Danke, Nein! – Die Zeitenwende von Bündnis 90 / Die Grünen in der Innen- und “Sicherheits”politik
“Der grausame, mutmaßlich islamistische Anschlag von Solingen hat uns erneut die Verwundbarkeit unserer freiheitlichen Gesellschaft schmerzhaft vor Augen geführt. Es ist an der Zeit, den Menschen in unserem Land angesichts der multiplen Bedrohungen dieser Zeit ein neues Sicherheitsversprechen zu machen. Es ist an der Zeit, dass die demokratischen Parteien in Deutschland gemeinsam und konstruktiv einen Reformprozess beginnen, mit dem Ziel, einen gesellschaftlichen Konsens darüber zu entwickeln, wie wir sicher und frei in unserem Land im Herzen Europas zusammenleben wollen.“
Eingeleitet durch diese Sätze wird in einem Beschluss des erweiterten Vorstands der Grünen Bundestagsfraktion vom 05.09.2024 eine Kehrtwende zu „law and order“ markiert. Der Beschluss wirft die Frage auf, worin sich die Grünen noch von der Politik der SPD-Innenministerin Nancy Faeser und ihren Vorgängern aus den Reihen von CDU/CSU unterscheidet.
Kostproben gefällig?
- „Investitionen in die Sicherheit unseres Landes und damit auch in die Wehrhaftigkeit unseres Rechtsstaats… wurden sträflich vernachlässigt. Das war mitursachlich dafür, dass man vielen Sicherheitsthemen jahrelang hinterherhecheln musste, erst beim Islamismus, dann beim Rechtsterrorismus und bei den so genannten ‚Reichsbürgern‘…“
- „Extrem ernstzunehmende sicherheitspolitische Bedrohungen… wurden und werden noch immer nicht ernst genug genommen. Vielmehr wurden immer wieder zahlreiche Schwächen unserer ‚wehrhaften Demokratie‘ offenbar…“
- Diese Versäumnisse haben autoritäre Staaten, aber auch Extremist*innen immer wieder genutzt, um unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie anzugreifen…“
- „Für diese krassen sicherheitspolitischen Fehleinschätzungen und -justierungen sind alle Fraktionen im Bundestag, die seither Bundesregierungen getragen haben, mitverantwortlich. Für die Außenpolitik sind die negativen Folgen dieses Wunschdenkens spätestens seit dem 24. Februar 2022 seitens der aktuellen Bundesregierung erkannt und angegangen worden. Die ‚Zeitenwende‘ wurde im militärischen Bereich nicht nur ausgerufen, sondern auch mit entsprechenden finanziellen Mitteln unterfüttert… Für die Innenpolitik wurde die ‚Zeitenwende‘ noch nicht nachvollzogen… Es ist an der Zeit die ‚Zeitenwende‘ auch im Innern entschlossen umzusetzen.“
- „Doch immer dort, wo es politisch konkret wird, wo es gilt, längst bekannte Defizite abzustellen, dauert die Umsetzung längst vereinbarter Vorhaben noch viel zu lang. Das gilt für den dringend notwendigen Schutz unserer kritischen Infrastrukturen, den Lebensadern unserer Gesellschaft genauso wie für die Neuaufstellung der Spionageabwehr oder Schlagkräftigkeit unserer Sicherheitsbehörden insgesamt.
Nach dieser „Neujustierung“ des grünen innenpolitischen Koordinationssystems werden von der Grünen Bundestagsfraktion u. a. folgende Maßnahmen vorgeschlagen:
- “Damit wir den aktuellen Gefahren nicht immer nur hinterherlaufen… braucht es sowohl gut ausgebildetes Personal als auch die notwendige technische Ausstattung… Wir bedauern sehr, dass es vor zwei Jahren nicht wie von uns vorgeschlagen analog zur Bundeswehr ein Sondervermögen für die Innere Sicherheit beschlossen wurde.“
- „Die Sicherheitsbehörden haben in den letzten Jahren vieles geleistet… Die föderale Sicherheitsarchitektur braucht ein Update… Hierbei wird auch weiterhin über notwendige Grundgesetzänderungen… zu sprechen sein… Generell können wir uns deshalb vorstellen, Innere Sicherheit als Gemeinschaftsaufgabe im Grundgesetz zu definieren.“
- „Polizeien und Nachrichtendienste untereinander besser national und international vernetzen…“
- „Neue Befugnisse für Sicherheitsbehörden und Nachrichtendienste ergebnisoffen prüfen: Wir verschließen uns der Diskussion um neue Befugnisse der Sicherheitsbehörden nicht… Insgesamt müssen wir endlich eine evidenzbasierte Sicherheitspolitik verfolgen, an der es bis heute fehlt. Im Rahmen dessen muss auch geprüft werden, inwiefern die nachträgliche Gesichtserkennung auf Basis veröffentlichter und öffentlicher Quellen ein sinnvoller Beitrag zur Fahndung von Gefährder*innen und Terrorist*innen und bei staatsgefährdenden Straftaten sein kann…“
- „Anspruch und Wirklichkeit zusammenbringen – Abschiebungen und Überstellungen entschlossen durchführen: Es darf nicht länger hingenommen werden, dass sehr viele Menschen, die aufgrund vorliegender Voraussetzungen abgeschoben oder überstellt werden könnten, im Land bleiben…“
- „Das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) muss noch stärker als Frühwarnsystem agieren, um Gefährdungspotenziale zu erkennen, bevor Menschen zu Gefährder*innen werden. In diesem Zusammenhang muss auch die Zusammenarbeit zwischen Sicherheitsbehörden und Präventionsakteuren intensiviert werden.“
- „Polizeilichen Ermittler*innen ist es nur mit hohen Hürden gestattet, verdeckt in sozialen Netzwerken zu arbeiten. Diese Hürden wollen wir… senken.“
Herzlich willkommen im grün lackierten Überwachungsstaat!