Die Stadt Frankfurt und die Videoüberwachung durch die Europäische Zentralbank – ein Beispiel für die Notwendigkeit einer kommunalen Informationsfreiheitssatzung

Transparenz/ September 28, 2019/ alle Beiträge, Informationsfreiheit / Transparenz, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0Kommentare

Pearl Hahn, eine Stadtverordnete der Linken, stellte dem Magistrat der Stadt Frankfurt am 16.05.2019 die Frage: Der Bereich der Europäischen Zentralbank, EZB, wird auf Höhe des Hafenparks teilweise videoüberwacht. Ich frage den Magistrat: Wurde hierfür ein Sondernutzungsrecht für die EZB erteilt oder gibt es eine entsprechende Vereinbarung zwischen Grünflächenamt beziehungsweise Hafenbetrieben und der EZB diesbezüglich, die die Videoüberwachung ermöglichen?“ Die Antwort des Magistrats: „Wie alle europäischen Institutionen hat die Europäische Zentralbank, EZB, einen Sonderstatus, der in einem Sitzabkommen zwischen EZB und Bundesrepublik Deutschland geregelt ist. (link: https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecbheadquartersagreement_de.pdf). Insbesondere in Artikel 5 dieses Abkommens verpflichtet sich Deutschland die Räumlichkeiten der EZB gegen unbefugtes Eindringen oder Beschädigungen aller Art sowie gegen sonstige Beeinträchtigungen ihrer Funktionsfähigkeit mit geeigneten Maßnahmen zu schützen. Die Stadt Frankfurt nimmt diese Verpflichtung an und hat in einem sogenannten ‚Großen Gestattungsvertrag‘ vom 05.03.2015 die Installation von Sicherheitseinrichtungen auf ihren Grundstücken erlaubt. Der Europäische Datenschutzbeauftragte hat gemeinsam mit dem Hessischen Datenschutzbeauftragten im Jahr 2016 vor Ort das Videokonzept und die Sicherungsanlagen der EZB, insbesondere auch die Videoanlagen am Mainufer, überprüft. Man kam zu dem Ergebnis, dass es sich bei der EZB um eine besonders gefährdete öffentliche Einrichtung handelt und die Videoüberwachung auch im öffentlichen Raum zulässig ist. Die Beschilderungen weisen darauf hin, dass die EZB verantwortliche Stelle ist.“

Damit wurde rudimentär eine Frage beantwortet, die die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main erstmals bereits am 27.03.2016 in einem Brief an das Grünflächenamt der Stadt Frankfurt gestellt hatte, ohne dazu jemals eine Antwort zu erhalten:

Auf welcher Rechts- und Vertragsgrundlage hat die Stadt Frankfurt eine öffentliche Verkehrsfläche an die Europäische Zentralbank (EZB) zur Überwachung freigegeben?

Der Anfrage war voraus gegangen, dass Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main Anfang März 2016 feststellten, dass nahe des Frankfurter Osthafens Videoüberwachungskameras neu installiert wurden. Das Gelände der EZB seinerseits ist durch einen Zaun, durch Zufahrtssperren, die an Panzergräben erinnern, und durch einen engmaschigen Ring von Videokameras gesichert und überwacht.

Wozu dann also noch die Überwachung weit außerhalb des Geländes der EZB?

Am rechten Bildrand zwei, am linken Bildrand eine Überwachungskamera; im Hintergrund die Deutschherrnbrücke über den Main

Diese drei Kameras überwachen einen Weg direkt am Mainufer, der von Fußgänger*innen und Fahrradfahrer*innen gern und viel genutzt wird und der sich weit außerhalb des Zauns um die EZB befindet. Die Kameras befinden sich in unmittelbarer Nähe der großen und von vielen Frankfurter*innen gut angenommenen Freizeitanlage am Main zwischen Deutschherrnbrücke und Honsellbrücke sowie am Zugang zum Lokal Oosten am Hochkai des Osthafens. Täglich passieren mehrere hundert, an sonnigen Tagen auch mehr als tausend Menschen die Kameras.

Der Inhalt des Großen Gestattungsvertrags zwischen EZB und Stadt Frankfurt bleibt aber weiterhin – auch für die Stadtverordneten – ein Geheimnis. Um dazu Aufklärung zu erhalten ist eine kommunale Transparenz- bzw. Informationsfreiheitssatzung der Stadt Frankfurt notwendig, wie sie die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main zuletzt am 08.05.2019 in Schreiben an Oberbürgermeister Peter Feldmann (SPD) und die Fraktionen in der Stadtverordnetenversammlung gefordert hat.


Update 28.09.2019

In der Antwort des Magistrats auf die Anfrage der Stadtverordneten Pearl Hahn wird auf die Homepage der EZB verlinkt. Dieser Link läuft ins Leere. Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main hat deshalb das Büro der Stadtverordnetenversammlung wie folgt informiert:

… mit Interesse haben wir die Frage der Stadtverordneten Pearl Hahn und die Antwort des Magistrats dazu (https://www.stvv.frankfurt.de/PARLISLINK/DDW?W=DOK_NAME=%27F_1919_2019%27) zur Kenntnis genommen. In der Antwort des Magistrats wird auf ein „Sitzabkommen zwischen EZB und Bundesrepublik Deutschland“ verwiesen und dazu auf einen „link: https://www.ecb.europa.eu/pub/pdf/other/ecbheadquartersagreement_de.pdf“ verwiesen. Beim Versuch, diesen Link zu öffnen, erhält man aber lediglich den Hinweis: „Page not found“ – sieh dazu die beigefügte Datei. Wir möchten Sie bitten, uns den korrekten Link zum  „Sitzabkommen zwischen EZB und Bundesrepublik Deutschland“  zur Verfügung zu stellen und die Antwort des Magistrats auf die Anfrage der Stadtverordneten Pearl Hahn in PARLIS entsprechend zu korrigieren. Für Ihre Bemühungen herzlichen Dank…

 

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