Polizeiliche Videoüberwachung im öffentlichen Raum in Hessen: Wird dabei auch (probeweise) Gesichtserkennungs-Software eingesetzt?

CCTV-NeinDanke/ Januar 27, 2022/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), staatliche Überwachung / Vorratsdatenspeicherung, Videoüberwachung in der Region/ 2Kommentare

Dieses Thema ist Gegenstand aktueller (und aus zeitlichen Gründen noch nicht beantworteter) Anfragen

Neben anderen ist der eventuelle Einsatz der Gesichtserkennungssoftware der Firma Videmo Intelligente Videoanalyse GmbH durch die Polizei in Frankfurt Gegenstand beider Anfragen.

  • Felstehausen: „… 8) Wurde in den Jahren 2018 bis 2021 Videoanalysesoftware der Firma Videmo durch das HMdIS oder nachgeordneter Behörden beschafft (Kauf, Leasing, Miete, Software-on-
    Demand, kostenlose Überlassung)? 9) Nach Auskunft des Herstellers Videmo fand und findet auch in Hessen, speziell in Frankfurt, der Einsatz dieser Software statt. Auch sei ein weiterer Einsatz zumindest geplant. Kann die Hessische Landesregierung diese Auskunft bestätigen, bzw. liegen der Hessischen Landesregierung hierzu Erkenntnisse vor?“
  • Wehnemann: „Auf dem Europäischen Polizeikongress 2021 in Berlin äußerten Mitarbeiter*innen der Software-Firma Videmo Intelligente Videoanalyse GmbH, die auf Gesichtserkennungssoftware spezialisiert ist, gegenüber einem Frankfurter Stadtverordneten, dass ihre Software „Videmo“ in Hessen, speziell in Frankfurt, zum Einsatz käme. Mit dem Bericht B 396/21 beantwortete der Magistrat eine diesbezügliche Anfrage der FRAKTION mit einer Stellung nahme des PP FFM wie folgt: ‚Durch das Polizeipräsidium Frankfurt am Main wird keine Gesichtserkennungssoftware genutzt.‘ Ich frage: Wie geht der Magistrat mit der Diskrepanz in den Aussagen von Softwarehersteller und dem PP FFM um, und hat er diese zum Anlass für weitere Nachforschungen genommen?“

Videmo war bereits im September 2021 Gegenstand einer Anfrage der Fraktion DIE FRAKTION in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung. In dieser Anfrage wurde eingangs darauf verwiesen, dass seit 2016 in Hamburg die Software Videmo der Firma Videmo Intelligente Videoanalyse GmbH bei Versammlungen zum Einsatz.. Dieser Feststellung folgt der Hinweis: „Nach Auskunft des Herstellers fand und findet auch in Hessen, speziell in Frankfurt, der Einsatz dieser Software statt. Auch sei ein weiterer Einsatz zumindest geplant.“ Mit insgesamt 13 Fragen wird dazu um Auskunft gebeten. In einem Bericht des Magistrats vom 15.11.2021 wurde dazu lapidar und nichtssagend erklärt: „Aufgrund der Zuständigkeit der Landespolizei wurde diese über das Polizeipräsidium Frankfurt um Stellungnahme gebeten: ‚Durch das Polizeipräsidium Frankfurt am Main wird keine Gesichtserkennungssoftware genutzt.‘”

Bleibt zu hoffen, dass die beiden Anfragen im Hessischen Landtag und in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung mehr Licht ins Dunkel bringen. Denn diese Fragen sind berechtigt und notwendig.

Videmo wurde nach dem G-20-Gipfel im Juli 2017 in Hamburg, der von Massendemonstrationen, aber auch von Gewaltexzessen begleitet wurde (sowohl kleinerer Gruppen von Demonstrant*innen als auch von Polizist*innen), von der Polizei in Hamburg zur Aufklärung von vorgeblichen als auch tatsächlichen Straftaten von Protestierenden eingesetzt. Wie umfangreich Bild- und Videodateien durch die Hamburger Polizei erhoben, gespeichert und ausgewertet wurden, macht der Hamburger Datenschutzbeauftragte in seinem Tätigkeitsbericht 2019 (dort Seiten 96 – 99) deutlich:

  • Anlässlich der Ermittlungen zu den G20-Ausschreitungen wurde durch die Polizei eine automatisierte Gesichtserkennungssoftware eingesetzt, für deren Nutzung eine Datenbank mit einem wachsenden Umfang von anfänglich 17 Terabyte angelegt wurde. In diese Datenbank sind von Bürgerinnen und Bürgern bei der Polizei hochgeladene private Aufnahmen, polizeieigenes Videoüberwachungsmaterial sowie Material aus öffentlichen Verkehrsmitteln und aus den Medien – insgesamt ca. 32.000 Video- und Bilddateien (Stand August 2018) – eingeflossen.
  • Die in den Bild- und Videodateien enthaltenen Gesichtsmerkmale wurden per Gesichtserkennungssoftware eindeutigen Identifikatoren in Form individueller Gesichts-IDs zugeordnet und maschinenlesbar vorgehalten. Über diesen Datenbestand werden seither Gesichter einzelner Tatverdächtiger immer wieder automatisiert abgeglichen.
  • Durch dieses Verfahren wird erheblich in die Rechte und Freiheiten einer Vielzahl Betroffener eingegriffen. Die biometrische Erfassung erfolgt zunächst unterschieds- und anlasslos. Sie betrifft massenhaft Personen, die nicht tatverdächtig sind und dies zu keinem Zeitpunkt waren. Die Berechnung von mathematischen Gesichtsmodellen zu Strafverfolgungszwecken geschieht ohne Kenntnis der Betroffenen und ermöglicht der Polizei, Profile über Standort, Verhalten und soziale Kontakte von Personen über einen örtlich und zeitlich nicht näher festgelegten Zeitraum zu erstellen, zu verknüpfen und auszuwerten. Ins Blaue hinein vorgenommene Abgleiche mit Referenzdatenbeständen sind möglich. Unbekannte Personen, etwa auf Demonstrationen, werden durch Referenzdatenbestände, etwa auf sozialen Netzwerken, jederzeit identifizierbar.
  • Betroffene können sich nicht mit einem Rechtsbehelf wehren, da sie hiervon keine Kenntnis haben. Verwechslungen von Personen, sog. False Positives, sind möglich. Kontrollen durch unabhängige Stellen laufen ohne Melde- und Informationspflichten ins Leere, da für derartige Datenbanken keine besonderen gesetzlichen Vorgaben existieren. Ein Richtervorbehalt zur Anordnung und Begrenzung solcher Maßnahmen besteht nicht.
  • Der HmbBfDI hat die Polizei dazu angehört und danach das Vorgehen gegenüber dem Innensenator beanstandet. Als die Praxis daraufhin nicht geändert wurde, hat der HmbBfDI mit Bescheid vom 18.12.2018 die Löschung der Template-Datenbank angeordnet…“

Da der Hamburger Innensenator dagegen Klage erhoben hat, ist ein Verfahren vor dem Hamburger Verwaltungsgericht anhängig, das noch nicht abgeschlossen ist. Letztmals am 20.07.2020 hat der Hamburger Datenschutzbeauftragte auf seiner Homepage umfangreich zum Sachstand informiert.

Für ihre Gesichtserkennungssoftware wirbt die Firma Videmo u. a. mit den Aussagen:

  • Durch permanente Weiterentwicklung unserer Technologien bieten wir Ihnen state-of-the-art Verfahren zur Detektion und Wiedererkennung von Gesichtern in Bildern und Videos, wie auch weitergehende Analysemöglichkeiten wie bspw. Alters- und Geschlechtsschätzung.“
  • Durch die Möglichkeit der kontinuierlichen Analyse von Bilddaten ergeben sich Anwendungsgebiete in den unterschiedlichsten Branchen. Ein Vorteil unserer Verfahren ist die Möglichkeit der Gesichtserkennung in Video anstatt nur in Einzelbildern. Außerdem sind unsere Systeme lern- und anpassungsfähig.“

2 Kommentare

  1. Es macht keinen Sinn sich gegen soetwas zu beschweren, weil „Politik“ nur eine Illusion ist. Niemand, weder in lokaler Legislatur, noch im Bundestag, hat einen signifikanten Einfluss auf das Fortschreiten dieser sehr offensichtlich weltweiten Agenda. Es ist nicht nur 100% sicher dass das staatliche Überwachungsnetz (wenn nicht bereits jetzt) standarmäßig Erkennung von Gesichtern, Kleidung, Größe usw. laufen lassen wird, sondern dass ebenso alle privaten Kameras z.Bsp. von Läden, Hauseingängen, Autos usw. in dasselbe Netz eingespeist werden.

    Den meisten Menschen fehlt hierzu das technische Wissen. Viele glauben dass eine „closed circuit“ Kamera die sie bei sich zuhause installieren, oder eine IP-Kamera im Laden unmöglich in ein AI-Netz eingespeist werden kann, oder das (selbst wenn) die Bildqualität nicht dafür kompatibel wäre. Aber das ist ein Fehlglauben. Kameras vieler Hersteller zeigten in Untersuchungen dass sie außerhalb ihres Heimnetzes kontinuierlich Datenpakete an unbekannte Server schicken und moderne Gesichtserkennung braucht nicht mehr als ein pixeliges Bild in der Größe einer Briefmarke um zu funktionieren.

    Ob wir wollen oder nicht, das System welches in China erprobt und ausgereift wurde, wird weltweit eingeführt und perfektioniert. Dies ist nicht zuletzt deutlich durch die ständigen politischen Gespräche über „Digitalisierung“: Ein Begriff der für die meisten Menschen nur schwer definierbar, jedoch unheimlich wichtig zu sein scheint. Man möchte nicht der technolologischen Entwicklung im Wege stehen. Doch Digitalisierung bedeutet in erster Linie nichts anderes als Zentralisierung von Macht und das omnipresente Überwachungsnetz. Digitale IDs, digitale Währung, digitaler Unterricht, all diese Dinge werden unser Equivalent zum chinesischen Sozialkredit. Selbst diese Website wird letztlich der „Digitalisierung“ zum Opfer werden, denn durch digitale IDs als „Internetführerschein“ lässt sich schnell Bestehen und Zutritt zu Informationsquellen abschneiden, welche sich gegen die Pläne der Herrschaftsklasse stellen.

    Viel Zeit bleibt nicht mehr. Doch das Traurige dabei ist viel mehr dass die Menschen danach verlangen und immer begeisterter ihre Nachbarn und selbst die eigenen Kinder überwachen. Die Freiheit stirbt unter tosendem Applaus.

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