Das Jobcenter Wuppertal und das Informationsfreiheitsgesetz NRW – oder: Wie Behörden versuchen, Informationsansprüche auszusitzen und zu unterlaufen

Datenschutzrheinmain/ November 19, 2018/ alle Beiträge, Informationsfreiheit / Transparenz/ 3Kommentare

Die Vorgeschichte:

  • Ein an sozialpolitischen Themen interessierter Bürger liest im Juni 2018 auf der Homepage des Erwerbslosenverein Tacheles (dort unter Punkt “3. Zur Zusammenarbeit des JC Wuppertal mit der Bit gGmbH”), dass das Jobcenter Wuppertal seit mehreren Jahren Prüfaufträge zur medizinischen Begutachtung an ein privatrechtlich organisiertes Unternehmen vergibt. Diese privatrechtliche Firma habe einen Standort in Wuppertal und einen in Oberhausen; sie biete Trainingsmaßnahmen zur Wiedereingliederung und arbeits- und sozialmedizinische ärztliche Begutachtungen an.
  • Auf der Grundlage des § 4 Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) beantragt der Bürger am 14.06.2018 per E-Mail, dass ihm das Jobcenter Wuppertal den Vertrag mit der Firma bit gGmbH  zur Verfügung stellt. Daraus entwickelt sich ein Schriftverkehr zwischen dem anfragenden Bürger, dem Jobcenter Wuppertal und dem Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen, der bis dato noch nicht abgeschlossen ist, weil das Jobcenter sich nachhaltig weigert, die verlangten Auskünfte zu erteilen.
  • Der anfragende Bürger hat sich mit der Bitte, den bisher vorliegenden Schriftwechsel in anonymisierter Form zu veröffentlichen, an die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main gewandt. Dieser Bitte kommen wir gerne nach.  Nachstehend veröffentlichen wir den Schriftverkehr auszugsweise in chronologischer Form.

14.06.2018 – Bürger an Jobcenter Wuppertal

Antrag auf Auskunft nach dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen

Sehr geehrte Damen und Herren, auf der Homepage des Erwerbslosenverein Tacheles wird berichtet, dass das Jobcenter Wuppertal (AöR) seit 2011 Prüfaufträge zur medizinischen Begutachtung an die Firma bit gGmbH vergibt. Diese Firma habe einen Standort in Wuppertal und einen in Oberhausen; sie biete Trainingsmaßnahmen zur Wiedereingliederung und arbeits- und sozialmedizinische ärztliche Begutachtungen an. Auf der Grundlage des § 4 IFG-NRW beantrage ich, dass Sie mir den Vertrag des Jobcenters Wuppertal (AöR) mit der Firma bit gGmbH (ggf. auch Anlagen zu diesem Vertrag und andere damit im Zsammenhang stehende Unterlagen) in geeigneter Form, möglichst in Form einer oder mehrerer pdf-Datei(en) zur Verfügung stellen. Bitte beachten Sie: 1. Dies ist ein Antrag auf Zugang zu amtlichen Informationen nach den Bestimmungen des IFG-NRW. 2. Sollte der Informationszugang Ihres Erachtens gebührenpflichtig sein, möchte ich Sie bitten, mir dies vorab mitzuteilen und detailliert die zu erwartenden Kosten aufzuschlüsseln. Meines Erachtens handelt es sich aber im vorliegenden Fall um eine einfache Auskunft. Gebühren fallen somit nicht an. 3. Ich bitte Sie, mir die erbetenen Informationen so schnell wie möglich, spätestens nach Ablauf eines Monats zugänglich zu machen. Können Sie diese Frist nicht eingehalten bitte ich darum,  mich innerhalb dieser Frist über die Gründe zu informieren. 4. Ich bitte Sie um eine Antwort per E-Mail. 5. Ich widerspreche ausdrücklich der Weitergabe meiner Daten an Dritte. 6. Ich möchte Sie um eine Empfangsbestätigung bitten und danke Ihnen für Ihre Mühe! Mit freundlichen Grüßen …

27.06.2018 – Jobcenter Wuppertal an Bürger

Re: Antrag auf Auskunft nach dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen)

