Auch das US-Generalkonsulat in Frankfurt überwacht rechtswidrig den öffentlichen Straßenraum rund um das Konsulatsgelände

CCTV-NeinDanke/ Juni 30, 2024/ alle Beiträge, Informationsfreiheit / Transparenz, US-Generalkonsulat Frankfurt, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0Kommentare

Die Videoüberwachung von Demonstrant*innen vor dem iranischen Generalkonsulat in der Raimundstraße 90 im Frankfurter Stadtteil Ginnheim durch Kameras, die vom Konsulat aus den öffentlichen Straßenraum überwachen, führte zu Beschwerden beim hessischen Datenschutzbeauftragten. Dieser ging in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2023 (dort ab S. 155) darauf ein und erklärte u. a.:

  • Mein Versuch, die Videoüberwachung durch das iranische Generalkonsulat in Frankfurt zu überprüfen, führte zu einer Klärung der Zulässigkeit der Videoüberwachung durch alle Fremden Missionen in Deutschland…
  • Die Prüfung der Situation vor Ort zumindest durch Außenansicht ergab… Es waren… zwei Kameras im Gebäudeinnern hinter der vollverglasten Gebäudefront erkennbar, die für eine Videoüberwachung des öffentlichen Bereichs genutzt werden konnten. Für eine festinstallierte Dome-Kamera konnte nicht festgestellt werden, wohin das Kameraauge ausgerichtet ist und ob Schwenk- und Zoom-Funktionen vorhanden sind, die eine Überwachung des Außenbereichs ermöglichten. Für eine mobile Standkamera war von ihrem Standplatz und ihrer Ausrichtung her davon auszugehen, dass sie nur den öffentlichen Raum im Fokus haben konnte. Insgesamt ergab die Prüfung der Lage vor Ort den Eindruck, dass Kameras des Genralkonsulats den Raum vor seinem Gebäude, die Straße, die Zufahrt zum gegenüberliegenden Parkplatz sowie den Parkplatz selbst erfassen und damit auch die Mahnwache…
  • Nachdem ich die Rechtslage und mein Vorgehen der Staatskanzlei und dem Auswärtigen Amt erläutert und auf die Dringlichkeit der Nachfrage hingewiesen hatte, versandte das Auswärtige Amt an alle diplomatischen und konsularischen Missionen, Internationalen Organisationen und anderen Vertretungen in Deutschland (Fremden Missionen) zur Videoüberwachung der jeweiligen Liegenschaften eine ‚Rundnote‘. In dieser Rundnote bat das Auswärtige Amt die Fremden Missionen bei eigenen Schutzmaßnahmen durch Videoüberwachung die rechtlichen Grenzen zu beachten…“

Für ein Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main war dies Anlass, gestützt auf das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) beim Außenministerium eine Kopie der „Rundnote“ anzufordern. Sie ging inzwischen ein und ist hier im Wortlaut nachlesbar. Daraus geht hervor, dass auch Botschaften und Konsulate bei Videoüberwachung die rechtlichen Grenzen zu beachten haben, die die DSGVO setzt:

  • Gemäß Art. 3 DSGVO gelten deren Vorgaben räumlich auch dann, wenn eine Fremde Mission in Deutschland Personen im Umfeld der Liegenschaft beobachtet.
  • Art. 6 DSGVO setzt einer Videoüberwachung sehr enge Grenzen. Im Rahmen der Überwachung eines Anwesens dürfen in der Regel keine öffentlich zugänglichen Straßenzüge oder Gehwege überwacht werden. Um die Einschränkung der Grundrechte von Passanten und Anwohnern möglichst gering zu halten, darf die Fremde Mission nur den Bereich unmittelbar um das Gebäude überwachen. Sie muss Bereiche durch Verpixelung unkenntlich machen, die entbehrlich sind, sowie insbesondere Eingänge und Fenster von anderen Anwesen. Die Videoüberwachung ist außerdem adäquat, in der Regel durch Hinweisschilder, kenntlich zu machen.

Dem ersten Anschein nach – siehe die unten veröffentlichten aktuellen Fotos (entstanden am 29.06.2024) –

missachtet nicht nur das iranische Generalkonsulat diese Vorgaben, sondern auch das Generalkonsulat der USA.

Letzteres befindet sich auf einem großen Areal im Frankfurter Nordend an der Grenze zu Eckenheim und Preungesheim. Seine Postadresse ist Gießener Straße 30, 60435 Frankfurt. In der Vergangenheit wurde es auch als logistisches Zentrum von geheimdienstlichen und militärischen Aktivitäten der USA beschrieben.

