Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums im Stadtgebiet Frankfurt am Main – schleppende Bearbeitung von Beschwerden durch den Hessischen Datenschutzbeauftragten
In einem Schreiben vom 23.06.2019 an den Hessischen Datenschutzbeauftragten Prof. Dr. Ronellenfitsch hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main nach der weiteren Bearbeitung ihrer Beschwerde vom 26.05.2014 gefragt. Damals hatte die Gruppe dem Hessischen Datenschutzbeauftragten eine Liste mit 369 Standorten von Videoüberwachungsanlagen (insgesamt ca. 820 einzelne Kameras) übermittelt, mit denen Straßen und Plätze in Frankfurt überwacht werden. Mehr als fünf Jahre danach ist festzustellen:
Laut Rückmeldungen des Hessischen Datenschutzbeauftragten wurden bislang erst 142 der 369 Standorte von Überwachungskameras abschließend geprüft. Dies entspricht 38,5 % aller Anlagen. Die bislang letzte Rückmeldung ging ein am 10.09.2018. Seitdem herrscht „Funkstille“. Sollte die Bearbeitung der Eingabe vom 26.05.2014 in diesem Tempo weiter gehen wäre damit zu rechnen, dass die letzte der 369 Kameraanlagen erst in weiteren 8 Jahren überprüft sein wird.
Mitgeteilt wurde vom Hessischen Datenschutzbeauftragten, dass
- es sich bei 13 (9,2 %) aller überprüften Anlagen um Kameraattrappen handeln soll, die zwar auch einen Überwachungsdruck auslösen, aber nicht der Aufsicht der Datenschutzaufsichtsbehörden unterliegen;
- bei 24 (16,9 %) aller überprüften Anlagen die Kamerabetreiber die Kameras datenschutzkonform neu ausgerichtet haben, so dass öffentlicher Raum nicht mehr im Blickfeld der Kameras ist;
- bei 29 (20,4 %) aller überprüften Anlagen die Kamerabetreiber die Kameras nach Eingang der Beschwerde ersatzlos abgebaut haben und
- in 76 der insgesamt 142 Fälle (53,5 %) die Kameraausrichtung nach den Bewertungen der Behörde den gesetzlichen Erfordernissen entspricht.
Die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main bewertet dieses Ergebnis im Grundzug positiv, da es zeigt, dass Beschwerden gegen Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch private Kamerabetreiber häufig rechtswidrig ist und erfolgreich eingedämmt werden kann.
Zugleich wird im Schreiben an Prof. Dr. Ronellenfitsch erklärt: „Die Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main zweifeln nicht am guten Willen Ihrer Mitarbeiter*innen, hier sorgfältig zu arbeiten und Verstöße zu ahnden. Zweifel sind aber mehr als angebracht, ob Ihrer Behörde hinreichende Ressourcen zur Verfügung stehen, um den gesetzlichen Aufgaben nachkommen zu können. Auch nach Inkrafttreten der Europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) am 23.05.2018 – sie löste bei allen Datenschutz-Aufsichtsbehörden eine Vervielfachung der Anfragen und Beschwerden aus – hat sich nichts getan. Sie schweigen sich dazu öffentlich aus. Das unterscheidet Sie nachteilig von vielen Ihrer Amtskolleg*innen im Bund und den anderen Bundesländern.“
Unter dem Titel „Videoüberwachung – wie kann ich mich dagegen zur Wehr setzen?„ hat die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main Informationen zu Rechtsgrundlagen und Verfahrensregeln bei Videoüberwachung und Tipps für die Gegenwehr veröffentlicht.
Mit dem sogenannten Videoüberwachungsverbesserungsgesetz hatte der Bundestag 2016 den Weg für eine Ausweitung der Videoüberwachung durch private Kamerabetreiber geschaffen. Die Möglichkeit, öffentliche und frei zugängliche Bereiche (Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren, Parkplätze, Einrichtungen und Fahrzeuge des öffentlichen Personenverkehrs) durch private Kamerabetreiber überwachen zu lassen, wurde stark ausgebaut. Das Bundesverwaltungsgericht hat in einer kürzlich veröffentlichten Entscheidung vom 27.03.2019 deutlich gemacht, dass die Regelung, die von CDU/CSU und SPD im Bundestag beschlossen wurde, europarechtswidrig ist. Laut Bundesverwaltungsgericht ist die Videoüberwachung durch private Stellen ausschließlich am europäischen Datenschutzrecht (DSGVO) zu messen ist. Nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts regelt die Europäische Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) die Videoüberwachung durch Private abschließend. Folglich ist die Bestimmung in § 4 Abs. 1 S. 1 BDSG europarechtswidrig und im Ergebnis unanwendbar.