Rechtliche Grenzen der Videoüberwachung mit Hilfe von „Klingelkameras“
Dieser Frage widmet sich der Landesdatenschutzbeauftragte in Mecklenburg-Vorpommern in seinem aktuellen „19. Tätigkeitsbericht zum Datenschutz“,dort ab S. 53. Da die Videoüberwachung durch private Kamerabetreiber den Regelungen der DSGVO und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) unterliegt, sind die Ausführungen auch in anderen Bundesländern von Interesse.
„Der Einsatz sogenannter Klingelkameras wird in letzter Zeit immer beliebter. So suggerieren einige Hersteller, dass sich mit einer Klingelkamera via App von jedem Punkt der Welt aus und jederzeit optisch und akustisch feststellen lässt, wer vor der eigenen Tür steht. Dabei ist zu beachten, dass nicht alle zur Verfügung stehenden Funktionen einer Klingelkamera in Einklang mit dem Datenschutz stehen.
Beim Einsatz von Klingelkameras muss ebenso eine Abwägung der berechtigten Interessen gem. Art. 6 Abs. 1 lit. f DS-GVO erfolgen. Die Haus- oder Wohnungsbesitzer haben grundsätzlich ein berechtigtes Interesse daran, zu erfahren, wer vor ihrer Tür steht. Aber gleichwohl haben auch benachbarte Personen im Mehrfamilienhaus ein berechtigtes Interesse daran, nicht ständig vor ihrer Wohnungstür gefilmt zu werden.
Gerade in einem Mehrfamilienhaus besteht der betroffene Personenkreis aus Nachbar:innen und deren Besucher:innen, die in diesem Fall ständig der Kamera ausgesetzt sind und deren Interesse an einer Vermeidung dieser Überwachung höher zu werten ist. Anders könnte die Wertung ausfallen, wenn die Türklingelkamera auf dem eigenen Grundstück verwendet wird und Nachbar:innen oder andere Personen nicht betroffen sind.
Weiterhin ist bei der Interessenabwägung auch der Informationsgehalt der Daten zu berücksichtigen. Je mehr persönliche Informationen mit einer Klingelkamera erhoben werden, desto intensiver ist der Eingriff in die Rechte und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen. Überwachungsmaßnahmen, denen ein Betroffener nicht ausweichen kann und die dauerhaft erfolgen, intensivieren einen Eingriff.
Dieser Eingriff in die Rechte und schutzwürdigen Interessen der Betroffenen kann darüber hinaus nach Art und Weise der Verarbeitung unterschiedlich intensiv erfolgen. Bei einer Klingelkamera soll lediglich beim Auslösen des Klingelknopfs an der Tür ein Bild in Echtzeit angezeigt werden. Dagegen ist beim anlasslosen Ausspähen des Geschehens vor der Tür oder bei einer Speicherung der Daten im Internet regelmäßig das Interesse der Betroffenen höher zu werten.
Grundsätzlich bestehen gegen eine Klingelkamera somit keine datenschutzrechtlichen Bedenken, wenn:
- die Kamera nur anlassbezogen durch das Klingeln an der Tür aktiviert wird,
- sie nur den unmittelbaren Eingangsbereich (Nahbereich) vor der Tür erfasst,
- sie nach kurzer Zeit automatisch wieder deaktiviert wird,
- keine Übertragung des Livebildes über das Internet erfolgt,
- keine dauerhafte Aufnahme der Bilder erfolgt und
- an der Tür bzw. an der Türklingel durch ein deutlich sichtbares Hinweisschild auf die Kamera aufmerksam gemacht wird.
Viele Klingelkameras verfügen jedoch über weitaus mehr als die genannten Funktionen. Wird eine Klingelkamera mit Funktionen betrieben, die nach datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten nicht vertretbar sind, kann dies einen Verstoß gegen die DS-GVO darstellen, welcher mit einem Bußgeld geahndet werden kann.“
Adressat von Beschwerden über Verstöße gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen durch private Kamerabetreiber*innen sind in allen Bundesländern die jeweiligen Datenschutz-Aufsichtsbehörden. Ihre Kontaktdaten finden Sie hier.
Was an Videoüberwachung im öffentlichen Raum rechtlich zulässig bzw. unzulässig ist und wie Gegenwehr gegen unzulässige Videoüberwachung möglich ist, wird hier umfangreich dargestellt.