„Trau, schau, wem?“ – Videoüberwachung in der Behördenstatistik

Datenschutzrheinmain/ September 9, 2013/ alle Beiträge, Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung/ 0Kommentare

„Ich traue keiner Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“; dieser Satz wird – vermutlich zu Unrecht – dem früheren britischen Premierminister Winston Churchill zugeschrieben. Dieser Satz drängt sich aber geradezu auf, wenn man Berichte von 2 Landesdatenschutzbehörden (Bayern und Niedersachsen) nebeneinander legt.

Bayern: Größerer Missbrauch von Videoüberwachung „nicht feststellbar“

Der Bayrische Rundfunk berichtete vor wenigen Tagen: „Bei der bayernweit gängigen Videoüberwachung in Einzelhandelsgeschäften konnten bei Stichproben in der Münchner Fußgängerzone nur geringfügige Datenschutzverstöße festgestellt werden. Dies ergab eine Überprüfung durch das für den öffentlichen Raum zuständige bayerische Landesamt für Datenschutzaufsicht, die am 3.09.13 in München vorgestellt wurde. Die Kontrollen wurden aber nach Voranmeldung und in über 85 Prozent der Fälle nicht persönlich sondern nur schriftlich durchgeführt. Per Fragebogen und anhand von den Geschäften eingesandter Bilder kontrollierten die Datenschützer die Zulässigkeit der Videoüberwachung in 27 Läden der Münchner Fußgängerzone. Größeren Missbrauch konnten sie dabei nicht feststellen. Moniert wurden in Einzelfällen nur fehlende Hinweisschilder, Kameras, die auf die Straße hinausfilmten und eine zu lange Speicherung der Überwachungsaufnahmen. Persönlich waren die Datenschützer nur in vier Geschäften, beim Rest vertrauten sie den schriftlichen Angaben der Ladenbesitzer, so Thomas Kranig vom Landesamt für Datenschutzaufsicht. Er räumte zwar ein, dass die Position und damit der Überwachungsbereich der Kameras, die den Datenschützern gemeldet wurden, natürlich jederzeit wieder so verändert werden könne, dass auch unzulässige Bereiche wie Umkleidekabinen oder deren Vorräume erfasst werden, aber die Datenschützer hätten keinen Anlass gesehen, die Glaubwürdigkeit der von den Geschäften übermittelten Angaben anzuzweifeln.“

Die Quelle dieser beruhigenden (?) Auskunft: http://www.br.de/nachrichten/oberbayern/videoueberwachung-muenchen-landesamt-100.html

Niedersachsen:99 Prozent von 3.345 überprüften Geräten weisen Mängel auf

„…denn sie wissen nicht, was sie tun“. Dieser Satz scheint zumindest auf die Behörden und Kommunen in Niedersachsen bei dem Betrieb von Videokameras zuzutreffen. Dies beweist die Untersuchung des Niedersächsischen  Landesbeauftragten für den Datenschutz (LfD).  Dieser hat in der Zeit von Dezember 2008 bis März 2010 einen Großteil der von Behörden und Kommunen eingesetzten Kameras überprüft. Mit einem erschreckenden Ergebnis: 99 Prozent von 3.345 überprüften Geräten weisen Mängel auf. Nicht nur

  • das Fehlen von Hinweisschildern,
  • die fehlende Durchführung von Vorabkontrollen oder
  • die fehlende Erstellung von Verfahrensbeschreibungen

führen zu diesem Ergebnis. Schlimmer noch sind die offensichtlichen Grundrechtsverstöße der öffentlichen Stellen.

  • So erlaubte laut Untersuchung des LfD eine Vielzahl von Kameras den Blick in Wohnungen, Seniorenheime, Arztpraxen oder Krankenhäuser, aber auch in Umkleidekabinen oder Toilettenräume von JVA-Insassen.
  • Auf zahlreiche Polizeikameras hatten auch andere Behörden und Firmen Zugriff, die mitunter Kamerabilder sogar ins Internet stellen konnten.
  • Die Speicherdauer der Aufzeichnungen betrug bis zu sechs Monate.
  • Behördenmitarbeiter konnten unter anderem in Raucherecken beobachtet werden.
  • Einige Kameras und Aufzeichnungsgeräte waren ohne Probleme für Unbefugte zugänglich und leicht manipulierbar.

Das Resümee des Niedersächsischen  Landesbeauftragten für den Datenschutz ist eindeutig: “Den Bürgern wird vom Staat strikte Gesetzestreue abverlangt, und Fehlverhalten wird rigoros geahndet (…). Deshalb können die Bürger erwarten, dass staatliche Stellen sich ebenfalls ohne Wenn und Aber an die Gesetze halten.”

Quelle: http://www.datenschutz.de/news/alle/detail/?nid=4236. Dort sind weitere erschreckende Einzelheiten nachlesbar…

Das Fazit:

  • Entweder ist das Verhalten der Münchner Einzelhändler gesetzeskonformer als das der niedersächsischen Behördenchefs (eine grauenvolle Vorstellung)
  • oder es gelingt nicht allen behördlichen Datenschützern, ihrem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden.

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