Verwaltungsgericht Mainz: Datenschutz-Aufsichtsbehörde darf keinen Abbau von rechtswidrigen Videoüberwachungskameras, sondern nur ihre Deaktivierung anordnen

CCTV-NeinDanke/ November 3, 2020/ alle Beiträge, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 1Kommentare

Worüber war zu entscheiden?

  • Ein Grundstückseigentümer eines Einkaufszentrum mit dazu gehörigem Parkplatz hatte auf dem Grundstück eine großflächige, zweiseitige Werbetafel mit einen Anschaffungswert von ca. 200.000 € installieren lassen. Auf beiden Seiten waren je zwei Videoüberwachungskameras installiert, die tw. auch den Parkplatz, das Einkaufszentrum und öffentlichen Straßenraum im Blickfeld hatten. Alle vier Kameras waren rund um die Uhr in Betrieb und erfassten ihr jeweiliges Blickfeld in kennzeichen- und personengenauer Auflösung. Die Aufnahmen wurden für 48 Stunden gespeichert.
  • Nachdem dieser Sachverhalt dem Landesdatenschutzbeauftragten in Rheinland-Pfalz bekannt wurde ordnete dieser u. a. an, dass eine Kamera abgebaut und die anderen neu ausgerichtet und während der Öffnungszeit des Einkaufszentrums nicht in Betrieb genommen werden dürfen. Gegen diese Anordnungen richtete sich die Klage des Grundstückseigentümers.

Wie entschied das Verwaltungsgericht Mainz?

Im Kern stellte das Gericht in seinem Urteil vom 24.09.2020 (Aktenzeichen: 1 K 584/19 MZ) fest, dass die zuständige Datenschutz-Aufsichtsbehörde nicht befugt ist, den Abbau von Kameras anzuordnen, selbst wenn die vom Kamerabetreiber vorgenommene Videoüberwachung rechtswidrig erfolgte. Sie sei nur berechtigt, die weitere Datenverarbeitung zu untersagen. Das Verwaltungsgericht erklärte dazu: Art. 58 Abs. 2 Buchst. f DSGVO erlaubt der Aufsichtsbehörde, eine Datenverarbeitung vorübergehend oder endgültig zu beschränken oder sogar zu verbieten. Von dieser Rechtsgrundlage ist jedoch die Anordnung der Demontage der Verarbeitungsanlage nicht mitumfasst. Das Verbot der Datenverarbeitung bezieht sich auf eine bestimmte Handlung, nicht aber das Vorhandensein einer – ausgeschalteten – Datenverarbeitungsanlage… Zwar ist es… nachvollziehbar, dass der [Landesdatenschutzbeauftragte] ohne einen Abbau… nur in beschränktem Maße überprüfen kann, ob die Kamera tatsächlich ausgeschaltet ist, und dadurch Schwierigkeiten für eine effektive Rechtsdurchsetzung entstehen können…“ . Insofern ist es jedoch Aufgabe des Gesetzgebers, die Aufsichtsbehörde gemäß Art. 58 Abs. 6 Satz 1 DSGVO durch Rechtsvorschriften mit zusätzlichen Befugnissen auszustatten…“.

Was bedeutet diese Entscheidung für den Betrieb von Kameraattrappen?

…werden von einer ausgeschalteten Kamera keine personenbezogenen Daten verarbeitet, sodass der Anwendungsbereich der Datenschutzgrundverordnung nicht eröffnet ist und auch keine Verstöße gegen Datenschutzrecht beanstandet werden können. Sofern eine vorhandene, aber ausgeschaltete Kamera auf Dritte einen Überwachungsdruck bewirkt, sind sie zur Wahrung ihrer Persönlichkeitsrechte auf den Zivilrechtsweg zu verweisen (…).“

Auch dies ein Mangel, der vom Gesetzgeber im Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) korrigiert werden müsste, um subjektiv vorhandenen Überwachungsdruck wirksam reduzieren zu können.

Werden bei Videoüberwachung besonders geschützte personenbezogenen Daten (Art. 9 DSGVO) verarbeitet?

Nein – sagt das Verwaltungsgericht Mainz, obwohl die Kameras ihr jeweiliges Blickfeld in kennzeichen- und personengenauer Auflösung erfassen. Notwendig für die Anwendung von Art. 9 DSGVO (Verarbeitung besonderer Kategorien personenbezogener Daten) sei ein entsprechender Auswertungswille der datenverarbeitenden Stelle. Dieser sei im zu entscheidenden Rechtsstreit nicht vorhanden: „Zwar ist es bei einer personengenauen Auflösung der Kameraaufnahmen grundsätzlich möglich, dass besondere Kategorien personenbezogener Daten erfasst werden. Schließlich lassen sich durch das äußere Erscheinungsbild der gefilmten Personen möglicherweise ihre rassische und ethnische Herkunft (Hautfarbe, Haare), ihre politische Meinung (z.B. „Palästinensertuch“), ihre religiöse oder weltanschauliche Überzeugung (z.B. religiöse Kleidungsstücke wie Kopftuch oder Kippa), Gesundheitsdaten (z.B. Brille, Rollstuhl) oder die sexuelle Orientierung (z.B. homosexuelles Paar) erkennen.“ Dem Kamerabetreiber gehe es aber nicht darum, genau diese personenbezogenen Daten besonderer Kategorien zu erfassen. Der Kläger beabsichtigt mit der Videoüberwachung Strafprävention und Strafverfolgung. Bei der Überwachung erhält er einen Mischdatensatz aus besonders sensiblen und nicht-sensiblen Daten, wobei er keine Auswertungsabsicht in Bezug auf die sensiblen Daten hat. Ohne das Vorliegen einer solchen Auswertungsabsicht bestehen für die betroffenen Personen keine besonderen Risiken, sodass der Anwendungsbereich des Art. 9 Abs. 1 DSGVO nicht eröffnet ist…“

Eine Rechtsauffassung, die hoffentlich von anderen Gerichten einer Überprüfung unterzogen wird…

1 Kommentar

  1. Das ist schwachsinnig und negiert die Grundprinzipien des Datenschutzes. Nach diesem Entscheid wäre es jedem möglich, öffentliches Leben beliebig nach Lust und Laune zu filmen, solange er zusichert, keine ‚Auswertungsabsicht‘ zu haben. Es ist sehr traurig, dass so etwas überhaupt vor Gericht bestehen kann.

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