Hessen: Corona-Gästelisten von der Polizei beschlagnahmt und ausgewertet
Powidatschl/ Januar 22, 2021/ alle Beiträge, Datenschutz in Zeiten von Corona, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Verbraucherdatenschutz/ 1Kommentare
Torsten Felstehausen, Landtagsabgeordneter der Linken in Hessen, hat in einer Kleinen Anfrage vom 05.08.2020 zum Thema „Nutzung von ‚Corona-Gästedaten‘ durch hessische Sicherheitsbehörden“ zehn Fragen gestellt. Am 19.01.2021 wurden die Antworten des hessischen Innenministers Peter Beuth (CDU) als Landtagsdrucksache 20/3337 veröffentlicht.
In den Vorbemerkungen des Ministers zu den Fragen wird festgestellt: „Die Zahl der Zugriffe auf Gästelisten durch die Staatsanwaltschaften bzw. die hessische Polizei, die bis zum Inkrafttreten des o.a. Gesetzes erfolgten, wurden statistisch nicht erfasst. Die nachfolgend genannten Zahlen wurden durch eine gesonderte Abfrage in den einzelnen Polizeipräsidien erhoben, ein Anspruch auf Vollständigkeit besteht nicht.“ Es muss also davon ausgegangen werden, dass es eine unbekannte Zahl weiterer Zugriffe auf die Gästelisten gab, zumal dieser Praxis erst mit der Neufassung des § 28a Abs. 4 Infektionsschutzgesetz (IfSG) zum 19.11.2020 ein Riegel vorgeschoben wurde.
Der hessische Innenminister bestätigt, dass im Zeitraum bis zum 01.08.2020 in mindestens 13 Fällen Corona-Kontaktlisten von der Polizei beschlagnahmt, sichergestellt oder sonst wie zum Zwecke der Strafverfolgung eingesehen wurden. Auf die Frage „In wie vielen Fällen haben Hessische Sicherheitsbehörden in der Zeit vom 15.März bis zum 1. August 2020 Gästelisten von Restaurants, Hotels und Veranstaltern für Zwecke der Strafverfolgung genutzt?“ antwortet Beuth wie folgt:
- „Polizeipräsidium Nordhessen: 2 Fälle (versuchtes Tötungsdelikt / Vollstreckung eines Haftbefehls wegen gewerbsmäßigem Betrugs),
- Polizeipräsidium Mittelhessen: 3 Fälle (versuchtes Tötungsdelikt / Verdacht der Vergewaltigung / sexuelle Nötigung),
- Polizeipräsidium Osthessen: 2 Fälle (Diebstahl / Ermittlungen im Zusammenhang mit Rockerkriminalität),
- Polizeipräsidium Südhessen: 5 Fälle (drei Fälle gefährliche Körperverletzung / unerlaubtes Entfernen vom Unfallort / Taschendiebstahl),
- Polizeipräsidium Westhessen: 1 Fall (unerlaubtes Entfernen vom Unfallort).“
Die Frage „Wird die Nutzung / Beschlagnahme von Gästelisten dem Hessischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit angezeigt? Wenn nein, warum nicht?“ beantwortet Beuth mit „Nein. Eine dahingehende Mitteilungspflicht der hessischen Polizei bestand bis zum 19.November2020 nicht. Aufgrund der zwischenzeitlich eingetretenen Rechtsänderung (§28 Abs. 4 IfSG) wurden die Polizeibehörden entsprechend angewiesen, Gästelisten nicht sicherzustellen bzw. zu beschlagnahmen.“
In Ländern wie den USA und England sind bereits die meisten privaten Überwachungskameras in Ladengeschäften und Restaurants direkt mit dem Polizeinetzwerk verbunden und können live Analysen von Gästen durch Gesichtserkennung anfertigen. Die Beschlagnahmung von Papierlisten ist also (noch) relativ harmlos.