Videoüberwachung: Die „24-Stunden Film-Attacke“

Datenschutzrheinmain/ Juni 24, 2015/ alle Beiträge, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 0 comments

extrat-tippSo die Überschrift im Anzeigenblatt Rhein Main EXTRA TIPP vom 21.06.2015 (dort auf Seite 5). Anschaulich und lebendig wird geschildert, wie und wo ein Offenbacher , in das Visier von Überwachungskameras gerät. Dabei kommen auch Betreiber von Videoüberwachungsanlagen zu Wort, deren Aussagen vermuten lassen, dass Ihnen die Rechtsgrundlagen für Videoüberwachung nicht oder nur rudimentär bekannt sind.

Ein Restaurantbesitzer, der im Innenraum seines Lokals 3 Kameras installiert hat: „Man weiß nie, wofür das gut sein kann. Passiert ist zum Glück noch nichts. Wir mussten die Aufzeichungen noch nie auswerten. Aber man fühlt sich einfach sicherer, wenn man mal kurz den Raum verlassen muss.“ Der Pressesprecher der Stadt Offenbach über Kameras in einem Naherholungsgebiet: „Wir haben hier Kameras installiert. Der Grund ist zum einen, dass wir gerade am Wochenende eine hohe Besucherzahl haben und oft sehr viel Müll da gelassen wird. Und zum anderen erleben wir viele Sachbeschädigungen.“ Beide scheinen nicht zu wissen, dass das deutsche Datenschutzrecht in Sachen Videoüberwachung längst nicht alles zulässt, was technisch und finanziell möglich ist.

Für Videoüberwachung (soweit sie nicht durch die Polizei oder andere Sicherheitsbehörden erfolgt), ist zentrale Rechtsgrundlage das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und hier insbesondere § 6b BDSG. Die entscheidenden Regelungen:
„(1) Die Beobachtung öffentlich zugänglicher Räume mit optisch-elektronischen Einrichtungen (Videoüberwachung) ist nur zulässig, soweit sie
1. zur Aufgabenerfüllung öffentlicher Stellen,
2. zur Wahrnehmung des Hausrechts oder
3. zur Wahrnehmung berechtigter Interessen für konkret festgelegte Zwecke
erforderlich ist und keine Anhaltspunkte bestehen, dass schutzwürdige Interessen der Betroffenen überwiegen.
(2) Der Umstand der Beobachtung und die verantwortliche Stelle sind durch geeignete Maßnahmen erkennbar zu machen.“

Übersetzt in Alltagsdeutsch heißt das:

  • Nur für die drei im Gesetz genannten Zwecke darf Videoüberwachung eingesetzt werden;
  • sie muss zudem erforderlich sein (und nicht nur hilfreich oder wünschenswert), um einen oder mehrere der genannten Zwecke zu erreichen;
  • vor Installation einer oder mehrerer Kameras muss eine Interessenabwägung mit den „schutzwürdige(n) Interessen der Betroffenen“ (d. h. der überwachten Personen) stattfinden;
  • in einem Verfahrensverzeichnis muss diese Interessenabwägung mit ihrem Ergebnis dokumentiert werden und
  • auf den Umstand der Videoüberwachung und auf den Betreiber der Anlage muss so hingewiesen werden, dass es noch möglich ist, den überwachten Bereich zu meiden.

Den Datenschutzbeauftragten der Länder, denen die Datenschutzaufsicht im Privatbereich und bei Behörden und Einrichtungen der Länder und der Kommunen übertragen ist, ist die zunehmende (und häufig rechtswidrige) Videoüberwachung öffentlicher Räume ein Dorn im Auge.

Der hessische Datenschutzbeauftragte Prof. Dr. Michael Ronellenfitsch bezeichnete bei der Präsentation seines Tätigkeitsberichts für 2013 die Zunahme von Videoüberwachung im öffentlichen Straßenraum als „Dauerbrenner“ und „Sorgenkind“. In Bäckereien, Friseursalons, Kindergärten und Schulen, Sauna- und Umkleidebereichen, Stadthallen, denkmalgeschützten Einrichtungen und sogar im Wald würden immer mehr elektronische Augen installiert, stellte er fest. Ronellenfitsch hat eine „pathologische Neigung“ ausgemacht, nicht nur das persönliche Eigentum schützen, sondern auch den Nachbarn bespitzeln zu wollen. Zudem beklagte er, dass es der Landesgesetzgeber bisher versäumt habe, in das hessischen Datenschutzrecht eine Regelung aufzunehmen, wie öffentliche Stellen mit Hilfe von Videoüberwachung ihr Hausrecht ausüben können und wo Grenzen der Videoüberwachung nicht überschritten werden dürfen.

Der Landesbeauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit in NRW, Ulrich Lepper, stellt fest, dass nach seinen Beobachtungen „…immer mehr Videoüberwachung eingesetzt (wird). Das macht mir Sorgen. Wir müssen vermeiden, dass wir zu einer Gesellschaft werden, in der die Menschen sich gegenseitig überwachen. Schließlich geht es um unsere Freiheit…“ Er hat deshalb zu diesem Thema eine Informationsbroschüre veröffentlich, die auch für datenschutzrechtliche Laien gut und verständlich lesbar ist. Sein Motiv: „Videotechnik wird häufig verwandt, ohne dass die rechtlichen Voraussetzungen geprüft oder überhaupt bekannt sind. Das möchte ich ändern.“ Lepper benennt einen zentralen Maßstab: Wenn Personen zu erkennen sind, darf Videotechnik nur unter engen Voraussetzungen eingesetzt werden. Dabei sind berechtigte Interessen für eine Videoüberwachung mit dem Recht abzuwägen, sich in der Öffentlichkeit frei und ungezwungen zu bewegen. Und am Arbeitsplatz ist eine dauernde Beobachtung unzulässig.“ In der Orientierungshilfe Sehen und gesehen werden sind gesetzlichen Grundlagen erläutert anhand von praktischen Beispielen aus folgenden Bereichen: Wohnumfeld, Gastronomie, Geschäfte, Parkhäuser, Verkehr, Bildungseinrichtungen, Freizeiteinrichtungen (z. B. Schwimmbäder und Fitnesscenter), Webcams sowie Videoüberwachung am Arbeitsplatz.

Da Rechtsgrundlage für Videoüberwachung ein Bundesgesetz ist, können die Empfehlungen der Orientierungshilfe auch in Hessen ! : 1 genutzt werden. Empfehlenswert für jeden, der eine Videokamera installieren möchte; aber auch für alle diejenigen, die dies – ohne die Rechtsgrundlagen zu kennen – bereits getan haben.

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