Beschwerde über Video-Massenüberwachung des öffentlichen Straßenraums in Frankfurt beim Hessischen Datenschutzbeauftragten eingelegt

Datenschutzrheinmain/ Juni 2, 2014/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0Kommentare

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat sich am 26.05.2014 mit einem Schreiben an den Hessischen Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch gewandt und diesen aufgefordert, die Videoüberwachungsanlagen, die in Frankfurt den öffentlichen Straßenraum überwachen, einer kritischen Überprüfung zu unterziehen.

verbotsschild videoüberwachung

Im Schreiben heißt es u. a.: „Durch eigene Recherche und Hinweise aus der Frankfurter Bürgerschaft sind uns mittlerweile 369 Standorte von Videokameras bekannt, die geeignet sind, den öffentlichen Straßenraum zu überwachen. Insgesamt haben wir an diesen Standorten mehr als 820 Kameras gezählt, deren Blick auch auf den öffentlichen Straßenraum gerichtet ist. Nach unseren Erkenntnissen wird an der übergroßen Zahl von uns festgestellten Standorte (ca. 330) durch private Haus- und GrundstücksbesitzerInnen sowie Ärzte, Apotheken, Banken, Dienstleistungsunternehmen, Gaststätten, Handwerksbetriebe, Industrieunternehmen u. a. m. betrieben. Bei etwa 35 Standorten handelt es sich nach unseren Erkenntnissen um öffentliche Einrichtungen bzw. Dienststellen, die den öffentlichen Straßenraum beobachten … Auch ausländische Dienststellen in Frankfurt beobachten ungeniert den öffentlichen Straßenraum; darunter die Europäische Zentralbank an ihrem derzeitigen Sitz in der Frankfurter Innenstadt und an der Baustelle des neuen Gebäudes im Ostend. Feststellen mussten wir, dass auch mindestens die Konsulate von Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Irak, Russland und USA von ihren Grundstücken aus den umliegenden öffentlichen Straßenraum beobachten.“ Das Schreiben ist hier im Wortlaut nachlesbar: B-2014.05.26-an-hessischen-datenschutzbeauftragten

Dem Schreiben beigefügt ist zudem ein Datenträger mit mehr als 400 Fotos sowie eine Tabelle, die für 369 Adressen in Frankfurt am Main u. a. Angaben enthält zum Standort der Videokameras (Stadtteil, Straßenname, Hausnummer); zur mutmaßlichen „verantwortlichen Stelle“ i. S. d. § 6b BDSG (https://dejure.org/gesetze/BDSG/6b.html) bzw. § 14 HSOG (http://www.rv.hessenrecht.hessen.de/jportal/portal/t/14si/page/bshesprod.psml/action/portlets.jw.MainAction?p1=i&eventSubmit_doNavigate=searchInSubtreeTOC&showdoccase=1&doc.hl=0&doc.id=jlr-SOGHEV5P14&doc.part=S&toc.poskey=#focuspoint) sowie zu Anzahl und Art der Kameras, die auf den benachbarten öffentlichen Straßenraum gerichtet sind. Die Tabelle mit Angaben zu dem Standorten von Videoüberwachung ist hier einzusehen: videoueberwachungskameras in Ffm – 2014.05.26

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main geht davon aus, dass auf Grund der begrenzten Personalkapazitäten in der hessischen Datenschutz-Aufsichtsbehörde die Überprüfung der Angaben vermutlich einen sehr langen Zeitraum in Anspruch nehmen wird. Sie erwartet aber, dass ihr die Ergebnisse der Überprüfung durch den Hessischen Datenschutzbeauftragten in jedem einzelnen angezeigten Fall mitgeteilt werden.

Ihre Aktion versteht die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main als Beitrag zum Internationalen Aktionstag gegen Videoüberwachung am 08.06.2014. Bürgerrechtsgruppen aus mehreren Staaten Europas haben – ausgehend von Großbritannien – den 8. Juni vor mehreren Jahren zum Aktionstag gegen Überwachung erklärt. Jährlich wird am und um den 8. Juni auf die Bedrohungen durch zunehmende – sowohl staatlich als auch privat betriebene – Überwachung hingewiesen.

Am 8. Juni 1949 wurde der von George Orwell verfasste Roman 1984 erstmals publiziert. Orwell hatte die Gabe, sehr frühzeitig ein Phänomen herauszukristallisieren und in Form eines Romans zu beschreiben, das bis dahin weder die politische, die literarische oder die wissenschaftliche Diskussion bestimmte: Herrschaftssicherung durch Informationstechnik. Seine Botschaft ist ein flammendes Bekenntnis zur individuellen Freiheit, nicht nur die Freiheit von materiellen Zwängen, sondern vor allem und auch die Freiheit unbeobachtet zu denken, zu fühlen und zu leben. Mit analytischer Schärfe beschrieb er in 1984 ein technisches Überwachungsinstrumentarium. Der von ihm „Televisor“ genannte Überwachungsapparat ist zu vergleichen mit der auch in Deutschland immer allgegenwärtigeren Videoüberwachung.

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