Volksbegehren „Verkehrswende in Hessen“ mit unterstützenswerten Forderungen – aber warum auch die Forderung nach Ausbau der Kameraüberwachung (Section Control) durch die Polizei?
Ein Bündnis aus Verkehrs- und Umweltverbänden hat den Entwurf eines Verkehrswendegesetzes für Hessen erarbeitet und am 01.09.2021 den ersten Schritt zur Durchführung eines Volksbegehrens eingeleitet. Für die Zulassung des Volksbegehrens müssen rund 45.000 Unterschriften wahlberechtigter Bürger*innen mit Wohnsitz in Hessen gesammelt werden. Mit dem Gesetzentwurf wollen die Verkehrs- und Umweltverbände erreichen, dass die Verkehrsarten des Umweltverbundes
- zu Fuß gehen,
- Radfahren sowie
- Bus und Bahn
so attraktiv werden, dass dadurch mindestens 65 % des Personenverkehrs in Hessen bewältigt werden, wie aus einer Pressemitteilung des Bündnisses hervorgeht.
Viele der im Gesetzentwurf geforderten Maßnahmen erscheinen geeignet, diese Ziele zu erreichen.
Warum aber wurde in den Gesetzentwurf die Forderung aufgenommen, die Kameraüberwachung durch die Polizei auszuweiten?
In Artikel 4 des Gesetzentwurfs (Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung) wird gefordert, dass § 14 HSOG ein neuer Absatz 7 hinzu gefügt werden soll mit der Regelung, dass die „Gefahrenabwehrbehörden und die Polizei…im öffentlichen Verkehrsraum zur Verhütung der Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von Kraftfahrzeugen… Bildaufzeichnungen offen anfertigen und damit auf einer festgelegten Wegstrecke die Durchschnittsgeschwindigkeit eines Kraftfahrzeugs ermitteln“ dürfen.
In einem Schreiben an die Organisationen, die den Gesetzentwurf ausgearbeitet und das Volksbegehren eingeleitet haben, fragt die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main:
„1. Warum wurde diese Forderung in den Gesetzentwurf aufgenommen?
Aus unserer Sicht ist das Recht, sich grundsätzlich anonym im öffentlichen Raum fortbewegen und reisen zu können, ein wichtiges Grund- und Freiheitsrecht, das nur dann eingeschränkt werden darf, wenn durch seine Nutzung ‚die Rechte anderer verletzt‘ oder ‚gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz‘ verstoßen wird (Art. 2 Abs. 1 Grundgesetz).
Wer Grund- und Freiheitsrechte einschränken möchte – aus unserer Sicht ist das Kern der oben zitierten und von Ihrem Bündnis angestrebten Regelung – ist verpflichtet, Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit einer beabsichtigten Maßnahme darzulegen. Dies ist aber weder in Ihrem Gesetzentwurf selbst noch in anderen Veröffentlichungen geschehen. Wir möchten Sie daher bitten, uns die Frage zu beantworten, warum diese Forderung in den Gesetzentwurf aufgenommen wurde.
Durch die Erfassung der Daten aller motorisierten Verkehrsteilnehmer*innen werden Informationen über ihre Aktivitäten erfasst, die rechtsmissbräuchlich verwendet werden könnten. Ein Beispiel dafür ist die Datenerfassung zum Zwecke der Erhebung der LKW-Maut. Immer wieder wurde von Sicherheitsbehörden, aber auch aus der Politik die Forderung erhoben, dass die hier vorhandenen Daten auch für andere als den im Gesetz genannten Zweck genutzt werden dürfen. Mit dem am 20.05.2021 beschlossenen „Gesetz zur Änderung mautrechtlicher Vorschriften hinsichtlich der Einführung des europäischen elektronischen Mautdienstes“ wurde geregelt, dass das Bundesamt für Güterverkehr Kennzeichen und Positionsdaten verarbeiten darf, um die Grenzübertritte der Lkw zu ermitteln. Dafür wird die bisherige Zweckbindung in Paragraf 4, Absatz 3 des Bundesfernstraßenmautgesetzes aufgehoben.
2. Welchen Nutzen versprechen Sie sich von dieser Forderung für Nutzer*innen des ÖPNV, für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen?
Die Abschnittskontrolle (auch Section Control oder Strecken-Radar genannt), wurde in Deutschland nach unserer Kenntnis erstmals 2014 in Niedersachsen auf einem Streckenabschnitt der Bundesstraße 6 (B 6) in der Nähe von Hannover versuchsweise eingeführt. Nach mehreren gerichtlichen Auseinandersetzungen wurden in Niedersachsen als bisher einzigem Bundesland die Abschnittskontrolle gesetzlich geregelt. Sie ist derzeit noch immer ausschließlich auf der Versuchsstrecke in Betrieb. Im benachbarten Ausland (Italien, Niederlande, Österreich, Polen, Schweiz) wird Section Control auf einzelnen Streckenabschnitten von Autobahnen und Auto-Schnellstraßen eingesetzt.
