43. Tätigkeitsbericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten mit Stellungnahme zur Beschwerde der Datenschützer Rhein Main über ausufernde Videoüberwachung in Frankfurt
Im 43. Tätigkeitsbericht des Hess. Datenschutzbeauftragten für 2014 ist auch das Thema Videoüberwachung präsent. Im Abschnitt „5.2.1 Videoüberwachung nach Bundesdatenschutzgesetz“ werden umfangreich die Rechtsgrundlagen für Videoüberwachung dargestellt. Im Abschnitt „5.2.1.6 Videoüberwachung in Frankfurt am Main“ geht der Bericht dann auf eine Eingabe der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main vom 26.05.2014 ein. Darin sind in tabellarischer Form 369 Standorte von Videokameras im Stadtgebiet Frankfurt am Main aufgelistet, bei denen begründet vermutet werden kann, dass sie öffentlichen Raum beobachten.
Die Gruppe schrieb in ihrer Eingabe: „Insgesamt haben wir an diesen Standorten mehr als 820 Kameras gezählt, deren Blick auch auf den öffentlichen Straßenraum gerichtet ist. Nach unseren Erkenntnissen wird an der übergroßen Zahl von uns festgestellten Standorte (ca. 330) durch private Haus- und GrundstücksbesitzerInnen sowie Ärzte, Apotheken, Banken, Dienstleistungsunternehmen, Gaststätten, Handwerksbetriebe, Industrieunternehmen u. a. m. betrieben. Bei etwa 35 Standorten handelt es sich nach unseren Erkenntnissen um öffentliche Einrichtungen bzw. Dienststellen … Auch ausländische Dienststellen in Frankfurt beobachten ungeniert den öffentlichen Straßenraum; darunter die Europäische Zentralbank an ihrem derzeitigen Sitz in der Frankfurter Innenstadt und an der Baustelle des neuen Gebäudes im Ostend. Feststellen mussten wir, dass auch mindestens die Konsulate von Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Irak, Russland und USA von ihren Grundstücken aus den umliegenden öffentlichen Straßenraum beobachten.“
Im 43. Tätigkeitsbericht des Hess. Datenschutzbeauftragten wird über den Bearbeitungsstand der Eingabe wie folgt informiert: „… Ich habe umgehend damit begonnen, gegen die verantwortlichen Stellen jeweils ein aufsichtsbehördliches Prüfungsverfahren einzuleiten. Dies stellt sich jedoch mitunter als sehr schwierig dar, da allein bei 93 Positionen Angaben zur speichernden Stelle fehlen, bei 192 Positionen zur speichernden Stelle nur Vermutungen geäußert werden und auch die beigefügten Bilder keine Rückschlüsse auf Kameraausrichtung und Umgebung zulassen, da lediglich die Überwachungskameras selbst auf den Bildern zu sehen sind. Daher muss von meiner Seite aus zunächst bei Einwohnermeldeämtern, den Kataster- oder Gewerbeämtern die speichernde Stelle recherchiert werden, welche in vielen Fällen, gerade in der Frankfurter Innenstadt, nicht mit dem Grundstückseigentümer identisch ist. In den bislang eingeleiteten Verfahren konnte jedoch in nicht wenigen Fällen festgestellt werden, dass Überwachungskameras öffentlichen Bereich gerade nicht erfassen und auch der Einstell- beziehungsweise Neigungswinkel dieser Überwachungskameras datenschutzrechtlich zulässig gewählt wurde. In den übrigen Fällen konnte bislang in Zusammenarbeit mit den speichernden Stellen eine datenschutzkonforme Lösung gefunden werden.“
Diese Darstellung kann- bezogen auf die beiden letzten der zitierten Sätze – nicht unwidersprochen bleiben!
Zunächst ist festzustellen, dass von den ca. 330 Standorten von privaten Kamerabetreibern nach Rückmeldung des Hess. Datenschutzbeauftragten an die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main nach 15 Monaten erst 36 abschließend bearbeitet und überprüft wurden. Bei diesem Bearbeitungstempo muss damit gerechnet werden, dass die letzte dieser Beschwerden erst im Jahre 2024 abgearbeitet sein wird.
