Hessisches Versammlungs„freiheits“gesetz – ein Gesetzentwurf der Hessischen Landesregierung der seinen Namen nicht verdient

WS/ November 28, 2022/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0Kommentare

In der Bundesrepublik wird  auf der Grundlage des Art. 8 Grundgesetz die Versammlungsfreiheit als Grundrecht garantiert. Mit dem Versammlungsgesetz des Bundes wurden 1953 dazu einfachgesetzliche Regelungen erlassen.  In Zuge der ersten Föderalismusreform 2006 ging (neben anderen Rechtsgebieten) auch die Gesetzgebungskompetenz für das Versammlungsrecht auf die Bundesländer über. Bislang haben nur die Bundesländer Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein ihre Gesetzgebungskompetenz genutzt und Landesgesetze zum Versammlungsrecht erlassen. In den anderen Bundesländern gilt auf der Grundlage des Art. 125a Grundgesetz  weiter das Versammlungsgesetz des Bundes.

Am 04.11.2022 legte die schwarz-grüne hessische Landesregierung dem Landtag den Gesetzentwurf für ein Hessisches Versammlungsfreiheitsgesetz (HVersFG) vor. Am 15.11.2022 fand dazu die erste Lesung im Hessischen Landtag statt. Hessens Innenminister Peter Beuth (CDU) erklärte aus diesem Anlass u. a.: Ziel des neuen Hessischen Versammlungsfreiheitsgesetzes ist es, eine friedliche Demonstrationskultur in Hessen zu fördern und dem für die demokratische Willensbildung unverzichtbaren Recht auf Versammlungsfreiheit zur größtmöglichen Wirksamkeit zu verhelfen“. Bei der Formulierung des HVersFG sei auf die harmonische Rechtsentwicklung mit den bereits ergangenen Versammlungsgesetzen anderer Bundesländer geachtet worden.

Ein hehrer Anspruch, den der Gesetzentwurf nicht einhält! Schon  bei erster grober Durchsicht des Gesetzentwurfs fallen problematische Regelungstatbestände ins Auge, die teils deutlich weiter gehen vergleichbare Regelungen im (in Hessen derzeit noch geltenden) Versammlungsgesetz des Bundes oder in den Versammlunggesetzen der Bundesländern Bayern, Berlin, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Schleswig-Holstein.

Unter  datenschutzrechtlichen Gesichtspunkten fallen im Vergleich mit den genannten anderen Versammlungsgesetzen insbesondere folgende Punkte auf, unter denen der Anspruch, Versammlungs„freiheits“gesetz zu sein, sich in sein Gegenteil verkehrt wird:  

  • mehr Angaben zur Person, die ein Anmelder zu sich selbst machen muss,
  • ggf. namentliche Benennung aller eingesetzten Ordner*innen gegenüber den Behörden,
  • längere Aufbewahrungsfristen von polizeilichen Videoüberwachungen öffentlicher Versammlungen unter freiem Himmel,
  • ein fehlendes Informationsrecht für Personen, von denen Videoaufzeichnungen angefertigt werden.

Insgesamt muss eine unvoreingenommene Bewertung des Gesetzentwurfs zum Ergebnis kommen, dass 

  • die Hessische Landesregierung, entgegen der Bekundungen im Koalitionsvertrag von CDU und Grünen („Dem für die demokratische Willensbildung unverzichtbarem Freiheitsrecht des Art. 8 GG wollen wir zur größtmöglichen Wirksamkeit verhelfen… Wir orientieren uns dabei an dem schleswig-holsteinischen Versammlungsfreiheitsgesetz“ – dort S. 57/58)
  • aus allen bestehenden Versammlungsgesetzen der anderen Bundesländer das zusammengeklaubt hat, was die Versammlungsfreiheit des Art. 8 Grundgesetz einschränkt und
  • durch weitere Verschärfungen (z. B. bei Umfang der Personalangaben von Versammlungsleiter*innen und Ordner*innen, Aufbewahrungsfristen von Videoüberwachungsaufzeichnungen) angereichert hat.


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