Videoüberwachung des öffentlichen Straßenraums durch das Iranische Generalkonsulat in Frankfurt – Bewertung durch den Hessischen Datenschutzbeauftragten
Am 16.09.2022 starb Jina Mahsa Amini im Iran. Sie starb, so kann begründet vermutet werden, weil die iranische „Sittenpolizei“ sie zu Tode geprügelt hat. Ihr Tod löste im Iran, aber auch weltweit, bis heute einen Sturm der Empörung aus. Auch in Frankfurt gab und gibt es Proteste unterschiedlichster Art. Eine davon war die über viele Wochen aufrecht erhaltene Dauer-Mahnwache gegenüber dem Iranischen Generalkonsulat in Frankfurt (Raimundstraße 90).
Die Protestierenden wurden dabei einer Video-Dauerüberwachung ausgesetzt,
- einerseits durch eine Dome-Kamera oben an der Frontseite des Konsulatsgebäudes und nach außen gerichteten Kameras hinter der Glasfassade des Konsulatsgebäudes,
- andererseits durch einen mobilen Kameramast der hessischen Polizei.
Beschwerden beim Hessischen Datenschutzbeauftragten führten zu einer Überprüfung der Videoüberwachung durch das Iranischen Generalkonsulat. In seinem aktuellen Tätigkeitsbericht für das Jahr 2023 (dort ab S. 155) stellt der Hessische Datenschutzbeauftragte als Ergebnis u. a. fest:
- „Mein Versuch, die Videoüberwachung durch das iranische Generalkonsulat in Frankfurt zu überprüfen, führte zu einer Klärung der Zulässigkeit der Videoüberwachung durch alle Fremden Missionen in Deutschland…
- Die Prüfung der Situation vor Ort zumindest durch Außenansicht ergab, dass die meisten Überwachungskameras auf das eigene Konsulatsgelände gerichtet waren. Es waren jedoch zwei Kameras im Gebäudeinnern hinter der vollverglasten Gebäudefront erkennbar, die für eine Videoüberwachung des öffentlichen Bereichs genutzt werden konnten. Für eine festinstallierte Dome-Kamera konnte nicht festgestellt werden, wohin das Kameraauge ausgerichtet ist und ob Schwenk- und Zoom-Funktionen vorhanden sind, die eine Überwachung des Außenbereichs ermöglichten. Für eine mobile Standkamera war von ihrem Standplatz und ihrer Ausrichtung her davon auszugehen, dass sie nur den öffentlichen Raum im Fokus haben konnte. Insgesamt ergab die Prüfung der Lage vor Ort den Eindruck, dass Kameras des Genralkonsulats den Raum vor seinem Gebäude, die Straße, die Zufahrt zum gegenüberliegenden Parkplatz sowie den Parkplatz selbst erfassen und damit auch die Mahnwache…
- Nachdem ich die Rechtslage und mein Vorgehen der Staatskanzlei und dem Auswärtigen Amt erläutert und auf die Dringlichkeit der Nachfrage hingewiesen hatte, versandte das Auswärtige Amt an alle diplomatischen und konsularischen Missionen, Internationalen Organisationen und anderen Vertretungen in Deutschland (Fremden Missionen) zur Videoüberwachung der jeweiligen Liegenschaften eine ‚Rundnote‘. In dieser Rundnote bat das Auswärtige Amt die Fremden Missionen bei eigenen Schutzmaßnahmen durch Videoüberwachung die rechtlichen Grenzen zu beachten. Grundsätzlich ist nur die Videoüberwachung der Liegenschaft selbst sowie des unmittelbaren Außenbereichs (Umfriedung der Liegenschaft von außen) zulässig. Gemäß Art. 3 DS-GVO gelten deren Vorgaben räumlich auch dann, wenn eine Fremde Mission in Deutschland Personen im Umfeld der Liegenschaft beobachtet. Art. 6 der DS-GVO setzt einer Videoüberwachung sehr enge Grenzen…
- Im Rahmen der Überwachung eines Anwesens dürfen in der Regel keine öffentlich zugänglichen Straßenzüge oder Gehwege überwacht werden. Um die Einschränkung der Grundrechte von Passanten und Anwohnern möglichst gering zu halten, darf die Fremde Mission nur den Bereich unmittelbar um das Gebäude überwachen, jedoch nicht die Straße und den gegenüberliegenden Bürgersteig. Sie muss Bereiche durch Verpixelung unkenntlich machen, die entbehrlich sind, sowie insbesondere Eingänge und Fenster von anderen Anwesen. Außerdem müssen die erhobenen Daten unverzüglich gelöscht werden, sobald sie für den Zweck, die Sicherheit der Fremden Mission sicherzustellen, nicht mehr benötigt werden (in der Regel binnen 72 Stunden). Die Videoüberwachung ist außerdem adäquat, in der Regel durch Hinweisschilder, kenntlich zu machen.“
So weit, so gut! Aber zwei Anmerkungen seien gestattet:
- Am Iranischen Generalkonsulat wurden die Teilnehmer*innen der Mahnwache nicht nur vom Konsulat aus überwacht, sondern auch von der hessischen Polizei. Zu letzterem fehlt im Bericht des Hessischen Datenschutzbeauftragten eine Stellungnahme.
- Nicht nur das Iranische Generalkonsulat in Frankfurt überwacht den öffentlichen Raum im Umfeld des eigenen Gebäudes. Wie auf Fotos zu sehen ist, die von Mitgliedern der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main angefertigt und bereits 2014 dem damaligen Hessischen Datenschutzbeauftragten Prof. M. Ronellenfitsch mit einer Beschwerde vorgelegt wurden, wird auch das Umfeld anderer Konsulate durch Videokameras überwacht. In einer der Beschwerde beigefügten Auflistung sind u. a. die Konsulate von Bosnien-Herzegowina, Brasilien, Indien, Irak, Russland und USA aufgeführt. Mit Ausnahme des Russischen Generalkonsulats, dass im Zusammenhang mit dem russischen Angriffskrieg auf die Ukraine geschlossen wurde, werden von den genannten Konsulaten die Videokameras weiter betrieben. Beispielhaft sei hier auf die Videoüberwachung durch das Generalkonsulat der USA in der Gießener Straße in Frankfurt verwiesen.