Sehr geehrter Herr …, Sie haben um Übersendung des Vertrages nebst Anlagen gebeten, den die Jobcenter Wuppertal AöR mit der bit gGmbH über die Erbringung medizinischer Dienstleistungen abgeschlossen hat.  Dieser Antrag wird abgelehnt, da er zwar zulässig aber unbegründet ist.  Grundsätzlich hat jede natürliche Person nach dem Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen (IFG NRW) gegenüber den in § 2 IFG NRW aufgeführten Stellen Anspruch auf Zugang zu den bei dieser Stelle vorhandenen amtlichen Informationen. Der Antrag auf Informationszugang ist jedoch gemäß § 8 IFG NRW abzulehnen, wenn durch die Informationsübermittlung ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart würde und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstünde. Dieser Ablehnungsgrund, bei dem auch kein Ermessen seitens der Behörde besteht, liegt hier vor. Die Vertragsinhalte stellen Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar, da sich aus ihnen sowohl auf die Konditionen der Leistungserbringung, Preise und Kalkulationen als auch auf die generelle Arbeitsweise und Ablauforganisation der Vertragspartei schließen lässt. An der Geheimhaltung dieser Informationen hat die bit gGmbH ein berechtigtes Interesse. Eine Offenlegung der Vertragsinhalte würde es Wettbewerbern ermöglichen, im Fall einer erneuten Ausschreibung der Dienstleistung durch die Jobcenter Wuppertal AöR, aufgrund der Kenntnis der Vertragsbedingungen und Preise unter erleichterten Voraussetzungen mit der bit gGmbH zu konkurrieren. Hierdurch ist es sehr wahrscheinlich, dass der bit gGmbH ein wirtschaftlicher Schaden entstünde. Für den Eintritt eines wirtschaftlichen Schadens im Sinne von § 8 IFG NRW ist die hinreichende Möglichkeit eines solchen Schadens ausreichend.  Das Ausmaß des wahrscheinlichen Schadens ist auch nicht als so geringfügig anzusehen, dass die Interessen des Vertragspartners hinter einem überwiegenden Allgemeininteresse im Sinne von § 8 Satz 3 IFG NRW zurückstehen müssten. Ein solches überwiegendes Interesse der Allgemeinheit ist auch weder geltend gemacht noch ist ein solches überwiegendes Interesse der Allgemeinheit ersichtlich… Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag … Beauftragter für Datenschutz Jobcenter Wuppertal AöR

27.06.2018 – Bürger an Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW

Antrag auf Auskunft nach dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen)

Sehr geehrte Damen und Herren, wie Sie dem unten stehenden Schriftverkehr entnehmen können, habe ich beim Jobcenter Wuppertal einen Antrag auf Auskunft nach dem Gesetz über die Freiheit des Zugangs zu Informationen für das Land Nordrhein-Westfalen (Informationsfreiheitsgesetz Nordrhein-Westfalen). Dieser Antrag wurde mir zu 100 % abgelehnt. Die Ablehnung ist aus meiner Sicht unverhältnismäßig und damit rechtswidrig. So wäre es dem Jobcenter Wuppertal ohne weiteres möglich, all die Passagen aus dem Vertrag und den anderen Unterlagen unkenntlich zu machen, die die rein finanziellen Geschäftsbeziehungen (z. B. Preise, Mengen) mit der Firma bit gGmbH regeln und mir danach die Unterlagen in dieser gekürzten Fassung zur Verfügung zu stellen. Ich möchte Sie bitten, den Sachverhalt zu prüfen, auf das Jobcenter Wuppertal im oben skizzierten Sinne einzuwirken und mir nach Abschluss Ihrer Ermittlungen eine Information zukommen zu lassen. Mit freundlichen Grüßen …

30.07.2018 – Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW an Jobcenter Wuppertal

Informationsfreiheitsgesetz NRW (IFG NRW) Informationszugangsantrag Herrn … vom 14.6.2018 Aktenzeichen … /18

