Hessens Innenminister Beuth (CDU), die Grundrechte auf Versammlungs- und Meinungsfreiheit und die Videoüberwachung durch die Polizei
Innenminister werden häufig auch „Verfassungsminister“ genannt. Nicht weil Sie Dienstherr des Geheimdienstes mit dem irreführenden Namen Verfassungs“schutz“ sind. Sondern weil zu ihren Verpflichtungen auch der Schutz der Verfassung und der Grundrechte zählt. Zwei der Grundrechte sind das Recht, „... sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln“ (Art. 8 Abs. 1 Grundgesetz) und das damit verbundene Grundrecht auf Meinungsfreiheit (Art. 5 Abs. Grundgesetz).
Sind die Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit bedroht, wenn Versammlungen unter den Augen von stationären Videoüberwachungskameras der Polizei stattfinden müssen?
Ja! – stellte das Oberverwaltungsgerichts NRW 2020 in zwei Urteilen fest, die hier und hier in wesentlichen Auszügen bzw. im Wortlaut veröffentlicht sind. Die Polizeipräsidien Köln und Dortmund wurden darin verpflichtet,zum Schutz der Grundrechte auf Meinungs- und Versammlungsfreiheit während der Zeitdauer von Demonstrationen und Kundgebungen die stationären Videoüberwachungskameras der Polizei sichtbar abzudecken.
Die Urteile des Oberverwaltungsgerichts NRW haben auch Auswirkungen auf Hessen.
- In Wiesbaden hat das Polizeipräsidium Westhessen bei Kundgebungen der überwachungskritischen Gruppe Totalitarisbaden die Videoüberwachungskameras der Polizei sichtbar verhüllt.
Quelle: Totalitarisbaden (veröffentlicht am 26.06.2020)
- In Frankfurt teilt der Polizeipräsident der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main im Juli 2020 in einem Brief mit, dass die Urteile des Oberverwaltungsgerichts NRW vom März 2020 sind bekannt; bei der Modernisierung der polizeilichen Videoüberwachungsanlagen (Standorte: Konstablerwache und „Kaisersack“ am Hauptbahnhof) und bei der geplanten Neuinstallation von Polizeikameras an der Hauptwache sollen diese Urteile beachtet werden; eine entsprechende „technische Lösung“ sei in Arbeit und eine Beschilderung der Polizeikameras, vergleichbar der neuen Beschilderung in Köln, sei geplant.
Und was sagt Hessens Innen- und Verfassungsminister Peter Beuth (CDU) zu diesem Thema?
Befragt wurde er dazu vom Landtagsabgeordneten Torsten Felstehausen (Fraktion Die Linke):
- „Hält die Hessische Landesregierung die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 14. März 2020 für übertragbar auf Hessen, wonach die Polizei für die Dauer einer Versammlung alle fest installierten Videokameras am Versammlungsort abdecken müsse, weil das bloße Abschalten die möglicherweise einschüchternde und abschreckende Wirkung der Kameras nicht beseitige?“
- „Wird seitens der Polizei in Hessen die Entscheidung des OVG NRW bereits umgesetzt oder beabsichtigt die Hessische Landesregierung auf eine verwaltungsgerichtliche Entscheidung in Hessen zu warten?“
- „Welcher technische Aufwand muss bzw. müsste an den Standorten der Bildaufzeichnungsanlagen, die von Polizeibehörden bzw. Gefahrenabwehrbehörden zur Überwachung öffentlicher Straßen und Plätze gem. §14 Abs.3 HSOG betrieben werden, betrieben werden, um bei Demonstration für eine sichtbare Abdeckung der installierten Videokameras zu sorgen?“
Die Antworten (Landtagsdrucksache 20/3013) von Herrn Beuth auf diese drei Fragen sind aufschlussreich:
- Er vertieft sich wortreich in die unterschiedlichen landesgesetzlichen Regelungen zum Polizei- und zum Versammlungsrecht in NRW und in Hessen.
- Was er aber tunlichst vermeidet ist ein Bezug auf das Grundgesetz und die Grundrechte aus Art. 8 (Versammlungsfreiheit) und Art. 5 Grundgesetz (Meinungsfreiheit). Diese Begriffe sucht man in seinen Antworten vergeblich.
Sollte Herr Beuth darauf überprüft werden, ob er als Verfassungsminister geeignet ist die Grundrechte zu schützen, hätte er nach dieser Antwort die Note 6 (Ungenügend !) verdient.
Ganz anders ist sein Wirken zu bewerten, wenn es um seine schützende Hand über die Polizei und den Geheimdienst des Landes Hessen, das Landesamt für Verfassungs“schutz“ (LfV) geht. Hier hat Herr Beuth wiederholt (NSU, NSU 2.0, Mord an Walter Lübcke) bewiesen, dass er bereit ist, alle Hühneraugen zuzudrücken und Aufklärung von illegalem und halblegalen Handeln der „Sicherheitsorgane“ zu behindern.
Wärend in Frankfurt/Main über die Abschaltung/ Abdeckung von polizeilicher Videoüberwachung bei Versamlungen/ Demonstrationen diskutiert wird, vermissen die Kasseler Bürgerinnen und Bürger und auch bspw. die Besucherinnen und Besucher der Dokumenta-Stadt die Kennzeichnung/ Beschilderung der öffentlichen Videoüberwachung in der Nordhessen-Metropole.
Die Behörde des Hessischen Datenschutzbeauftragten, Ressort Dr. Ronellenfitsch, weigert sich bis heute diese Sache zu inspezieren. Korios: An manchen Standorten ist gar nicht klar, wer hier Überwacht. Bspw. im Bereich der Mauerstr. (gegenüber der Bushaltestelle): Polizei, Ordnungsamt oder KVG-Verkehrsgesellschaft??? Ganz grosses Stadt-Geheimnis!
Bürgerbeschwerden hierzu geht die oberste Datenschutzaufsichtsbehörde des Landes Hessen nicht nach. Auf dem gesammten Kasseler Königsplatz kein einziges Hinweisschild auf Videoüberwachung!
Nun soll, nach dem Willen des Kasseler Oberbürgermeiters, die Videoüberwachung in Kassel ausgebaut werden. Wird man dann auch weiterhin die gesetzliche Beschilderung zur Kasseler Videoüberwachung suchen müssen? Und hat man es hierbei auch weiterhin mit einem offensichtlichen Desinteresse des Hessischen Datenschutzbeauftragten zu tun, weil Kassel so weit weg ist und man ohnehin kein Personal hat?
https://netzpolitik.org/2017/kassel-treibt-videoueberwachung-trotz-ungeklaerter-rechtsgrundlage-voran/#vorschaltbanner
https://ks-watch.de/
Ich hätte gerne Aufkleber. Die Piraten hatten mal gute. Das hat geholfen.