Eine Forderung an die politisch Verantwortlichen in Hessen: Errichtung eines Videokatasters!
Die Online-Ausgabe der Süddeutschen Zeitung präsentierte im Juli 2013 unter der Überschrift „Wie Kameras unser Verhalten verändern“ eine interaktive Karte (http://www.sueddeutsche.de/bayern/videoueberwachung-in-bayern-hier-werden-sie-ueberwacht-1.1735925), auf der erkennbar ist, wo in Bayern von wem zu welchem Zweck wie viele Videoüberwachungsanlagen betrieben werden. Grundlage dieser Karte war eine Tabelle, die das Bayerische Staatsministerium des Innern zusammengestellt und am 01.02.2013 in einer Landtagsdrucksache (http://www1.bayern.landtag.de/ElanTextAblage_WP16/Drucksachen/Schriftliche%20Anfragen/16_0015571.pdf) veröffentlicht hatte. Darin sind alle der Bayerischen Staatsregierung bekannten Videoüberwachungsanlagen von öffentlichen und privaten Stellen in Bayern erfasst – mehr als 17.000 Kameras.
In Kenntnis dieser Veröffentlichung der Bayerischen Staatsregierung hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main im August 2013 den Oberbürgermeister der Stadt Frankfurt und die Fraktionen in der Frankfurter Stadtverordnetenversammlung aufgefordert, ein Videoüberwachungskataster für Frankfurt zu erstellen und zu veröffentlichen. Im Februar 2014 hat die Gruppe dann auch den hessischen Innenminister aufgefordert, nach bayrischem Vorbild ein Videokataster für Hessen anzulegen und zu publizieren (siehe dazu: http://diedatenschuetzerrheinmain.wordpress.com/2014/02/24/videouberwachung-des-offentlichen-strasenraums-in-hessen-ein-schreiben-an-den-hessischen-innenminister/).
Die Reaktionen der politisch Verantwortlichen waren bislang mehr als verhalten:
- Der Frankfurter Oberbürgermeister ließ Anfang September 2013 verlauten, „dass eine Prüfung Ihres Anliegens durch die zuständigen Dezernate erfolgt“; eine inhaltliche Stellungnahme steht auch nach mehr als 6 Monaten noch aus.
- Der hessische Innenminister reagierte etwas schneller, aber ähnlich unverbindlich. Ausgelöst durch eine Anfrage eines Landtagsabgeordneten der FDP sowie Anträge der Fraktion der Linken und der FDP erklärte er Anfang April im hessischen Landtag, das das vorgeschlagene Verzeichnis „nur mit ganz erheblichem Aufwand angelegt werden“ könne. „Das Innenministerium müsste die dazu benötigten Daten zunächst bei den Landesbehörden, den Kommunen, den Bundesbehörden und allen privaten Unternehmen mit Sitz in Hessen erheben… Darüber hinaus könnte das Verzeichnis keine Auskunft darüber geben, ob eine bestimmte Videoüberwachung nach den datenschutzrechtlichen Vorschriften zulässig ist…“
Positiv die Reaktionen von FDP und Linken im Hessischen Landtag. Die FDP-Fraktion ließ in einer Pressemitteilung (http://fdpfraktion.hessen.liberale.de/Videoueberwachung-im-oeffentlichen-Raum/14047c31833i1p1788/index.html) verlauten: „Wir sind der Auffassung, dass die Bürgerinnen und Bürger genauso wie vor unverhältnismäßiger Videoüberwachung öffentlicher Stellen auch vor unzulässiger Überwachung Privater im öffentlichen Raum geschützt werden müssen. Deshalb unterstützt die FDP-Fraktion den Hessischen Datenschutzbeauftragten bei seinem Einsatz gegen unrechtmäßige Videoüberwachungsanlagen im öffentlichen Raum und begrüßen es, wenn Initiativen wie die Gruppe ‚dieDatenschützer Rhein Main‘ den Datenschutzbeauftragten auf erkennbare Missstände hinweisen… Wir… sind gespannt, ob er ein Verzeichnis der den öffentlichen Straßenraum in Hessen überwachenden Videoanlagen für sinnvoll erachtet, wie es ‚dieDatenschützer Rhein Main‘ fordern und wie es die bayerische Staatsregierung im Jahr 2013 für Bayern erstellt hat.“
Die Linke-Fraktion brachte einen Entschließungsentwurf (Landtagsdrucksache 19/225 – http://starweb.hessen.de/cache/DRS/19/5/00225.pdf) in die Parlamentsberatungen ein mit folgendem Tenor: „Der Landtag begrüßt die Anregung… ein Verzeichnis aller den öffentlichen Straßenraum beobachtenden Videoüberwachungsanlagen in Hessen zu erstellen oder erstellen zu lassen… Die Erstellung eines Verzeichnisses aller Videoüberwachungsanlagen schafft die notwendige Transparenz, um die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen überprüfen zu können.“
Leider erteilte auch der Datenschutzbeauftragte des Landes Hessen – ähnlich wie Innenminister Beuth – lt. Veröffentlichung in der Frankfurter Rundschau vom 08.04.2014 dem Vorschlag eines Videokatasters eine Absage. Die technokratische Begründung: Überwachungsanlagen von Firmen und Privatleuten müssen nicht bei den Landesdatenschutzbeauftragten gemeldet werden, da das Bundesdatenschutzgesetz eine solche Regelung nicht vorsieht. Daher könne eine Liste der Anlagen auch nicht aktuell gehalten werden.
Dies ist vor dem Hintergrund der gegenwärtigen Rechtslage unstrittig. Aber mit der Flut an Überwachungstechnik, die auf dem Markt angeboten und nachgefragt wird und mit dem deutlichen Anstieg der Zahl von Überwachungskameras, die von Grundstückseigentümer, Firmen und Ladeninhabern inflationär eingesetzt werden, wäre eine gesetzliche Pflicht zur Anmeldung sinnvoll, denn
- würde sie die Installation einer nicht unerheblichen Zahl neuer Kameras verhindern,
- könnten Beschwerden über diese Kameras (sofern angemeldet) leichter überprüft werden,
- könnte die Nicht-Anmeldung zu einer mit Bußgeld zu ahndenden Ordnungswidrigkeit erklärt werden.
MitarbeiterInnen des Datenschutzbeauftragten haben gegenüber der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main in den letzten Wochen nach Eingaben in Sachen Videoüberwachung deutlich gemacht, dass sie derzeit ohne Hinweise aus der Bürgerschaft der Flut an Videoüberwachung nichts entgegen setzen könnten. Es kann aber auf Dauer nicht hingenommen werden, dass massenhafte Verstöße gegen das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nur überprüft werden, wenn informierte BürgerInnen dies beim Datenschutzbeauftragten anzeigen.
Dass die maßlose Ausdehnung von Videoüberwachung kein lokales Frankfurter Problem ist, sondern mindestens in allen deutschen Großstädten zum massiven Ärgernis wird belegt auch ein aktueller Bericht aus Leipzig im mdr-Sachsenspiegel vom 09.04.2014: http://www.mdr.de/sachsenspiegel/video189184.html.