Koalitionsvertrag von Grünen, SPD, FDP und Volt in Frankfurt: Was sagt er aus zu den Themen Videoüberwachung, Datenschutz und Informationsfreiheit?

WS/ Juni 2, 2021/ alle Beiträge, Frankfurter Datenschutzbüro, Informationsfreiheit / Transparenz, Videoüberwachung in der Region/ 0 comments

Begleitet von einigen politischen Turbulenzen scheint sich in Frankfurt eine neue Stadtregierung zu bilden, die von Grünen, SPD, FDP und Volt getragen wird. Ein Koalitionsvertrag wurde vereinbart und öffentlich präsentiert. Er hat aber derzeit noch nicht den „Segen“ der FDP-Mitglieder in Frankfurt erhalten.

Nach der Kommunalwahl im März 2021 hatte die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main den neu gewählten Stadtverordneten von Grünen, SPD, FDP und Volt in Frankfurt gratuliert und ihnen zugleich drei Anregungen bzw. Anforderungen an ihr kommunalpolitisches Handeln und ihre Koalitionsvereinbarung übermittelt:

  1. Kein weiterer Ausbau der Videoüberwachung in Frankfurt;
  2. Schaffung einer kommunalen Informationsfreiheitssatzung für den Wirkungskreis der Stadt Frankfurt;
  3. Schaffung eines Unabhängigen Frankfurter Datenschutzbüros.

Das Schreiben ist hier im Wortlaut nachlesbar; die Mustersatzung (Entwurf): Informationsfreiheit für Städte und Gemeinden in Hessen und das Konzept zur Errichtung eines Unabhängigen Frankfurter Datenschutzbüros sind ebenfalls im Wortlaut nachlesbar.

Was ist zu diesen Themen im Koalitionsvertrag vereinbart?

1. Videoüberwachung

Videoüberwachung ist ein Instrument der Sicherheitspolitik, das durchaus kontrovers bewertet wird. Dem wichtigen Recht auf informationelle Selbstbestimmung der/des Einzelnen steht ein stark empfundenes, kollektives Sicherheits- und Aufklärungsbedürfnis bei Straftaten im öffentlichen Raum gegenüber. Deshalb fühlen wir uns verpflichtet, vor dem Einsatz von Videotechnik Nutzen und Verhältnismäßigkeit abzuwägen und bestehende Systeme alle zwei Jahre auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen. Die bloße Installation von Videokameras ohne begleitende Maßnahmen und Einbettung in ein umfassendes Sicherheitskonzept lehnen wir strikt ab. Stattdessen befürworten wir sie nur dort, wo sie verhältnismäßig ist. Sie ist deshalb nur an Kriminalitätsschwerpunkten zu verantworten, bei denen es valide Belege dafür gibt, dass eine Videoüberwachung die Sicherheitslage in spürbarer Weise verbessern würde. Begleitend müssen Maßnahmen z.B. der Stadtplanung und sozialen Arbeit eingesetzt werden, um eine nachhaltige Verbesserung an diesen Schwerpunkten zu erreichen. Wir fordern, dass bei Demonstrationen im videoüberwachten Stadtraum die Kameras nicht nur abgeschaltet, sondern sichtbar verhüllt werden.“ (Koalitionsvertrag, S. 202)

Zu begrüßen ist sicherlich der letzte Satz. Sind doch drei für politische Versammlungen gern und häufig genutzte Plätze in Frankfurt mit bereits bestehenden (Konstablerwache und Hauptbahnhofsvorplatz / “Kaisersack“) oder im Bau befindlichen (Hauptwache) Videoüberwachungsanlagen bestückt.

Die anderen zitierten Sätze lesen sich wie Formelkompromisse, der für Interpretationen unterschiedlicher Art geeignet sind oder es werden Festlegungen getroffen („bestehende Systeme alle zwei Jahre auf ihre Notwendigkeit zu überprüfen“), die bereits gesetzlich normiert (§ 14 Abs. 3 HSOG) und daher im Koalitionsvertrag überflüssig sind.

2. Kommunale Informationsfreiheitssatzung

Wir fordern für Frankfurt eine kommunale Informationsfreiheits- und Transparenzsatzung im Sinne der Datensouveränität als rechtssichere Grundlage der Herausgabe von nicht personenbezogenen öffentlichen Daten. Wir lassen uns dabei von dem Gedanken leiten, möglichst viele Daten öffentlich verfügbar zu haben. Es wird eine Städtische Ombudsstelle als Clearingstelle für Fragen der Datenerhebung und -verarbeitung geschaffen an die sich Bürger*innen im Rahmen der Transparenzsatzung auf einfache Weise kostenfrei wenden können.“ (Koalitionsvertrag, S. 183)

Klingt gut! Aber nach den Erfahrungen mit der Schaffung einer Informationsfreiheitssatzung in der Nachbarstadt Offenbach muss aber u. a. sichergestellt sein,

  • dass der individuelle Informationsanspruch auf Dienst- und Geschäftsanweisungen, Vorgänge, Verträge u. a. Unterlagen (soweit sie nicht personenbezogene oder andere zwingend zu schützende Daten enthalten),
  • nicht auf Einwohner*innen der Stadt Frankfurt und juristische Personen mit Sitz in Frankfurt begrenzt wird und
  • auch eine anonyme bzw. pseudonyme Antragstellung auf entsprechende Auskünfte möglich ist.

Wir setzen uns dafür ein, dass allgemeine, nicht-personenbezogene Daten, die von der Stadt erfasst werden (wie zum Beispiel Luftqualität), einfach und digital öffentlich zugänglich gemacht werden. Frei zugängliche Open-Data-Schnittstellen der Stadt Frankfurt wie offenedaten.frankfurt.de möchten wir aktualisieren, ausbauen und dauerhaft pflegen. Sämtliche Statistikdaten der Stadt Frankfurt sollen unter Open Source Creative Commons Lizenz freigegeben werden. Daran sollen sich alle Frankfurter kommunalen Tochterunternehmen und möglichst alle in Frankfurt tätigen Mobilitätsunternehmen für Verkehrsdaten beteiligen. Alle Daten sollen dabei unter CC Lizenz verbleiben. Wir möchten jedem Interessierten ermöglichen, diese Daten für Projekte in den Bereichen Forschung, Lehre und Stadtentwicklung zu nutzen, die dann wiederum der Stadt zugute kommen können. Es sollen auch mehr dynamische Schnittstellen zu Open Data mit Software Development Kits geschaffen werden.“ (Koalitionsvertrag, S. 184)

Die Digitalisierung ermöglicht neue, direktere Wege der Kommunikation, die unsere demokratischen Prozesse der politischen Willensbildung maßgeblich optimieren können. Durch die Bereitstellung von Informationen aus Stadtverordnetenversammlung, Kommunalen Ausländervertretung und den Ortsbeiräten, kann zur Transparenz kommunaler Politik beigetragen werden. Parlis und FFM.de sollen zu diesem Zweck überarbeitet und integriert werden. Wir wollen, dass diese Möglichkeiten im Sinne der barrierefreien politischen Partizipation genutzt werden.“ (Koalitionsvertrag, S. 190)

3. Unabhängiges Frankfurter Datenschutzbüro

Dazu fehlt im Koalitionsvertrag eine Aussage.

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