Kehrtwende der Linksfraktion im Bundestag: Jetzt auch für die opt-out-Patientenakte !?!
Am 10.10.2023, wenige Tage vor ihren politischen Zerfall, hat die Fraktion DIE LINKE einen Antrag „Elektronische Patientenakte zum Wohl der Versicherten nutzen“ in den Bundestag eingebracht (Bundestags-Drucksache 20/8798). Nahezu lyrisch die Einleitung:
- „Die Digitalisierung kann im Gesundheitswesen sowohl mehr als auch weniger Selbstbestimmung für die Patient*innen bzw. Versicherten bedeuten.
- Sie kann Prozesse vereinfachen oder auch verkomplizieren.
- Sie kann die Datensicherheit in der Kommunikation deutlich verbessern oder auch großen Schaden anrichten…“
So weit – so allgemein! Kürzer wäre die Feststellung: Alles ist möglich!
Diesen Sätzen folgt eine – durchaus zutreffende – Beschreibung bisheriger (Fehl-)Entwicklungen bei der Digitalisierung des Gesundheitswesens. Um dann festzustellen: „Das höhere Maß an Verbindlichkeit durch die opt-out-Variante muss daher durch eine Reihe von Maßnahmen flankiert werden, die das Vertrauen von Versicherten und Leistungserbringenden in die ePA stärken…“ Und weiter: „Es muss jederzeit eine anwender*innenfreundliche und barrierefreie Widerspruchsmöglichkeit für die Nutzung einer zugewiesenen ePA gegeben sein…“ Ein klares und eindeutiges NEIN! zur opt-out-Patientenakte (ePA) ist das nicht!
- „Eine opt-out-Regelung für die ePA kann den informierten Einstieg in die Vorteile der digitalen Aktenführung deutlich erleichtern.“
- „Die ePA muss frühestmöglich, spätestens aber mit Einführung der opt-out-Lösung einen erlebbaren Mehrwert für Versicherte und Leistungserbringende bringen. Dafür muss sie mit strukturierten Daten bestückt werden können, die für die Patient*innen und autorisierte Leistungserbringer*innen durchsuchbar sind.“
Wie sind diese Sätze zu verstehen? Diese Frage und die Frage
Hat die Linksfraktion ihren Widerstand gegen die opt-out-Patientenakte aufgegeben?
richtet der Verfasser insbesondere an die Bundestagsabgeordneten Kathrin Vogler, Gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion DIE LINKE und Anke Domscheit-Berg, Obfrau der Fraktion DIE LINKE im Bundestagsausschuss Digitale Agenda. Denn mit dem Antrag vom 10.10.2023 werden lediglich „begleitende Maßnahmen zur Einführung der opt-out-Regelung“ gefordert.
Ulrich Kelber, Bundesdatenschutzbeauftragter und früherer Bundestagsabgeordneter der SPD, ist in seiner Bewertung der opt-out-ePA eindeutiger. In einer Stellungnahme vom 28.09.2023 weist er auf die datenschutzrechtlich mehr als nur fragwürdigen Ziele des Gesundheitsdatennutzungsgesetzes (GDNG) hin:
- „Die Nutzungsberechtigung bezüglich der versichertenbezogenen Abrechnungs-Daten im Forschungsdatenzentrum Gesundheit beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) soll von dem bisherigen Katalog benannter Berechtigter auf eine Berechtigung aller Personen und Unternehmen aufgrund benannter zulässiger Zwecke umgestellt werden…
- Die Krankenkassen sollen – auch ohne Einwilligung der Versicherten – eine individuelle, versichertenbezogene Auswertungsbefugnis erhalten…
- Die Gesundheitseinrichtungen, insbesondere Krankenhäuser, sollen eine bundeseinheitliche Grundlage zur Weiterverarbeitung der zu Behandlungszweck en erhobenen Daten zu weiteren Zwecken ohne Beteiligung der betroffenen Patienten erhalten…
- Im Modellvorhaben Genomsequenzierung sollen wesentliche Datenverarbeitungen ohne Einwilligung der betroffenen Personen erlaubt werden…
- Die Weiternutzung der Daten in der elektronischen Patientenakte zu verschiedenen weiteren Zwecken im Forschungsdatenzentrum Gesundheit soll nicht mehr zustimmungsbasiert, sondern automatisiert als Opt-out-Modell gestaltet werden…“