Software aus USA für die hessische Polizei: Palantir – nicht nur ein vergaberechtlicher Skandal
Das Präsidium für Logistik und Verwaltung der Polizei in Hessen hat am 02.02.2018 eine Ausschreibung veröffentlicht über den beabsichtigten Ankauf einer “Analyseplattform zur effektiven Bekämpfung des islamistischen Terrorismus und der schweren und Organisierte Kriminalität” für die Polizei in Hessen. Im Text der Ausschreibung wird bekanntgegeben, dass sie eigentlich nicht stattfindet, sondern dass bereits ein Unternehmen gefunden ist, das die Kriterien der Ausschreibung erfüllt: “Eine Auftragsvergabe an die Fa. Palantir Technologies GmbH im Rahmen eines Verhandlungsverfahrens ohne Teilnahmewettbewerb erfolgte wegen technischer Besonderheiten…”
Unter der Überschrift “Datenkrake Polizei? Palantir als die Spitze des Eisberges“ informiert Telepolis am 22.06.2018 über die Firma Palantir, ihre Produkte und ihre Zusammenarbeit mit US-Geheimdiensten.
Da das Palantir-Vergabeverfahren wesentlichen Grundsätzen öffentlicher Vergabeverfahren widerspricht, haben die Oppositionsparteien im hessischen Landtag einen parlamentarischen Untersuchungsausschusses erzwungen, der am 03.07.2018 seine Tätigkeit aufgenommen hat. Aufgrund des Antrags der Fraktionen von SPD und FDP (Landtags-Drucksache 19/6574) hat der Untersuchungsausschuss den Auftrag, umfassend aufzuklären, in welchem Umfang in der Zeit seit 2014 im Zuständigkeitsbereich des Hessischen Ministeriums des Innern und für Sport speziell im Bereich der Hessischen Polizei Auftragsvergaben unter Verstoß gegen die Vorschriften des Vergaberechtes erfolgten, und zwar bei der Beschaffung der Analysesoftware Gotham der Firma Palantir Technologies. Der Ausschuss soll auch prüfen, ob durch die Beauftragung der Firma Palantir hessische Sicherheits- oder Geheimhaltungsinteressen berührt wurden und ob die für den Einsatz der Analysesoftware notwendigen rechtlichen Grundlagen bestanden. Außerdem soll er aufklären, welche Mitglieder der Landesregierung an diesen Vergabeverfahren wie beteiligt waren und ob die Landesregierung das Parlament und die Öffentlicheit wahrheitsgemäß und vollständig über diese Vorgänge informiert hat.
Am 17.09.2018 fand eine Sitzung des Palantir-Untersuchungsausschusses statt, bei der erstmals auch Zeugen gehört wurden. Die Frankfurter Rundschau berichtet über Verlauf und Ergebnisse Sitzung am 18.09.2018: „Ist es gut, wenn die hessische Polizei mit einem Unternehmen zusammenarbeitet, das Kontakte zum US-Geheimdienst CIA unterhält? Hat Innenminister Peter Beuth (CDU) richtig gehandelt, als er den Auftrag für eine Analyse-Software zur Terrorismus- und Kriminalitätsbekämpfung ausgerechnet an diese Firma mit Namen Palantir vergab? Hätte es keine besseren Alternativen dazu gegeben? Das sind Fragen, mit denen sich der Untersuchungsausschuss des hessischen Landtags zur Vergabepraxis des Innenministeriums… befasst hat…“ In der Frankfurter Rundschau vom 18.09.2018 kommt zugleich in einem Interview die kanadische Soziologin Sarah Brayne zu Wort und stellt fest: „Die Software ermöglicht es, eine große Anzahl von Menschen systematisch und gleichzeitig zu überwachen.“ Und weiter: „Palantir bietet eine Plattform, die bisher uneinheitliche Datensätze zusammenführt und strukturiert. Diese Daten können alles Mögliche sein – von Fotos über Audiodateien bis hin zu Polizeiberichten oder Akten zu einzelnen Personen. Die Ermittler können dann Verbindungen zwischen ihnen herstellen und weitere Informationen hinzuzufügen. Palantir stellt im Wesentlichen zwei Werkzeuge zur Verfügung, eine Infrastruktur für die Integration von Daten und eine für deren Analyse und Visualisierung.“ Und auf die Frage „Gehört der Einsatz dieser Technik damit zu dem, was oft als ‚Militarisierung der Polizei‘ kritisiert wird?“ antwortet Sarah Brayne: „Es gibt eine Menge Forschung über die Verbreitung von militärischer Hardware in der Polizei. Interessanter ist für mich das Vordringen von Militärsoftware in die Polizeiarbeit. Einige sehen hier eine Übernahme von Techniken der Aufstandsbekämpfung, ich sehe es als Teil einer Verlagerung von der Strafverfolgung zur Informationsgewinnung nach Art der Geheimdienste, die wir zunehmend in der Polizeiarbeit beobachten.“ Abschließend stellt sie fest: „… es gibt eine Gier nach Daten. Das ist auch Teil der Big-Data-Ideologie: ‚Lasst uns so viel wie möglich sammeln und sehen, welche Muster entstehen. Wir wissen nicht, ob es in Zukunft nützlich oder legal sein wird, also lass es uns jetzt tun.’…“
Die FDP-Landtagsfraktion weist in ihrer Bewertung der ersten Zeugenbefragungen auf einen Besorgnis erregenden Fakt hin: „Die Aussagen des technischen Direktors der Hessischen Zentrale für Datenverarbeitung (HZD), Herrn Kaspar, es sei nicht zu 100 Prozent auszuschließen, dass es Zugriffe der Firma Palantir auf Daten der Hessischen Polizei geben könnte, haben die Befürchtungen der Freien Demokraten bestätigt. Zugleich wurde durch die Zeugenaussagen deutlich, dass nicht alle Anstrengungen unternommen wurden, um solche unberechtigten Zugriffe weitestgehend auszuschließen.“