Erfolg für das Recht auf Privatsphäre: Bundesverwaltungsgericht erklärt Praxis des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) zur Auswertung von Handys geflüchteter Menschen für rechtswidrig

Datenschutzrheinmain/ Februar 22, 2023/ alle Beiträge, Telekommunikations-Überwachung, Verbraucherdatenschutz/ 0Kommentare

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einem Urteil vom 16.02.2023 (Aktenzeichen: 1 C 19.21) der Klage einer Frau aus Afghanistan gegen das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stattgegeben. Wie schon das Verwaltungsgericht Berlin in der ersten Instanz entschied das BVerwG, dass die Auswertung des Handys der 44-Jährigen durch das BAMF rechtswidrig war.

Die Gesellschaft für Freiheitsrechte e.V. (GFF), die die Klage juristisch, finanziell und publizistische unterstützt hat, erklärt dazu: „Das Urteil des Bundesverwaltungsgerichts ist ein großer Erfolg für den Datenschutz und die Privatsphäre von Geflüchteten. Es ist klar rechtswidrig, dass das BAMF Handydaten auf Vorrat auswertet. Diese Praxis muss jetzt aufhören“.

Das Bundesverwaltungsgericht bestätigt mit seinem Urteil, dass die Auswertung von Smartphones Geflüchteter gleich zu Beginn des Asylverfahrens rechtswidrig ist. Das BAMF muss zunächst prüfen, ob es mildere Mittel zur Feststellung von Identität und Staatsangehörigkeit gibt. Über die Frage, ob eine Auswertung zu einem späteren Zeitpunkt grundrechtskonform ist, hat das Gericht nicht entschieden.

Der Anwalt der Klägerin stellt fest: „Der Senat geht davon aus, dass die Voraussetzungen der Rechtsgrundlage nicht erfüllt sind. Wir sind zudem überzeugt, dass das Auslesen von Handys nicht mit der Datenschutzgrundverordnung und der EU-Grundrechte-Charta vereinbar ist. Für uns ist deshalb klar: Das BAMF muss die Handydatenauswertungen vollständig einstellen“.

Am 29.07.2017 trat das Gesetzes zur besseren Durchsetzung der Ausreisepflicht (BGBl. I S. 2780) in Kraft. Mit diesem Gesetz wurde der § 15a in das Asylgesetz (AsylG) eingefügt. Gestützt auf § 48 Absatz 3a und § 48a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) wurde das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) damit ermächtigt, Handys und andere Datenträger von AsylbewerberInnen auszuwerten. Wenn eine asylsuchende Person weder Pass noch Passersatzdokument vorweisen kann, wertet das BAMF seither Datenträger aus, um die Angaben der Person über ihre Identität und Staatsangehörigkeit zu plausibilisieren. Ein konkreter Verdacht gegen die geflüchtete Person war für die Auslesung nicht erforderlich. Das bedeutet einen tiefen Eingriff in die digitale Privatsphäre – und bringt wenig, wie eine von der GFF im Dezember 2019 veröffentlichte Studie zeigt.

Der nur geringe messbare Nutzen des Vorgehens kann den Eingriff in die intimsten Gespräche der Betroffenen nicht rechtfertigen. Das zeigt auch die Erfahrung der 44-jährigen Klägerin: „Mein Smartphone ist die einzige Verbindung zu meiner Familie. Mit unseren Nachrichten tauschen wir uns über Sorgen, Ängste und unseren Alltag aus. Das ist für mich privat, ich möchte nicht, dass andere Menschen das lesen können. Deshalb hat es sich schrecklich angefühlt, dem BAMF-Mitarbeiter damals mein Handy geben zu müssen. Ich bin froh, dass dies anderen Geflüchteten in Zukunft nicht mehr passieren kann.“

Quelle: Pressemitteilung der GFF vom 16.02.2023. Weitere Informationen finden Sie hier.

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