Aus den Stellungnahmen die der Gruppe vorliegen geht hervor, dass die Beschwerden in mehr als der Hälfte der bisher überprüften Beschwerden berechtigt waren und Änderungen bei den Kameraanlage bzw. den Abbau von Kameras zur Folge hatten.
Nachfolgend sind die Standorte von Kameras benannt, bei denen die Beschwerde Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main der zu Änderungen an der jeweiligen Überwachungsanlage geführt hat:
- Baseler Straße 10: „… hat der Kamerabetreiber datenschutzrechtlich bedenkliche Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet… Im Fokus stehen nun ausschließlich vom Hausrecht umfasste Bereiche sowie die Außenhaut des Gebäudes…“
- Eckenheimer Landstr. 100 (Firma Merz Pharma): „… hat der Kamerabetreiber die Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet… Öffentlicher Bereich steht nun nicht mehr im Fokus der Kameras, sondern ausschließlich vom Hausrecht… gedeckte Bereiche.“
- Filialen der Commerzbank in Frankfurt: „… hat der Kamerabetreiber die Kameras entfernt / datenschutzkonform neu ausgerichtet… Im Fokus der Kameras steht nunmehr ausschließlich vom Hausrecht umfasster Bereich…“
- Goethestr. 9 (Juwelier Friedrich): „… hat der Kamerabetreiber die Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet…“
- Grusonstr. 2 (Firma Globetrotter): „Das Verfahren wird federführend von den Kollegen in Hamburg geführt, bis zur endgültigen Klärung der Un- bzw. Zulässigkeit der Videoüberwachung hat die Datenschutzbeauftragte des Unternehmens mitgeteilt, dass aktuell zumindest keine Aufnahmen und Speicherungen mehr erfolgen. Nichtsdestotrotz habe ich den Kollegen in Hamburg mitgeteilt, dass das Ziel nur der Abbau der Kameras in der derzeitigen Position sein kann.“
- Kaiserstr. 1 (Juwelier Bucherer): „… hat der Kamerabetreiber die Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet und mit entsprechenden Blenden versehen…“
- Kruppstr. 121-127 (Firma Equinix): „…fand eine Prüfung der Videoüberwachungsanlage auf dem Gelände… statt. Hierbei wurde insb. die Problematik hinsichtlich der sog. ‚Dome-Kameras‘ erörtert. Da diese Kameras – sofern sie am Gebäude entlang der Straßen bzw. Gehwege installiert sind – datenschutzrechtlichen Bedenken begegnen, wurde der Kamerabetreiber nochmals ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber erklärt, einen datenschutzkonformen Zustand möglichst zeitnah herzustellen. Um jedoch mit sofortiger Wirkung ein Mindestmaß an Datenschutz zu gewährleisten, wurden öffentliche Bereiche, sofern dies nicht schon der Fall war, geschwärzt. Hiervon habe ich mich an Ort und Stelle zusammen mit einem Kollegen überzeugen können…“ „… hat der Kamerabetreiber einige Kameras entfernt, sowie datenschutzrechtlich bedenkliche Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet…“
- Leipziger Str. 8: „…In einem aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren habe ich den Kamerabetreiber ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber die Kameras entfernt…“
- Mainzer Landstr. 65: „… In einem aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren habe ich den Kamerabetreiber ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber die Kamera entfernt…“
- Mainzer Landstr. 69 – 71: „… Aufgrund der Tatsache, dass die beiden Kameras in der Hofeinfahrt in Richtung des Gebäudeinneren angebracht sind, lag zu keiner Zeit ein Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen vor. Nichtsdestotrotz hat der Kamerabetreiber auf mein Anraten hin die Kameraüberwachung durch das Anbringen von Sichtblenden für Bereiche, die nicht überwacht werden dürfen, datenschutzkonform neu ausgerichtet…“
