Bundesverfassungsgericht erklärt Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern für tw. verfassungswidrig

Datenschutzrheinmain/ Februar 1, 2023/ Uncategorized/ 0Kommentare

Am 5. Juni 2020 traten Neuregelungen verschiedener Ermittlungsbefugnisse der Ordnungs- und Polizeibehörden des Landes Mecklenburg-Vorpommern im Gesetz über die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Mecklenburg-Vorpommern (Sicherheits- und Ordnungsgesetz – SOG MV) in Kraft.

Gegen diese Neuregelungen legten mehrere Personen Verfassungsbeschwerde ein – mit Unterstützung der Gesellschaft für Freiheitsrechte e. V. (GFF) und dem regionalen Bündnis SOGenannte Sicherheit. Beschwerdeführende sind eine für als terroristisch oder extremistisch eingestufte Personen tätige Rechtsanwältin, ein in den Bereichen politischer Extremismus und Migration tätiger Journalist, eine Klima- und Umwelt-Aktivistin, ein in einer Gemeinschaftsunterkunft für Asylsuchende tätiger Sozialarbeiter mit Kontakten in die Fußball-Fan-Szene und eine weitere Person aus der Fußball-Fan-Szene.

Mit Beschluss vom 09.12.2022 (Aktenzeichen: 1 BvR 1345/21) hat das Bundesverfassungsgericht (BverfG) entschieden, dass mehrere Vorschriften des SOG MV mit dem Grundgesetz unvereinbar sind. Einige der darin geregelten polizeilichen Ermittlungsbefugnisse verletzen in ihrer konkreten Ausgestaltung die Grundrechte der Beschwerdeführenden, namentlich das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) in Verbindung mit Art. 1 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Schutz der informationellen Selbstbestimmung, teils auch in seiner Ausprägung als Schutz der Vertraulichkeit und Integrität informationstechnischer Systeme, das Fernmeldegeheimnis (Art. 10 Abs. 1 GG) sowie die Unverletzlichkeit der Wohnung (Art. 13 Abs. 1 GG).

Die angegriffenen Vorschriften im SOG MV sind nach Bewertung des BverfG vor allem deshalb z. T. verfassungswidrig, weil sie den Anforderungen der Verhältnismäßigkeit an heimliche Überwachungsmaßnahmen der Polizei nicht genügen. Verfassungsrechtlich unzureichend sind sie auch mit Blick auf den erstmals näher konturierten Kernbereichsschutz beim gefahrenabwehrrechtlichen Einsatz von Vertrauenspersonen und verdeckt Ermittelnden sowie die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen der heimlichen Wohnungsbetretung durch die Polizei zur Vorbereitung einer Online-Durchsuchung oder einer Quellen-Telekommunikationsüberwachung. Nach Bewertung des BverfG sind die

  • § 33 Abs. 2 SOG MV (Besondere Mittel der Datenerhebung);
  • § 33b Abs. 1 Satz 2 SOG MV (Wohnraumüberwachung);
  • § 33c Abs. 1 Satz 2 SOG MV (Online-Durchsuchung);
  • § 33d Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SOG MV in (Telekommunikationsüberwachung);
  • § 35 Abs. 1 SOG MV (Ausschreibung zur polizeilichen Beobachtung) und
  • § 44 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SOG MV (Rasterfahndung)

verfassungswidrig. , weil die Vorschrift keine konkrete Gefahr voraussetzt und nicht den Anforderungen des Gebots der Normenklarheit genügt.

Quelle: Pressemitteilung des Bundesverfassungsgerichts vom 01.02.2023.


Mit dieser Entscheidung erhöht sich die begründete Hoffnung, dass das Bundesverfassungsgericht auch der Verfassungsbeschwerde gegen tw. vergleichbare Regelungen im Hessischen Gesetz für Sicherheit und Ordnung (HSOG) mindestens tw. stattgeben wird. Dazu fand am 2012.2022 eine Anhörung vor dem BverfG statt. Am 16.02.2023 soll eine Entscheidung getroffen werden, ob auch das Hessische Polizeigesetz (§ 25a Hessisches Sicherheits- und Ordnungsgesetz – HSOG) in Teilen verfassungswidrige Regelungen enthält.

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