„Wenn Beschäftigte der Polizei politisch motiviert personenbezogene Daten aus polizeilichen Informationssystemen entnehmen, ist das eine Straftat“
Mit diesen Worten kommentiert Maja Smoltczyk, Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, in einer Stellungnahme vom 06.02.2019 die Tatsache, dass „im Winter 2017… mehrere Berliner Einrichtungen der linksautonomen Szene Drohbriefe erhalten“ hatten, „die personenbezogene Daten von insgesamt 45 Personen enthielten. In den Briefen waren Lichtbilder und Informationen von 21 Personen enthalten, die augenscheinlich von Polizei- oder Justizbehörden stammten.“
Die Datenschutzbeauftragte beklagt, dass sie „im weiteren Verlauf der strafrechtlichen Ermittlungen… nur noch begrenzt Auskunft von der Berliner Polizei sowie der Staatsanwaltschaft Berlin“ erhielt. „Die Berliner Polizei legte darüber hinaus noch immer nicht dar, mit welchen organisatorischen Maßnahmen datenschutzrechtliche Verstöße dieserArt künftig verhindert werden sollen. Aufgrund mangelnder Kooperationsbereitschaft seitens der Polizei war es der Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit bisher nicht möglich, den Sachverhalt vollständig aufzuklären und auf unter Umständen notwendige strukturelle Änderungen bei der Polizei hinzuwirken.“
Aktueller Anlass für diese Stellungnahme: „In den vergangenen Tagen berichtete die Presse von wiederholten Drohbriefen an die NSU-Opfer-Anwältin Seda Başay-Yıldız„, die mutmaßlich von Beamt*innen der hessischen Polizei auf der Grundlage illegaler Zugriffe auf Datenbanken verfasst wurden.
Derartig klare Stellungnahmen wären auch aus dem Mundes des hessischen Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch wünschenswert.
Mir einer Petition unter dem Titel „Frankfurter Erklärung in Solidarität mit Betroffenen rechter, rassistischer & antisemitischer Gewalt„ wird gefordert:
- „Eine sofortige umfassende und transparente Aufklärung aller rechts, rassistisch und antisemitisch motivierter Gewalttaten in Hessen samt der Rolle von Polizei und Landesamt für Verfassungsschutz…
- Die Einrichtung einer unabhängigen Beschwerdestelle für polizeiliches Fehlverhalten. Diejenigen, die sich über polizeiliches Fehlverhalten, falsche Ermittlungen oder einen diskriminierenden Umgang mit Opfern von Straftaten beschweren wollen, müssen Zugang zu einer mit umfassenden Kompetenzen ausgestatteten Anlaufstelle haben können. Diese Anlaufstelle muss außerhalb der Polizeibehörden angesiedelt und unabhängig sein.“
Die Strafverteidigervereinigung NRW e.V. hat mit klaren Worten zu dem Frankfurter Polizeiskandal Stellung genommen:
Wenn die Verantwortlichen für die Drohungen Polizisten sein sollten, hat unser Rechtsstaat ein gewaltiges Problem. Dann sitzen die Feinde unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung an den Hebeln des Gewaltmonopols des Staates, verfügen über umfangreiche Eingriffsbefugnisse sowie Überwachungsbefugnisse und scheren sich einen Dreck um Gesetze. Nämlich die Gesetze, die sie in ihrem Handeln binden sollen. Dann muss uns Angst und Bange werden um unsere Grundrechte und unsere Freiheit. Die Tatsache, dass die Verantwortlichen bislang nicht ermittelt werden konnten, mag daran liegen, dass gerade die Täter die Ermittlungsmethoden besonders gut kennen und sich Ermittlungserfolgen entziehen können. Nicht die Arbeit einer Rechtsanwältin, die vor Gericht durchsetzt, dass ihrem Mandanten das ihm zustehende Recht nicht verweigert wird, sondern Vorgänge wie diese bedrohen die Grundlage unserer Gesellschaft. Vielleicht haben die zuständigen Innenminister viel zu lange die Augen verschlossen vor dem Problem von Polizeibediensteten, die nicht (mehr) auf dem Boden unseres Grundgesetzes stehen. Die gibt es. An mehreren Orten in Deutschland. Vielleicht wäre es jetzt an der Zeit die Blanko-Schecks der Solidaritätserklärungen gegenüber PolizistInnen zu reduzieren und sich zu besinnen, was den Rechtsstaat ausmacht: Gewaltenteilung, Kontrolle der Macht, Schutz des Einzelnen vor Machtübergriffen und Umsetzung und Garantie des Primat des Rechts.
Dann könnte die Kollegin Basay-Yildiz mit ihrer Familie wieder in Ruhe und Frieden leben.
https://www.strafverteidigervereinigung-nrw.de/presseerklaerung/?fbclid=IwAR33vVAXJbnTplrabPiJ2Vk38m-RvBaojL0wOUXSBOPle4R4hdZSI0A_gCY
Zitat: “Derartig klare Stellungnahmen wären auch aus dem Mundes des hessischen Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch wünschenswert.“
Dieser Aussage kann ich nur zustimmen. Die BürgerrechtlerInnen in Kassel waren seinerzeit sehr enttäuscht über das offensichtliche Desinteresse des Landesbeauftragten f. Datenschutz (LfD) in Hessen, der Behörde Ronellenfitsch, an der mangelnden – teils gänzlich fehlenden – Beschilderung/ Kennzeichnung zur öffentlichen Videoüberwachung in der Kasseler Innenstadt.
https://www.ks-watch.de/uploads/BeschilderungHeDaB.pdf
Der LfD Hessen zählt zum Kreis der “polizeiunkritischen“ Datenschutzbeauftragten, welche beispielsweise alle Verschärfungen der jeweiligen Polizeiaufgabengesetzen (PAG) – ohne Murren – mitgetragen haben bzw. zum aktuellen Entwicklungsprozess der neuen PAG’s in ihrem Zuständigkeitsbereich (Bundesland) einfach schweigen. Dies betrifft vor allem den Süden und den Osten der Bundesrepublik.
Zur umstrittenen polizeilichen Analysesoftware “Hessendata“ (Produkt “Gotham“ der US-Firma Palantir) war zu lesen: “(…) Frankfurts Polizeipräsident Gerhard Bereswill sagt, der hessische Datenschutzbeauftragte habe alles abgesegnet. (…) (“Gotham am Main“, Süddeutsche Zeitung, 18.10.18)
Was für ein Lob, an den LfD Hessen seitens der Polizei!
Das es auch anders geht zeigen Ronellenfitschs KolegInnen aus Niedersachsen (Barbara Thiel) und Hamburg (Johannes Caspar) die sich noch trauen, die Polizei öffentlich zu kritisieren:
„Unter dem Deckmantel, den internationalen Terrorismus zu bekämpfen, beschneiden die vorgeschlagenen Regelungen die Freiheitsrechte der Bürgerinnen und Bürger bis zur Unkenntlichkeit“, urteilte Thiel letztes Jahr über die Verschärfung des niedersächsischen Polizeiaufgabengesetzes. (“Datenschutzbeauftragte hält Polizeigesetz für gefährlich“, Hannoversche Allgemeine, 12.08.18)
http://www.haz.de/Nachrichten/Politik/Niedersachsen/Niedersachsen-Datenschuetzer-haelt-Polizeigesetz-fuer-gefaehrlich