Frankfurter Polizeipräsident fordert Ausbau der Videoüberwachung auf der Zeil
Unter dem Titel „Abends wird die Zeil zum Angstraum“ veröffentlicht die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung am 23.11.2025 ein Interview mit dem Frankfurter Polizeipräsidenten Stefan Müller. Darin fordert dieser neben anderen Maßnahmen: „Nicht zuletzt schwebt mir die Installation weiterer Sicherheitskameras vor, die die Lücke zwischen Hauptwache und Konstablerwache schließen“. Auch eine „Waffenverbotszone zur Nachtzeit“ wünscht sich der Polizeipräsident. Aus „zahlreichen Gesprächen“ sei ihm bekannt, „dass sich viele Menschen abends auf der Zeil nicht sicher fühlen“. Der Polizeipräsident greift damit Forderungen auf, die vor fast 10 Jahren von seinem damaligen Vorgänger Gerhard Bereswill und dem damaligen Frankfurter CDU-Vorsitzenden Uwe Becker erhoben wurden.
Mit seinen jetzigen Forderungen kann sich der Frankfurter Polizeipräsident auf Neuregelungen im Hessischen Sicherheits- und Ordnungsgesetz (HSOG) stützen, die der hessische Landtag im Dezember 2024 mit Stimmen der CDU/SPD-Koalition beschlossen hat. Es enthält – neben anderen Verschärfungen – in § 1 Abs. 7 HSOG eine bislang kaum beachtete, aber schwerwiegende Neuregelung. Sie lautet: „Im Rahmen der Aufgabenwahrnehmung der Gefahrenabwehr- und der Polizeibehörden kommen der Kriminalprävention, der Demokratieförderung, der Extremismusprävention und der Stärkung des Sicherheitsgefühls der Bevölkerung besondere Bedeutung zu.“ In der bis 18.12.2024 geltenden Fassung des HSOG ist dieser Absatz nicht enthalten. Das wirft Fragen auf:
- Was ist denn das „Sicherheitsgefühl der Bevölkerung“?
- Wer stellt fest welche unterschiedlichen Sicherheitsgefühle unterschiedliche Bevölkerungsgruppen haben und ggf. auch äußern?
- Und welche dieser Gefühle sicherheitsrelevant und damit Gegenstand der Aufgaben der Polizei werden?
Es ist sicher kein Zufall, dass zeitgleich zum Interview mit dem Polizeipräsidenten „über mehrere Stunden Kontrollen im Rahmen der ‚Besonderen Aufbauorganisation Zeil‘ (BAO Zeil) auf der Frankfurter Einkaufsstraße sowie ihren Nebenstraßen“ durchgeführt wurden, wie das Polizeipräsidium in einer Presseerklärung vom 24.11.2025 mitteilte. Darin wird wiederholt Bezug genommen zu „einem Unsicherheitsgefühl bei Passantinnen und Passanten“ und zum „Sicherheitsgefühl“. Die Erklärung endet mit den Sätzen: „Die Maßnahmen der Polizei wurden von vielen Passantinnen und Passanten begrüßt. In zahlreichen Bürgergesprächen wurde deutlich, dass die Präsenz der Polizei überaus positiv wahrgenommen werde und man sich für die Zukunft eine Fortsetzung wünsche. Die Polizei Frankfurt die Kontrollen an den kommenden Wochenenden fortsetzen.“ Unschwer wird erkennbar, dass mit der BAO Zeil, ihrem periodischen Auftreten und der publizistischen Begleitung der Einsätze die Trommel gerührt wird für einen Ausbau der Videoüberwachung auf der Zeil.
In § 14 Abs. 3 HSOG wurde eine weitere Neuregelung aufgenommen, auf die sich der Polizeipräsident stützen kann: „Die Gefahrenabwehr- und die Polizeibehörden können öffentlich zugängliche Orte … sofern diese Orte aufgrund ihrer konkreten Lage, Einsehbarkeit und Frequentierung günstige Tatgelegenheiten für Straftaten mit erheblicher Bedeutung… bieten und deshalb anzunehmen ist, dass sie gemieden werden, mittels Bildübertragung offen beobachten und aufzeichnen…“ In der bis 18.12.2024 geltenden Fassung des HSOG ist diese Möglichkeit noch nicht enthalten.
Die Videoüberwachungsanlagen der Polizei in den Bereichen Hauptwache und Konstablerwache sind auf Grund ihre Platzierung und ihrer modernen technischen Ausstattung bereits jetzt in der Lage, auch große Teile der Zeil ins Visier zu nehmen.

Standorte der Polizeikameras im Bereich Hauptwache / Zeil / Konstablerwache: In Blau: „mobile“ Überwachungskameras; in Grün: stationäre Überwachungskameras (errichtet und finanziert durch die Stadt Frankfurt). Quelle: Datenschutzerklärung des Polizeipräsidiums Frankfurt zur Videoüberwachung.
Leider ist zu erwarten, dass sich – spätestens nach der Kommunalwahl im Frühjahr 2026 – auch in der Stadtverordnetenversammlung eine Mehrheit finden wird, die des Forderungen des Polizeipräsidenten nachgeben wird und entsprechende Beschlüsse zum Ausbau der Videoüberwachung fasst. Um so wichtiger, dass sich dagegen parlamentarisch und außerparlamentarisch politischer und juristischer Widerstand entwickelt.
Die Landtagsfraktion der Grünen in Hessen, die zur Zeit ihrer Regierungsbeteiligung alle vom der CDU damals gewünschten Verschärfungen mitgetragen hat, hat die im Dezember beschlossenen Neuregelungen im HSOG mit einer Normenkontrollklage vor dem Hessischen Staatsgerichtshof zum Gegenstand einer Bewertung gemacht, ob sie den Vorgaben zum Schutz von Freiheitsrechten in der Hessischen Landesverfassung entsprechen. In der Klageschrift werden – neben anderen – auch die hier zitierten Neuregelungen in den §§ 1 und 14 HSOG zum Gegenstand einer verfassungsrechtlichen Prüfung gemacht.
- Auch in der Frankfurter Zivilgesellschaft wird der Ausbau polizeilicher Videoüberwachung kritisiert und juristisch angegriffen. Zwei Beispiele:
- Mit einer Beschwerde gegen die Installation von Videoüberwachungsanlagen mit biometrischer Echtzeit-Fernidentifizierung, die auch die Rundum-Überwachung der Prostituierten-Beratungsstelle Doña Carmen e.V. ermöglichen, hatte sich der Verein Doña Carmen e.V. am 26.06.2025 an den Hessischen Datenschutzbeauftragten gewandt. Mit einem Teilerfolg, wie der Stellungnahme des Hessischen Datenschutzbeauftragten zu entnehmen ist.
- Am 10.07.2025 hatte das Hausprojekt NiKa im Frankfurter Bahnhofsviertel an der Ecke Karlstraße-Niddastraße, Klage gegen das Land Hessen aufgrund der KI-gestützten Kameraüberwachung am Karlsplatz eingereicht. In einer Pressemitteilung vom 23.07.2025 wird dazu umfangreich informiert.
- Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main begrüßt und unterstützt diese und andere Aktivitäten. Mit einem Videospaziergang durch das überwachte Bahnhofsviertel und einer umfangreichen Dokumentation von Videoüberwachungskameras im Bahnhofsviertel beteiligt sie sich an der Aufklärung über Art und Umfang polizeilicher Videoüberwachung.