- Mainzer Landstr. 73: „… In einem aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren habe ich den Kamerabetreiber ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber die Kameraüberwachung durch das Anbringen von Sichtblenden für Bereiche, die nicht überwacht werden dürfen, datenschutzkonform neu ausgerichtet…“
- Marburger Str. 28: „… In einem aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren habe ich den Kamerabetreiber ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber die Kamera entfernt.“
- Opernplatz 1 (Alte Oper): „…In einem aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren habe ich den Kamerabetreiber u.a. während einer Prüfung vor Ort ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber die Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet, mit Sichtblenden versehen und dies schriftlich unter Beifügung entsprechender Lichtbilder nachgewiesen…“
- Osloer Straße (Kap Europa – Kongresszentrum der Messe GmbH): „… konnte der Kamerabetreiber im Rahmen eines bereits anhängigen Verfahrens ausfindig gemacht werden. In einem aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren habe ich den Kamerabetreiber ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber die Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet bzw. mit entsprechenden Blenden versehen, sodass nur noch vom Hausrecht umfasster Bereich im Fokus der Kameras steht… Sämtliche Maßnahmen, welche ich im Rahmen einer Prüfung vor Ort gefordert habe, wurden umgesetzt…“
- Schloßstr. 126: „…wurde festgestellt, dass es sich bei der streitgegenständlichen Kamera um eine Kameraattrappe handelt, welche entlang der Hausfassade ausgerichtet und auch vom Neigungswinkel her nicht geeignet ist, öffentlichen Bereich i.S.d. § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) zu erfassen. Ein Verstoß gegen Bestimmungen des BDSG liegt somit nicht vor, da das BDSG auf Kameraattrappen keine Anwendung findet (vgl. u.a. VG Darmstadt (Beschluss v. 23.01.2015, Az. 5 K 918/14.DA), da personenbezogene Daten i.S.d. § 1 Abs. 1 BDSG mit einer Kameraattrappe weder erhoben, verarbeitet noch einer anderweitigen Nutzung zugeführt werden können, vgl. Simitis, BDSG, § 6b, Rn. 28, 41…“
- Theodor-Heuss-Allee 2: „… hat der Kamerabetreiber die Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet, mit Blenden versehen…“
- Theodor-Heuss-Allee 112: „… Im Rahmen eines aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahrens gegen den/die Kamerabetreiber/in wurde festgestellt, dass die Kamera(s) auf meine Anordnung hin nun ausschließlich vom Hausrecht umfassten Bereich erfassen und öffentlicher Bereich i.S.d. § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) nicht mehr im Fokus der Kamera(s) steht. Streitgegenständliche Dome-Kameras wurden entfernt und durch Stabkameras ersetzt, deren Fokus auf vom Hausrecht umfassten Bereich liegt…“
- Uni-Campus Westend: „… In einem aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren habe ich den Kamerabetreiber ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber die Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet und dies schriftlich unter Beifügung eines entsprechenden Lichtbildes nachgewiesen. Im Fokus der Kameras steht nunmehr ausschließlich vom Hausrecht umfasster Bereich i.S.d. § 6b Abs. 1 Nr. 2 BDSG…“
- Untermainkai 68 – 74: „… hat der Kamerabetreiber die datenschutzrechtlich bedenklichen Kamera teilweise entfernt und teilweise datenschutzkonform neu ausgerichtet… Der Hinweispflicht nach § 6b Abs. 2 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wurde nachgekommen…“
- Wiesenhüttenstr. 10: „… hat der Kamerabetreiber die Kameras, welche öffentlichen Bereich i.S.d. § 6b Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) erfassen konnten, datenschutzkonform neu ausgerichtet…“
