Chemnitz: Stadtverwaltung, Polizei und Innenministerium weigern sich, Videoüberwachungskameras während Versammlungen abzuschalten

CCTV-NeinDanke/ August 20, 2021/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung/ 1Kommentare

Seit Oktober 2018 wird die Innenstadt von Chemnitz mit Kameras überwacht, wie aus einem Bericht des MDR vom 16.07.2021 hervorgeht. Insgesamt 31 Kameras überwachen eine Fläche von mehr als 35.000 Quadratmetern. Die Kameras entsprechen lt. Bericht des MDR dem Modell, dass auch in Frankfurt an der Hauptwache eingesetzt wird.

Videoüberwachungskameras der Polizei an der Hauptwache in Frankfurt

Bei Versammlungen (Kundgebungen / Demonstrationen) müssen diese Kameras lt. zwischenzeitlich rechtskräftig gewordenen Urteil des Verwaltungsgerichts Leipzig vom 15.07.2020 (Aktenzeichen: 1 K 737/19) abgeschaltet werden. Eigentlich. Nicht so in Chemnitz! Aus der Antwort des Sächsischen Innenministers auf eine Kleinen Anfrage der Grünen im Sächsischen Landtag geht hervor, dass zwischen Oktober 2020 und April 2021 bei keiner Versammlung die stationäre Videoüberwachung abgeschaltet wurde.

Zwei spezifische Umstände kommen hinzu:

  1. Die Videoüberwachungskameras in Chemnitz werden von der Stadtverwaltung gemeinsam mit zwei privatrechtlichen Unternehmen (Chemnitzer Verkehrs AG und der C³ Chemnitzer Veranstaltungszentren GmbH) und der Polizeidirektion Chemnitz betrieben. Die vier Kooperationspartner haben alle Zugriff auf die erhobenen Daten, so dass damit auch privatrechtliche Unternehmen Aufgaben im Bereich der öffentlichen Sicherheit übertragen werden. Nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 27.03.2019 ist aber die Bestimmung in § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG europarechtswidrig und im Ergebnis unanwendbar. Die Aufgabe, Videoüberwachung zum Schutz der öffentlichen Sicherheit zu betreiben, kann und darf nicht auf private Kamerabetreiber übertragen werden.
  2. Wg. des Urteils des Verwaltungsgerichts Leipzig weigert sich das Ordnungsamt in Leipzig, den zum Bundestag kandidierenden Parteien Informationsstände im videoüberwachten Bereich zu genehmigen. Denn diese gelten als Versammlungen. Was zur Folge hat, dass die Kameras in dem entsprechenden Bereich ausgeschaltet werden müssten. „Da die Videoüberwachung der Aufrechterhaltung der Öffentlichen Sicherheit und Ordnung im Stadtzentrum, erwiesenermaßen, immens dient, würde eine Abschaltung für einen Infostand im Unverhältnis dazu stehen“zitiert der MDR-Bericht aus einer E-Mail des Chemnitzer Ordnungsamtes. Dies stellt eine nicht hinnehmbare wesentliche Behinderung der politischen Willensbildungsprozesse vor allgemeinen Wahlen dar.

1 Kommentar

  1. „dass zwischen Oktober 2020 und April 2021 bei keiner Versammlung die stationäre Videoüberwachung abgeschaltet wurde.“

    Interessant wie wenig die Bereitschaft zur Vortäuschung von politischer Selbstbestimmung mittlerweile vorhanden ist. Es wird also schon ohne Vorwand auf Totalitarismus gesetzt.

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