Eine Expedition in die Frankfurter Videoüberwachungs-Landschaft
Seit 02.10.2013 findet im Frankfurter Museum für Kommunikation eine Ausstellung zum Thema Außer Kontrolle? Leben in einer überwachten Welt statt (http://www.mfk-frankfurt.de/nc/ausstellung/aktuell/details/events/2328/p1/detail.html). Im Rahmen dieser Ausstellung hatte die KünstlerInnengruppe Social Impact aus Linz (Oberösterreich) vom 18.-20.10.2013 unter dem Motto AUSBLENDEN. Aktionsführungen durch die Stadt: ÜBERWACHUNGSFREI zu Begehungen der Frankfurter Innenstadt eingeladen. Als TeilnehmerInnen eines politischen und Kunstprojekts konnten jeweils ein Dutzend Menschen neue Erfahrungen im öffentlichen Raum machen. Zudem wurde ihre Aufmerksamkeit auf die allenthalben – in Frankfurt wie in anderen Großstädten – überbordende Videoüberwachung öffentlicher Räume gerichtet. Auch Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main nutzten die Gelegenheit, das Thema Videoüberwachung mit einem ungewohnten und neuen Blickwinkel zu betrachten.
Ausgerüstet mit einheitlichen weißen Ganzkörper-Overalls, weißen Schirmmützen und roten Handschuhen wurde das individuelle Aussehen kaschiert und anonymisiert. Einseitig verspiegelte, aber für die TeilnehmerInnen durchsichtige Plexiglasschilde schützten bei richtigen Gebrauch davor, das Gesicht schutzlos dem Visier der Überwachungskameras auszuliefern. Zugleich war die Ausrüstung der Gruppe für PassantInnen und TouristInnen ein vielfach fotografierter Hingucker.
Ausgehend vom Museum für Kommunikation führte der Weg der Gruppe zum Eisernen Steg. Dein Freund, der Baum – dieses Motto gewann während der Führung eine neue Bedeutung: Schützen doch belaubte Bäume vor den neugierigen Blicken diverser Kameras. An einer Gaststätte am Eisernen Steg die erste Videokamera, vor derem auch auf die öffentlichen Verkehrsflächen gerichteten Auge die verspiegelten Schilde schützten.
Über den Eisernen Steg führte der Weg zum Römerberg.
An der Baustelle des Historischen Museums eine weitere Videokamera, die auch große Teile des Römerbergs überwacht. Und am Gebäude Römerberg 32 eine Dome-Kamera, von der das dort beheimatete Presse- und Informationsamt der Stadt Frankfurt behauptet, sie diene als Webcam und übertrage lediglich Standfotos ins Internet.
Hinter der Ostzeile am Römer: Eine kleine überwachungsfreie Zone
An der Konstablerwache wird die Videoüberwachung allgegenwärtig. Ein Schutz vor neugierigen Kameralinsen ist kaum möglich. Die Polizei betreibt hier 4 Dome-Kameras,
3 Dome-Kameras „schmücken“ die Filiale der Deutschen Bank.
Das Café Nachtleben bringt es gar auf die stolze Zahl von knapp einem halben Dutzend Kameras, die auch öffentliche Verkehrsflächen in den Blick nehmen.
Andere Grundstückseigentümer und Geschäftsleute sind „bescheidener“, sie nutzen nur ein neugieriges Kameraauge, um das Treiben an der Konsti zu beobachten.
Auf der Zeil fällt MyZeil ins Auge. Nicht wegen der futuristisch anmutenden Fassade, sondern wegen der mindestens 4 Dome-Kameras, die ungeniert die öffentlichen Flächen der Zeil bis zu den gegenüber liegenden Geschäften ins Visier nehmen. Unterhalb von 2 der Kameras versucht die Gruppe, sich mit geschickter Platzierung und unter Zuhilfenahme der verspiegelten Schilde vor den Kameraaugen zu verbergen.
Hier machen Mitglieder der Expedition eine neue Erfahrung: Selbst nicht erkenn- und identifizierbar ermöglichen die Schilde – ähnlich wie die Monitore hinter den Kameras – den neugierigen bis voyeuristischen Blick auf das flanierende Zeil-Publikum.
Vorbei an einer Vielzahl von Videokameras geht es an der Hauptwache in den Untergrund.
Mit der – ebenfalls kamerabestückten – U-Bahn fährt die Gruppe zum Willy-Brandt-Platz. Dort sind nicht nur unterirdisch Kameras postiert. Auf dem Platz selber veranstaltet die Europäische Zentralbank eine Überwachungsorgie mit unterschiedlichsten Kameras.
Und damit nicht genug: Auch die VGF beteiligt sind mit 4 Dome-Kameras an der oberirdischen Straßenbahnhaltestelle mit der Überwachung der Personen, die den Platz zu Fuß oder mit dem Fahrrad überqueren.
Zurück im Museum für Kommunikation sind sich die TeilnehmerInnen der Expedition einig: Sie haben in den 2 Stunden der Expedition durch eine videoüberwachte Frankfurter Innenstadt neue und unerwartete Erfahrungen gemacht. Die durchaus unterschiedliche Bewertung von Sinn und Unsinn, Nutzen und Nachteil von Videoüberwachung kann mit neuen Erfahrungen einer Überprüfung unterzogen werden.
Die KünstlerInnengruppe Social Impact hat auch bereits in anderen deutschen Großstädten und in ihrer Heimatstadt Linz ähnliche Stadterkundungen durchgeführt. Unter http://www.ausblenden.net/ sind Kurzfilme hinterlegt, die die Aktionen der Gruppe vorstellen.
Hat dies auf Bonusmile: Frankfurt – Barcelona etc. rebloggt.
Zum Nachhören ein kurzer informativer Beitrag zu dieser Aktion auf
http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2013/10/28/drk_20131028_0820_43e8e020.mp3