Sehr geehrter Herr …, Herr … hat sich nach § 13 Abs. 2 IFG NRW an mich gewandt und mitgeteilt, bei Ihnen den o.g. Antrag auf Informationszugang zu dem mit der bit gGmbH geschlossenen Vertrag gestellt zu haben. Mit Schreiben vom 27.6.2018, welches mir in Kopie vorliegt, haben Sie den Antrag auf Zusendung des Vertrags unter Hinweis auf das Betriebs- und Geschäftsgeheimnis nach § 8 IFG NRW abgelehnt. Hierzu bitte ich Sie unter Berücksichtigung nachstehender Ausführung um Stellungnahme.  Nach § 8 IFG NRW ist der Antrag auf Informationszugang abzulehnen, soweit durch die Übermittlung der Information ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis offenbart wird und dadurch ein wirtschaftlicher Schaden entstehen würde. Als Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse werden allgemein alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein berechtigtes Interesse hat. Hinsichtlich der Leistungskonditionen sowie der Ablauforganisation ist das Vorliegen dieser Voraussetzung fraglich, da im Rahmen der Ausschreibung vermutlich ohnehin die diese Informationen umfassende Leistungsbeschreibung Bestandteil der veröffentlichten Unterlagen war. Zudem wäre zu prüfen, ob nicht auch die Möglichkeit besteht, dem Informationszugangsantrag nach Schwärzung der Preise und Preiskalkulationen nachzukommen. Vor diesem Hintergrund bitte ich um erneute Prüfung des Begehrens der Antragstellerin und um kurzfristige Mitteilung, ob Sie Herrn … die beantragte Information zukommen lassen bzw. welche Hinderungsgründe dem entgegenstehen.  Ich habe dem Antragsteller eine Kopie meines Auskunftsersuchens zur Information übersandt. Ferner beabsichtige ich ihm eine Kopie Ihrer Stellungnahme zur Kenntnis zu übersenden; sollten gegen diese Vorgehensweise Bedenken bestehen, bitte ich Sie, diese mitzuteilen.  Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag … Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit  Nordrhein-Westfalen Referat 2

24.09.2018 Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW an Jobcenter Wuppertal

Erinnerung: Informationszugangsantrag Herrn … vom 14.6.2018

Sehr geehrter Herr …, an die Erledigung meines Schreibens vom 30.7.2018 erinnere ich hiermit. Leider liegt mir eine Rückantwort von Ihnen bislang nicht vor.  Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag … Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen Referat 2

27.09.2018 Jobcenter Wuppertal an Landesbeauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW

AW: Erinnerung: Informationszugangsantrag Herrn … vom 14.6.2018

Sehr geehrte Frau …, sehr geehrter Herr …, ich bitte, die erhöhte Bearbeitungsdauer zu entschuldigen. Urlaubsbedingt konnte die Anfrage leider bisher nicht abschließend bearbeitet werden. Da die Auswertung der Vergabeunterlagen und der Grad der Veröffentlichung etwaiger später Vertragsbestandteil gewordener Passagen sich sehr aufwändig darstellt, kann die Antwort auch nicht binnen kürzester Frist erfolgen.  Es wird jedoch eine schnellstmögliche Nachbearbeitung des IFG-Antrags unter Berücksichtigung der von der LDI NRW gegebenen Hinweise zugesichert Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag … Beauftragter für Datenschutz Jobcenter Wuppertal AöR.

09.11.2018 Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit NRW an Jobcenter Wuppertal

Erinnerung: Informationszugangsantrag Herrn… vom 14.6.2018 Mein Auskunftsersuchen vom 30.7.2018 Erinnerung

Sehr geehrter Herr …, für Ihre Rückmeldung vom 27.9. bedanke ich mich. Darin weisen Sie auf das bislang urlaubsbedingte Unterbleiben einer Rückmeldung hin. Da seit Ihrer Rückmeldung nun bereits einige Wochen vergangen sind, erlaube ich mir, erneut an die Erledigung meines Schreibens vom 30.7.2018 zu erinnern.  Mit freundlichen Grüßen Im Auftrag … Landesbeauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit Nordrhein-Westfalen Referat 2

Inzwischen sind weitere 10 Tage ins Land gegangen. Beim Jobcenter Wuppertal ist wieder Funkstille eingekehrt. Wie lange noch?

3 Kommentare

  1. Sehr gut dokumentiert, bitte dran bleiben!

    Auch die Weisungen des JC FFM sind soweit ich es verfolgt habe noch nicht komplett veröffentlicht worden. Oder irre ich?

    1. Hallo Werner
      wir bleiben dran, aber ich komme erst nach dem 28.11. dazu nochmals nachzuhaken
      LG
      Uli

  2. Verstehe gar nicht, warum sich das Jobcenter mit einer Auskunft so ziert.
    Die Linke im Rat der Stadt Wuppertal hatte im Juli diesen Jahres eine ähnlich lautende Anfrage an die Verwaltung gerichtet. Und der Geschäftsbereich Soziales, Jugend, Schule und Integration der Stadtverwaltung hat diese Anfrage auch im Juli 2017 schon beantwortet. Alles öffentlich nachlesbar auf der Internetseite der Stadt Wuppertal:
    https://ris.wuppertal.de/getfile.php?id=222769&type=do
    Meine einzige Erklärung:
    Solche Anfragen kratzen an der Alleinherrscher-Mentalität des Jobcenter-Chefs. Fragt doch mal die Leute von Tacheles, die können ein Lied davon singen; mit vielen Strophen.

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