Videoüberwachung im Frankfurter Bahnhofsviertel: Experimentierfeld für Sicherheit oder für Kontrolle – eine Übersicht

CCTV-NeinDanke/ Oktober 18, 2025/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0Kommentare

Das Bahnhofsviertel in Frankfurt wurde von der hessischen Landesregierung zum Experimentierfeld für neue Formen der Überwachung gemacht. Mit modernsten Videoüberwachungskameras soll – so Hessens Innenminister Roman Poseck (CDU) – „die KI-gestützte Videoanalyse im Frankfurter Bahnhofsviertel bei der gezielten Suche nach Vermissten und Opfern von Entführungen, Menschenhandel oder sexueller Ausbeutung sowie bei der Suche nach Gefahrenverursacher einer terroristischen Straftat eingesetzt“ werden. Und weiter: „Die hessische Polizei leistet damit Pionierarbeit… Damit ist Hessen bundesweit Vorreiter“. Seit Juni kann die Polizei mit Hilfe Künstlicher Intelligenz (KI) die Aufnahmen der an vier von insgesamt neun Stellen im Bahnhofsviertel befindlichen polizeilichen Überwachungskameras in Echtzeit auswerten. Ins Visier geraten dabei aber nicht nur Vermisste oder Gefährder, sondern alle Menschen, die sich im Bahnhofsviertel aufhalten.

Grundlage dafür sind umfangreiche Erweiterung polizeilicher Überwachungsbefugnisse, die Ende 2024 von der CDU-SPD-Koalition im hessischen Landtag in § 14 Abs. 8 – 11 HSOG beschlossen wurden, um die polizeiliche Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch Einsatz von Künstlicher Intelligenz mit Mustererkennung und biometrischers Überwachung maßlos zu erweitern. Seit 10.06.2025 werden als bundesweit (noch) einmaliges Pilotprojekt im Frankfurter Bahnhofsviertel die rechtlichen und technischen Möglichkeiten zur Überwachung von Menschen genutzt. Mit Unterstützung der Stadt Frankfurt, die die stationären Kamerastandorte zur Verfügung stellt und die dort installierte Überwachungstechnik finanziert, betreibt die hessische Polizei an insgesamt neun Standorten im Bahnhofsviertel Überwachungskameras. Fünf stationäre, dauerhaft in Betrieb befindliche Anlagen und vier mobile, die zeitweise genutzt werden.

Standorte der Polizeikameras im Bahnhofsviertel

  • in Blau: „mobile“ Überwachungskameras
  • in Grün: stationäre Überwachungskameras (errichtet und finanziert durch die Stadt Frankfurt)

Quelle: Datenschutzerklärung des Polizeipräsidiums Frankfurt zur Videoüberwachun.

Derzeit bereits geeignet für den Pilotversuch zur biometrischen Echtzeit-Fernidentifizierung sind laut Auskünften des Polizeipräsidiums Frankfurt die Kameras an

  

der Kreuzung Elbestraße/Taunusstraße,

der Kreuzung Kaiserstraße/Moselstraße,

der Kaiserstraße 74 („Kaisersack“) und

 

der Taunusstraße 45-47.

Die Stadt Frankfurt betreibt mit der Integrierten Gesamtverkehrsleitzentrale (IGLZ) aktuell insgesamt

98 Verkehrsüberwachungskameras.

Diese sind für 360-Grad-Rundumüberwachung geeignet und rund um die Uhr an allen sieben Wochentagen im Einsatz. Die Standorte im Bahnhofsviertel sind

Am Hauptbahnhof / Ecke Karlstraße,

auf dem Hauptbahnhofsvorplatz,

in der Mannheimer Straße,

am Platz der Republik,

am Theatertunnel und

am Willy-Brandt-Platz / Ecke Gallusanlage

Darüber hinaus werden

eine Vielzahl privater Videoüberwachungskameras

von Banken, Büro- und Geschäftshäusern, Einkaufsläden, Gaststätten, Hotels und anderen Einrichtungen betrieben, die den öffentlichen Straßenrum überwachen. Eine Auswahl:

Gibson Beach Club, Mainzer Landstraße 23,

   

Hotel Fürstenhof, Gallusanlage / Ecke Münchener Straße (Baustellenkameras),

Hilton-Hotel, Weserstraße 43

   

Hotel Premier Inn, Elbestraße 7,

 

Oddo-Bank, Gallusanlage 8,

Kindertagesstätte, Gutleutstraße 32,

 

o‘Reilly‘s Pub, Am Hauptbahnhof 4 / Ecke Münchener Straße,

Restaurant Tokygon, Taunusstraße 6,

Skyper-Hochhaus, Taunusstraße / Ecke Taunusanlage.

Rechtsgrundlage für den Betrieb privater Videoüberwachungskameras ist § 4 BDSG. Videoüberwachung öffentlich zugänglicher Räume durch private Kamerabetreiber*innen ist in vielen Fällen rechtswidrig. Grundsätzlich gilt:

  • Öffentlich zugängliche Räume sind alle Orte, die legal und ohne vorherige Genehmigung durch Grundstückseigentümer*innen betreten werden können. Dazu zählen Straßen und Plätze, aber auch Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants sowie Häuser mit Mietwohnungen.
  • Das Hausrecht endet für private Grundstückseigentümer an der Grundstücksgrenze. Nur Banken, Sparkassen und Juweliergeschäfte wird von den Datenschutzaufsichtbehörden eingeräumt, ggf. einen maximal einen Meter des an das Grundstück angrenzenden Straßenraums zu überwachen.
  • Bei Einkaufsmöglichkeiten, Restaurants und anderen privaten Einrichtungemuss überprüft werden , ob die Wahrnehmung berechtigter Interessen oder schutzwürdige Interessen der von der Überwachung betroffenen Personen überwiegen. Diese Interessenabwägung muss nachvollziehbar dokumentiert werden.

Gegen die Überwachung durch private Kamerabetreiber*innen gibt es

Möglichkeiten der Gegenwehr

Wie dicht das Netz der Überwachung ist, wurde sinnlich erfahrbar bei einem Spaziergang durch das (videoüberwachte) Bahnhofsviertel am 18.10.2025. Beginnend am Hausprojekt NiKa (Niddastraße / Ecke Karlstraße), dessen Bewohner*innen im Juli Klage gegen das Land Hessen aufgrund der Kameraüberwachung am Karlsplatz eingereicht haben. Endend in der Beratungsstelle des Vereins Doña Carmen e.V. in der Elbestraße 41. Der Verein hat im Juni 2025 eine Beschwerde gegen die Installation von Videoüberwachungsanlagen mit biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierung beim Hessischen Datenschutzbeauftragten eingelegt.

Eingeladen dazu hatte die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main. Im Rahmen des Spaziergangs wurde informiert über die Standorte der Videoüberwachungskameras (nicht nur der Polizei, sondern auch privater Kamerabetreiber) im Frankfurter Bahnhofsviertel, die rechtlichen und technischen Grundlagen dieser Kameras, die Gefahren, die davon ausgehen für die informationelle Selbstbestimmung und für die Anonymität der Bewegungen im öffentlichen Raum, aber auch über die Möglichkeiten der Gegenwehr.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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