Zuverlässigkeitsprüfung mit unzuverlässigen Daten?

Schuetze/ Juli 7, 2022/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz, Polizei und Geheimdienste (BRD)/ 0Kommentare

Zu Artikel 2 des Gesetzentwurfs „Änderung des Hessischen Gesetzes über die öffentliche Sicherheit und Ordnung“ vom 22.03.2022

Es geht um den Abgleich von Bewerberdaten zwischen den hessischen Polizei­behörden und dem hessischen Landesamt für Verfassungsschutz aufgrund einer Einwilligung; hier im Rahmen des § 13a HSOG.

Der Gesetzesentwurf (LT-Drucksache 20/81291 vom 22.03.2022) sieht vor, dass der Abgleich zwischen den hessischen Polizeibehörden und dem hessischen Landesamt für Verfassungsschutz statt wie bisher aufgrund einer Erforderlichkeitsprüfung erfolgt, nunmehr zur Regelabfrage werden soll, wenn der Bewerber eine Stelle im polizeilichen Vollzugs­dienst anstrebt.

A. Grundsätzliches zur Einwilligung im Beschäftigtenverhältnis und als Bewerber

  1. Es ist Allgemeingut, dass Einwilligungen im Beschäftigtenverhältnis zumeist ins Leere gehen, weil die Freiwilligkeit dieser Erklärung durch das Über-/ Unter­ordnungsverhältnis zwischen Arbeitgeber und Beschäftigtem so sehr gestört ist, dass von einer freien Entscheidung des Beschäftigten nicht auszugehen ist. Fehlt aber die Freiwilligkeit, ist die Einwilligung rechtsunwirksam.
  2. Diese Regel vor Augen hat der hessische Gesetzgeber den § 23 HDSIG ge­schaffen, der nur unter besonderen Ausnahme-Bedingungen eine Einwilligung im Beschäftigtenverhältnis anerkennt, sonst aber von deren Rechtsunwirksamkeit regelmäßig ausgeht.
  3. Der Druck, der bei Beschäftigten von dem Über-/ Unterordnungsverhältnis aus­gelöst wird, ist bei Bewerbern umso größer. Geht es bei den Beschäftigten noch um die Sorge, Nachteile zu vermeiden, geht es beim Bewerber um alles. Die Stelle, die dem Bewerber eine Existenz-grundlage schaffen will. Der Bewerber setzt die Einstellung nicht aufs Spiel wegen einer „Formalie“ wie eine datenschutzrechtliche Einwilligung. Daher kann hier noch weniger von einer freiwilligen Erklärung ausgegangen werden. Bei Bewerbern ist daher von einer Regel-Unwirksamkeit solcher Erklärungen auszugehen.
  4. Auch der § 23 HDSIG kennt keinerlei Ausnahme für Bewerber, die eine recht­mäßige Einwilligung anerkennen würde.
  5. In einem Beratungsfall wurde dem Bewerber ein Formular nach § 13a HSOG vorgelegt mit dem Hinweis, das sei nur eine „Formsache“. In diesem Fall wird es dann zusätzlich zur Freiwilligkeit auch ein einer hinreichenden Information, was eine solche Einwilligung zur Folge haben kann, mangeln. Es ist besorgniserregend, wenn das gängige Verwaltungspraxis hessischer Kommunen ist.

B. Abgleich von Daten zwischen Polizeibehörden und dem Landesamt für Verfassungsschutz

  1. Die Datensammlungen des LA für Verfassungsschutz umfassen auch laufende straf­rechtliche Ermittlungsverfahren (vielleicht auch solche zu Ordnungswidrigkeiten). Für die Aufgabenstellung des LA für Verfassungsschutz mag das auch einen Sinn ergeben, z.B. für den Ansatz, auch welche Art eine Person zu beobachten ist.
  2. Dies hebt aber nicht die verfassungsmäßig garantierte Unschuldsvermutung für jede Bürgerin und für jeden Bürger auf. Genau deshalb, dürfen solche Infor­mationen nicht in Bewerbungs-verfahren für Stellen im öffentlichen Dienst, auch nicht im Vollzugsdienst, einfließen.
  3. Immer wieder werden auch strafrechtliche Vorwürfe zu Unrecht erhoben. Sie landen dennoch in den Datenbeständen des LA für Verfassungsschutz Die nach­teiligen Auswirkungen für Betroffene sind bei der Arbeit des LA für Verfassungs­schutz vergleichs­weise gering, weil es dem Amt an Vollzugsbefugnissen fehlt.
    Geraten solche Falschmeldungen aber in laufende Bewerbungsverfahren, kann das zu einem faktischen Berufsverbot für die Bewerber führen. In Beratungen trat ein Fall zutage, bei dem der Bewerber in gutem Glauben an die gesetzeskonforme Vorgehensweise hessischer Kommunal­behörden eine Einwilligung nach § 13a HSOG unterschrieben hat und trotz hervorragender Qualifikationen eine Ablehnung nach der anderen kassiert.
  4. Dies stellt den Datenabgleich zwischen Polizeibehörden und dem LA für Verfassungsschutz ganz grundsätzlich infrage.

C. Folgen, Forderungen

  • Der § 13a HSOG ist vollständig zu streichen, weil eine freiwillige Einwilligung bei einem Bewerber in den allermeisten Fällen nicht zu erwarten ist (siehe A. 3.)
  • Bleibt der § 13a HSOG, ist das Heranziehen von Informationen des LA Verfassungs­schutz zu streichen. Die Zuverlässigkeit solcher Informationen kann ganz grund­sätzlich infrage gestellt werden (siehe B. 3.). Die verfassungsmäßig gebotene Trennung von Verfassungsschutz und Polizei darf darüber hinaus durch zweifelhafte Einwil­ligungen nicht unterlaufen werden.
  • Auf keinen Fall darf aber dieser Abgleich über eine Erforderlichkeit im Einzelfall hinaus zur Regelabfrage werden, wie hier im Gesetzesentwurf vorgesehen.

von Roland Schäfer


Nachtrag vom 11.07.2022

Vorbereitend zu der Anhörung im Innenausschuss des Hessischen Landtages am 15.7.2022  hat nun auch der Hessische Landesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit die Regelung des § 13 a HSOG kritisch beleuchtet. Seine Stellungnahme ist hier zu finden.

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