Da Ziel Ihres Gesetzentwurfs Verbesserungen für Nutzer*innen des ÖPNV, für Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen sind, die sich regelmäßig eher selten auf Autobahnen und Fernstraßen bewegen, stellt sich uns die Frage nach der Sinnhaftigkeit Ihrer Forderungen für diesen Personenkreis. Daher auch an dieser Stelle unsere Frage an das Bündnis: Welchen Nutzen versprechen Sie sich mit der Forderung nach Aufnahme einer entsprechenden Regelung in das HSOG?“
Abschließend stellt die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main fest: „Aus unserer Sicht ist es ein Novum, dass Forderungen nach Ausbau staatlicher Überwachungsmaßnahmen von zivilgesellschaftlichen Organisationen erhoben werden, die nicht im Geruch stehen, ‚law and order‘ zur Maxime ihres Handelns bei der Lösung gesellschaftspolitischer, verkehrspolitischer und anderer Probleme zu machen. Wir bedauern dies…“
Viele politisch aktive NGOs und politische Gruppierungen die sich für ‚Klimawandel‘-Ziele und ähnliche Ziele der Agenda 2030 einsetzen, werden über Charity- und Schirmorganisationen wie der ‚Open Society Foundation‘ finanziert. (das muss hier nicht so sein, ist aber möglich)
Diese Organisationen sind größtenteils fremdbestimmt und setzen Ding um, die früher oder später sowieso auf dem Plan gestanden hätten. Es werden in Hessen bereits weiträumig Autobahnen oder auch Straßen (wie etwa in Mühlheim) per Videoüberwachung und Nummernschildscannern gefilmt.
Das Ziel ist hierbei klar: Die vollkommene Überwachung jeder Bewegung mittels zentral vernetzten, künstlichen Intelligenzen, so wie es bereits in Großbritannien, China und weiten Teilen der USA besteht. Hier ein interessanter Bericht dazu, der zeigt was bereits möglich ist:
https://www.youtube.com/watch?v=H_fyQCeBaeM
Das Ziel ist nicht bloße Videoüberwachung, sondern die Infrastruktur schleichend auszubauen.
Wird hier eigentlich jeder Schwurbelkommentar genehmigt oder nur der von Dirk?
Antwort des Verkehrswende Bündnisses vom 10.11.2021 (per Mail an ddrm gesendet)
Sehr geehrte Damen und Herren,
vielen Dank für Ihre Anfrage zum Verkehrswendegesetz Hessen und zur Section-Control.
Wir teilen Ihre Auffassung, dass anonymes Fortbewegen und Reisen im öffentlichen Raum ein Grundrecht ist, welches geschützt werden muss. Wie so viele Grundrechte muss dieses aber gegen andere Grundrechte, wie bspw. das Recht auf körperliche Unversehrtheit abgewogen werden. Überhöhte Geschwindigkeit ist weiterhin die Hauptursache für tödliche und schwere Verletzungen im Straßenverkehr. Ein Drittel der Verkehrstoten werden durch unangepasste Geschwindigkeit verursacht.
Bei der Geschwindigkeitsüberwachung handelt es sich daher nicht um Abzocke und sie ist auch nicht gedacht um „Geld in die Kassen zu spülen“, wie in Ihrem Text [1] zur Section-Control ausgeführt. Vielmehr ist es eine leider notwendige Maßnahme um die Unfallzahlen und die Unfallschwere zu reduzieren. Diese Vision Zero, also das Ziel keine schwer verletzen Menschen und keine Unfalltoten im Straßenverkehr beklagen müssen ist elementares Ziel des Verkehrswendegesetzes. Aus diesem Grund wurde der Verkehrssicherheit im Gesetz ein eigener Abschnitt gewidmet (Artikel 1 Abschnitt 2) der durch die Section-Control ergänzt wird.
Es gibt bei der Geschwindigkeitsüberwachung immer wieder Abschnitte bei denen eine punktuelle Überwachung nicht ausreicht oder, bspw. bei Kurvenstrecken, nicht ohne weiteres möglich ist. Hier stellt die Section-Control mit den von uns im Gesetz benannten Einschränkungen, die mildest mögliche Maßnahme dar.
Die Wirksamkeit von Section-Control ist nachgewiesen und hat bereits auf verschiedenen Strecken die Zahl der Unfälle deutlich reduziert [2,3].
Die Section-Control bzw. die Gestaltung des Gesetzestextes zu dieser war auch bei uns nicht ganz unumstritten. Daher wurden explizite datenschutzrechtliche Punkte, die bisher an der Section-Control kritisiert wurden, aufgenommen. Darunter ein Aufzeichnungsverbot von Gesichtsdaten, ein Verwertungsverbot für andere Zwecke, eine Löschverpflichtung bei Einhaltung der Geschwindigkeit wie auch eine klar kommunizierte offene Kontrolle. Da Halter*innen und Fahrzeugführer*innen bei KFZ mitnichten identisch sind, ist, solange keine Geschwindigkeitsüberschreitung vorliegt, durch das Verbot der Gesichtserfassung keine direkte personenbezogene Überwachung möglich.
Ich hoffe wir konnten mit diesen Erläuterungen Ihre Fragen beantworten.
Gerne dürfen Sie unsere Antwort in ungekürzter und unveränderter Form veröffentlichen. Dies hätten wir uns im Übrigen auch in Ihrem vor Ihrer Anfrage veröffentlichten Beitrag [4] zu unserem Gesetzestext gewünscht, da hier wesentliche datenschutzrelevante Passagen unterschlagen wurden.
Mit freundlichen Grüßen
Stephan Voeth
[1] https://ddrm.de/section-control-ein-weiterer-schritt-in-die-totalueberwachung/
[2] https://www.adac.de/verkehr/recht/bussgeld-punkte/section-control/
[3] https://www.vbg.de/DE/3_Praevention_und_Arbeitshilfen/2_Themen/10_Verkehrs_Transportsicherheit/10_Aktuelles/3_Section%20Control/1_Section_Control_node.html
[4] https://ddrm.de/volksbegehren-verkehrswende-in-hessen-unterstuetzenswerte-forderungen-aber-auch-eine-mehr-als-nur-fragwuerdige/