„I am here to learn: Zur maschinellen Interpretation der Welt“ – eine sehenswerte Ausstellung im Frankfurter Kunstverein
Bis zum 08.04.2018 ist im Frankfurter Kunstverein auf dem Römerberg eine Ausstellung zu sehen, die sich befasst “mit lernenden Algorithmen und künstlicher Intelligenz (KI)… Die rasanten Entwicklungen in der Computertechnologie, die Fortschritte in der Robotik und eine neue Generation von selbstlernenden Systemen sind dabei zahlreiche Lebensbereiche zu verändern. Algorithmen optimieren die Online-Partnersuche, im Finanzwesen tätigen sie Transaktionen, Roboter übernehmen die Krankenpflege und intelligente Systeme steuern die Infrastruktur unserer Städte und der Mobilität. Der zunehmende Einsatz von Kriegsrobotern und autonom agierenden Waffensystemen hat eine Debatte über ethische Richtlinien ausgelöst…“ Eine kleine Auswahl der ausgestellten Werke soll hier vorgestellt werden.
Mehrere Beiträge beschäftigen sich mit der allgegenwärtigen Videoüberwachung.
Dries Depoorter aus Belgien macht die Überwachungsmanie deutlich, indem er im Internet Überwachungskameras sucht, deren Daten ungesichert übertragen werden. In Sequenzen von jeweils wenigen Sekunden werden sie auf einem Monitor sichtbar.
Der in Berlin lebende US-Amerikaner Adam Harvey setzt sich mit Programmen der Gesichtserkennung und Möglichkeiten der Gegenwehr auseinander. In einem Video wird deutlich, dass geschminkte Gesichter und das Gesicht tw. verhüllende Frisuren – zumindest derzeit noch – den Algorithmen der Gesichtserkennungssoftware Hindernisse in den Weg legen
In einem Gespräch mit der Süddeutschen Zeitung im Jahr 2013 erklärte er auf die Frage, warum er die allgegenwärtige Videoüberwachung ablehne: „Dass man der Beobachtung völlig ausgeliefert ist. Ich wohne in New York, da gibt es Überwachungskameras an jeder Ecke. Aber keiner sagt mir, wer diese Bilder sehen kann und was mit ihnen passiert. Oder denken Sie an die Millionen Menschen, die Partybilder ins Internet stellen. Facebook kann diese Bilder längst nach Gesichtern durchsuchen, ohne dass ich das will. Dagegen muss man sich wehren!“
Die „schüchterne Kamera“ des deutschen Künstlers Georg Kuschmirz verhält sich paradox. Ausgestattet mit einem frei zugänglichen Gesichtserkennungsprogramm analysiert sie ihr Blickfeld. Sobald sie ein menschliches Gesicht im Raum erkennt dreht sie sich verschämt weg.
Ästhetisch ansprechend: Die Videoinstallation Flower des Künstlerduos Shinseungback Kimyonghun aus Südkorea. Auf 3 großen Videowänden werden Fotos von Blüten durch einen Bilderkennungsalgorithmus zerlegt und neu wieder aufgebaut.
Heather Dewey-Hagborg (USA) hat in Zusammenarbeit mit der US-Whistleblowerin Chelsea Manning 30 verschiedene Masken erstellt. Grundlage dafür war genetisches Material, das Chelsea Manning zur Verfügung stellte. Die Künstlerin unterzog dieses Genmaterial einer DNA-Analyse und nutzte dann bereits „auf dem Markt“ vorhandene Programme, um daraus mögliche Gesichtsformen und Hautfarben zu errechnen.
In einem eindrucksvollen , insgesamt 90-minütigen Film wird die Drohnenkriegsführung, ihre technische Basis und ihre Auswirkungen auf die betroffene Zivilbevölkerung dargestellt. Protagonisten dieser neuen Kriegsführungsstrategie aus Industrie und Militär lässt der Film zu Wort kommen; ihre inhumane Grundhaltung wird unverkennbar deutlich.
Diese Exponate und die von etwa zehn weiteren Künstlern sind es wert, die Ausstellung zu besuchen und sich mit Fragen auseinander zu setzen wie „Welche menschlichen Wesenszüge und Verhaltensweisen wollen und können wir Maschinen übertragen und welche nicht? … Hat ein intelligentes System ein Bewusstsein oder ein Ich-Gefühl? Bildet eine Maschine ein eigenständiges Bild von Welt aus? Wie viel Autonomie wollen wir ihr jetzt und in Zukunft zugestehen?”
Oben in der ersten Zeile ist die Jahreszahl nicht korrekt.
Danke! Geändert.