Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch privaten Kamerabetreiber: Stadt Pohlheim (Landkreis Gießen) schaltet den hessischenDatenschutzbeauftragten ein
Das meldet die Lokalzeitung Gießener Allgemeine in einem Bericht vom 24.10.2024: „Der Datenschutzbeauftragte des Landes Hessen befasst sich mit einem Fall in Pohlheim. Es geht um einen Mast mit einer Kamera oder einer Kamera-Attrappe, der auf einem Privatgrundstück steht. Die mögliche Kamera ist auf die Straße und den Gehweg ausgerichtet. Das Referat für Videoüberwachung durch nicht öffentliche Stellen beim Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit geht diesem Fall nach, wie ein Sprecher erklärt. Es sei zutreffend, dass die Stadt Pohlheim ‚eine Angelegenheit einer möglichen Videoüberwachung öffentlicher Bereiche durch Privatpersonen hierher adressiert hat‘. Der Angelegenheit werde im Rahmen eines schriftlichen Verwaltungsverfahrens nachgegangen. Sie werde ‚datenschutzaufsichtsbehördlich überprüft‘. Dieses Überprüfungsverfahren sei ‚noch laufend‘.“
Begrüßenswert wäre es, wenn auch andere Kommunen diesem Beispiel folgen würden und Videoüberwachungsanlagen von privaten Grundstücksbesitzer*innen und Firmeninhaber*innen, die den öffentlichen Straßenraum überwachen, ebenfalls zur Anzeige bei den jeweiligen Landesdatenschutzbeauftragten bringen würden. So könnte ein wirkungsvoller Beitrag zur Eindämmung des Kamera-Unwesens im öffentlichen Raum geleistet werden.
Welche Rechtsgrundlagen bei Videoüberwachung zu beachten sind und wie man sich gegen rechtswidrige Videoüberwachung zur Wehr setzen kann können Sie hier nachlesen.
Bei dem letzten Versuch den hessischen Datenschutzbeauftragten mit einem sehr deutlichen Fall der Erfassung des öffentlichen Raums durch private Kamerabetreiber zu konsultieren, fiel die Antwort sehr kurz aus: Er sei „nicht dafür zuständig“ und man sollte privat Klage erheben falls man sich in seinem Persönlichkeitsrecht gestört fühlen würde. Ich nehme daher an dass der hier beschriebene Fall nur formhalber medialisiert wird und dabei nicht wirklich etwas passiert. Im schlimmsten Fall wird der Betreiber eine obligatorische Infobroschüre per Post erhalten, welche wahrscheinlich umgehend im Papierkorb landet.
Auch wenn ich den Beitrag und die Intention sehr schätze, muss ich doch die letzte Aussage etwas relativieren.
„So könnte ein wirkungsvoller Beitrag zur Eindämmung des Kamera-Unwesens im öffentlichen Raum geleistet werden.“
Ich persönlich denke dass es schon seit einigen Jahren zu spät ist, um in diesem Bereich noch irgendetwas sinnvolles unternehmen zu wollen. Wir sprechen von einer Gesellschaft in der Geräte zur Massenüberwachung den Preis einer Zigarettenschachtel tragen und zu Hauf an jeder Straßenecke angepriesen werden. Man wird förmlich mit Kameras zugeschüttet. Hinzu kommt auch die jahrzehntelange Manipulation der menschlichen Spezies dahin zu den Prozess der Überwachung zu ‚demokratisieren‘. Das bedeutet dass sich niemand mehr daran stört permanent überwacht zu werden, da der Prozess nicht mehr als strukturelle Gewalt oder Einschränkung der Freiheit gesehen wird, da die Gewalt ‚entmenschlicht‘ ist und nicht (zumindest nicht wahrnehmbar) von einer zentralen politischen Entität wie einem Staat oder Diktator ausgeführt wird, sondern von jedermann, immer und überall.
Ein Beispiel: Ein Mann welcher in einer Fußgängerzone eine passierende Person mit seinem Smart-Phone filmt wird schnell von ihr als ‚Störfaktor‘ wahrgenommen. Er ’nimmt‘ ihr praktisch fühlbar ‚etwas weg‘ und begeht eine Tat welche von Respektlosigkeit und eben struktureller Gewalt zeugt. Wer soetwas mal ausprobieren möchte wird relativ schnell mit Gewaltbereitschaft konfrontiert sein. Viele Personen würden sich dagegen wehren, fordern die Aufnahme zu löschen, oder gleich handgreiflich agieren.
Gleichzeitig würde dieselbe Person aber rein gar nichts dabei verspüren wenn Sie tagtäglich von morgens bis abends von Hunderten von ‚Überwachungskameras‘ erfasst wird. Im Gegenteil würden einige Personen diesen Zustand sogar wertschätzen. Die Gewalt erscheint hierbei nämlich ‚zweckbegriffen‘ und ‚entmenschlicht‘ dadurch dass die Kameras an Hauswänden und Decken installiert sind. Sie sind ‚Teil der menschlichen Lebenswelt‘ und der Erwartung an eine spezifische Lokalität. Die Gewalt ist also zweck- und lokalitätsgebunden. Dies aber auch nur so lange, bis das Netz der Kameras so flächendeckend wird dass ein Permanenzeffekt entsteht und quasi ein gesamter ‚Film‘ der Person zusammengeschnitten werden kann, von dem Moment an dem sie morgens das Haus verlässt bis zu dem Moment an dem sie abends zurückkehrt. Bis dieser Punkt allerdings erreicht ist, hat sich das Gesellschaftsverständnis bereits dahingehend verändert dass dieser Zustand als ’normal‘ empfunden wird. Genau an diesem Punkt befinden wir uns.
Letztlich ist anzumerken dass ein Staat selbst großes Interesse an einem solchen flächendeckendem Netz hat. Es wäre also fast schon kindlich naiv zu denken dass ein Datenschutzbeauftragter welcher sich aktiv gegen diese Idee wendet lange in seinem Amt bleiben dürfte. In der Realität wäre er sehr schnell seinen Posten (und damit auch das damit verbundene, enorme Gehalt) los. ;-)