- Wilhelm-Leuschner-Str. 69 – 77 (Tiefgarage): „… In einem aufsichtsbehördlichen Kontrollverfahren habe ich den Kamerabetreiber ausdrücklich auf die Rechtslage und etwaige Konsequenzen bei deren Nichtbefolgung hingewiesen. Daraufhin hat der Kamerabetreiber die Kamera entfernt…“
Die Utopie hat jetzt begonnen | Persönliche Freiheiten in größter Gefahr
Die steigende Zahl der Komponenten, die den öffentlichen Raum überwachen können , folgt einer
exponentiellen Entwicklung (EE). Die EE basiert auf zwei Faktoren: 1. globale Produktion der Überwachungskomponenten in milliardenfacher Anzahl unterliegen keiner Regulierung 2. die Verkleinerung und Verbilligung der Überwachungskomponenten erhöht den Grad der Integration in die öffentliche Infrastruktur. Verkleinerung der Komponenten bis in den Nanobereich hinein bedeuten dabei nicht Vereinfachung, das Gegenteil ist der Fall, die Komplexität der Komponenten nimmt rapide zu. In der Informatik und Elektronik existieren für jede dieser Komponenten hunderte bis tausende DINA4 Seiten an technischen Dokumentationen. Es existiert kein Konzept für ein Informations-Management der Komponenten privater und öffentlicher Betreiber. Kein Wunder dass die Behörden vollkommen überfordert sind und das Bearbeitungstempo nicht ausreicht. Die automatisierte Integration der beteiligten Microchips, als Grundlage aller Technikkomponenten, erfolgt zunehmend in automatisiert-industrieller Form in alle unsere Lebensbereiche, hinein in unsere Kleider und unsere Körper. Die Leistung der Microchips unterliegt einer zyklischen Verdopplung ihrer Leistungsfähigkeit und die Verkleinerung, also die Größen der Komponenten verringert sich ebenfalls stetig. Es ist also keine Utopie mehr davon auszugehen, dass eine weitere Verkleinerung in den Millimeter-Bereich und in den Nanometer-Bereich (Millionster Teil eines Millimeters) dazu führt, dass wir mit elektronisch-digitalen Technikkomponenten überflutet werden. Da jeder dieser Komponenten die Fähigkeiten der Onlineanbindung und der Datenverarbeitung in die Cloud besitzt, bildet die Summe der Komponenten ein globales Überwachungssystem in einer nicht vorstellbaren Dimension. Hinzu kommen die Sensoren und Aktuatoren. Sensoren können Strahlung und Gase, Bewegungen, Wärmeentwicklungen und viele andere natürlichen und künstlichen Ereignisse erfassen. Aktuatoren können dann anhand der sensorischen Daten bestimmte Aktionen auslösen, wie z.B. ein heruntergehende Schranke an einem Wegübergang auslösen oder auch Drohnen zur weiteren Aufklärung starten. Damit wird das freie Verhalten von Menschen zunehmend reguliert und manipuliert. Wegen der exponentiellen Entwicklung ist der Glaube an eine funktionierende Regulierung durch Menschen eine pure Illusion. Das heißt das die Behörden auf verlorenem Posten stehen. In wenigen Jahren kann nichts mehr manuell erfasst und kontrolliert werden. Wenn 1 Milliarde Überwachungskomponenten alleine in Frankfurt aktiv sind, kann keine Behörde der Welt mehr in dieser Richtung aktiv werden. Die Konsequenz aus dieser Entwicklung ist das Freiheit, Selbstbestimmung und Demokratie zur Farce werden. Die letztendliche Konsequenz, die gezogen werden muss, bleibt unrealistisch: In jede industriell produzierte Technikkomponenten müsste über integrierte Sonderfunktionen, Moral, Ethik und Demokratie erhalten und gefördert werden.
Das heißt z.B., dass die in der Industrie eingebaute Onlineanbindung ausgeschaltet bleibt, solange keine Freigabe der Gemeinschaft oder der Individuen erfolgt die davon betroffen ist. Oder ein noch besseres Beispiel: Im Falle der Überwachungskameras in Frankfurt können die Bürger selbst über den direkten Online-Zugriff auf diese Kameras die Richtung ändern! Dass wäre gelebte Demokratie!