fällen überhaupt Anhaltspunkte für eine falsch angegebene Identität findet. Im Ergebnis liegt es nahe, dass das BAMF durch sein Vorgehen die Persönlichkeitsrechte einer besonders vulnerablen Personengruppe in eklatanter Weise verletzt.“

Die GFF stellt auf ihrer Homepage weitere Informationen zur Verfügung:

Unterstützen Sie den Einsatz für die Grundrechte aller Menschen mit Ihrer Spende an die GFF!


Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main unterstützt gemeinsam mit der Humanistischen Union (HU) und dem Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung e.V. (FIfF) eine von der GFF initiierte Verfassungsbeschwerde gegen die Ende 2018 vom Hessischen Landtag beschlossene Neufassung des Hessischen Polizei- und des Hessischen Verfassungsschutzgesetzes. Näheres dazu finden Sie hier.

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  1. Horch und Guck 2.0

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