  • So stellte die Süddeutsche Zeitung das US-Generalkonsulat im November 2013 wie folgt vor: Das Generalkonsulat spielt eine besondere Rolle im weltweiten NSA-Überwachungsskandal und eine tragende, was Deutschland angeht. Hier, mitten in Frankfurt, soll eine Einheit des ‚Special Collection Service‘ sitzen, jener gemeinsamen Einheit von NSA und CIA, die unter anderem in Berlin das Handy von Kanzlerin Angela Merkel ausspioniert haben soll…“
  • Und WikiLeaks enthüllte Anfang März 2019 das US-Generalkonsulat als CIA-Hackersitz, wie die Nachrichtenagentur Reuters berichtete: “Die… verfügbaren Dokumente stellten den ersten Teil einer Serie von Enthüllungen dar, die ‘die gesamten Hacker-Fähigkeiten’ des US-Geheimdienstes umfassten… WikiLeaks zufolge wird auch enthüllt, dass die CIA das US-Generalkonsulat in Frankfurt als Hackerbasis für Europa, den Nahen Osten und Afrika nutzt… Den Unterlagen zufolge hat der US-Geheimdienst Computer mit allen gängigen Betriebssystemen wie Microsoft Windows, macOS von Apple sowie Linux im Visier, aber auch iPhones und Smartphones mit dem Google-Betriebssystem Android. US-Geheimdienstler sollen zusammen mit ausländischen Kollegen die Verschlüsselung von weit verbreiteten Messaging-Diensten wie WhatsApp, Telegram und Signal ausgehebelt haben. Ein mit Großbritannien betriebenes Programm mit dem Namen ‘Weeping Angel’ (dt. ‘weinender Engel’) dient demnach dazu, ans Internet angeschlossene Samsung-Fernseher in Abhörgeräte umzufunktionieren…”

Knapp 30 Dome-Kameras, die – in der Regel in Dreiergruppen – auf Masten unmittelbar hinter dem das Gelände begrenzenden Stahlzaun angebracht sind, können nicht nur der Verkehr auf den benachbarten Hauptdurchgangsstraßen (Gießener Straße und Homburger Landstraße) beobachten, sondern auch mehrgeschossige Wohngebäude und Passant*innen an den nördlich (Wetzlarer Straße und Runkeler Straße) sowie südlich (Anneliese-Hoevel-Straße und Anna-Bayer-Straße) befindlichen dicht bebauten Wohnstraßen.

Drei Dome-Kameras am Eingang für Besucher*innen an der Gießener Straße

Kameramast an der Ecke Gießener Straße / Anneliese-Hoevel-Straße

Kameramast in der Wetzlarer Straße

Kameramast an der Ecke Homburger Landstraße / Wetzlarer Straße

Kameramasten an der Homburger Landstraße

Kameramast an der Ecke Anneliese-Hoevel-Straße / Anna-Bayer-Straße

Das Areal des US-Generalkonsulats und die benachbarten Straßenzüge – Daten von OpenStreetMap – Veröffentlicht unter der Lizenz Odbl 1.0 (Eine inoffizielle Übersetzung der ODbl 1.0 befindet sich hier, weitere Informationen zum Quellenhinweis gibt es hier).


Es gibt noch weitere „Problemzonen“ rund um Konsulate in Frankfurt

Laut einer Veröffentlichung der Hessischen Landesregierung betreiben folgende Staaten konsularische Vertretungen in Frankfurt: Ägypten, Albanien, Algerien, Argentinien, Australien, Bahamas, Bangladesh, Bosnien und Herzegowina, Brasilien, Bulgarien, Chile, China, Costa Rica, Dänemark, Dominikanische Republik, Eritrea, Estland, Finnland, Frankreich, Georgien, Griechenland, Großbritannien, Guinea, Indien, Indonesien, Irak, Iran, Irland, Island, Italien, Japan, Jemen, Kasachstan, Kirgisistan, Kolumbien, Korea, Kosovo, Kroatien, Kuwait, Lesotho, Lettland, Libanon, Liechtenstein, Malaysia, Malediven, Mali, Malta, Marokko, Mexiko, Moldau, Monaco, Mongolei, Montenegro, Nicaragua, Nigeria, Norwegen, Österreich, Pakistan, Paraguay, Philippinen, Ruanda, Schweden, Schweiz, Serbien, Seychellen, Singapur, Spanien, Tansania, Thailand, Tschechien, Türkei, Turkmenistan, Ukraine, Ungarn, Uruguay, USA, Usbekistan, Venezuela, Vietnam und Zypern.

Nicht wenige dieser Staaten werden von autokratischen Regierungen geführt oder sind von tiefen inneren Auseinandersetzungen geprägt. Die diplomatischen und konsularischen Vertretungen dieser Staaten sind daher auch häufig Ziel von Kundgebungen und Demonstrationen deutscher uns ausländischer Teilnehmer*innen. Zur Sicherung von deren Grundrechten auf Versammlungsfreiheit und auf informationelle Selbstbestimmung würde sich ein genauer Blick des Hessischen Datenschutzbeauftragten auf die in vielen Fällen vorhandenen Videoüberwachungsanlagen an den Konsulaten dringend empfehlen.

Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hatte 2014 dem damaligen Hessischen Datenschutzbeauftragten Prof. M. Ronellenfitsch eine Beschwerde über Videokameras vorgelegt, die den öffentlichen Raum in Frankfurt überwachen. In einer der Beschwerde beigefügten Auflistung sind u. a. die Konsulate von Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Indien, Irak, Russland und USA aufgeführt. Mit Ausnahme des Russischen Generalkonsulats, dass im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geschlossen wurde, werden von den genannten Konsulaten die Videokameras weiter betrieben. Ein weites Feld für Prüfmaßnahmen durch den hessischen Datenschutzbeauftragten…

Hinterlasse einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*
*