Smart Meter zur Messung des Stromverbrauchs: Zwangsdigitalisierung durch die Kellertür

Datenschutzrheinmain/ November 20, 2018/ alle Beiträge, Datenschutz im Mietrecht, Verbraucherdatenschutz/ 3Kommentare

Smart Meter sind digitale (sogenannte „intelligente“) Systeme zur Messung von Wasser- oder Energieverbrauch. Im Unterschied zu bislang in der Regel verwendeten analogen Zählern, die in der Regel ein mal pro Jahr abgelesen werden, erfassen „intelligente“ Messsysteme den Verbrauch und die verwendete Leistung in Echtzeit. Sie können diese Informationen außerdem an Messstellenbetreiber und Energieversorger übertragen, so dass diese den Energieverbrauch zu beliebigen Zeitpunkten erfassen, speichern, überwachen und auswerten können.

Seit dem 01.01.2017 werden Smart Meter zur Messung des Stromverbrauchs eingeführt. Grundlage ist das Messstellenbetriebsgesetz (MsbG). In § 29 MsbG (Ausstattung von Messstellen mit intelligenten Messsystemen und modernen Messeinrichtungen) ist geregelt: „(1) Grundzuständige Messstellenbetreiber haben… Messstellen an ortsfesten Zählpunkten mit intelligenten Messsystemen wie folgt auszustatten: 1. bei Letztverbrauchern mit einem Jahresstromverbrauch über 6 000 Kilowattstunden… 2. bei Anlagenbetreibern mit einer installierten Leistung über 7 Kilowatt. (2) Grundzuständige Messstellenbetreiber können… Messstellen an ortsfesten Zählpunkten mit intelligenten Messsystemen ausstatten: 1. bei Letztverbrauchern mit einem Jahresstromverbrauch bis einschließlich 6 000 Kilowattstunden sowie 2. von Anlagen mit einer installierten Leistung über 1 bis einschließlich 7 Kilowatt. (3) Soweit nach diesem Gesetz nicht die Ausstattung einer Messstelle mit intelligenten Messsystemen vorgesehen ist… haben grundzuständige Messstellenbetreiber Messstellen an ortsfesten Zählpunkten bei Letztverbrauchern und Anlagenbetreibern mindestens mit modernen Messeinrichtungen auszustatten. Die Ausstattung hat bis zum Jahr 2032… zu erfolgen. (4)…“

Dieser Tage wandte sich ein Frankfurter Bürger mit folgender Anfrage an die Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main: „Zu uns kam letzten Freitag ein Herr der Süwag, der lt. schriftlicher Ankündigung nur turnusmäßig den Stromzähler tauschen wollte, dann jedoch einen elektronischen Stromzähler einbauen wollte. Da ich vorab keine Informationen hatte, um was für ein Gerät/Typ es sich handelt, habe ich den Herrn gleich wieder weggeschickt. Nun habe ich aber im Netz gelesen, daß es ein Gesetz gibt, nach dem ich kein Recht habe, diese digitalen Zähler abzuweisen. Könnt Ihr Du mir eine gute Informationsquelle nennen, wie da der aktuelle Stand ist und was meine Rechte sind? Ich würde gerne proaktiv handeln, bevor die Süwag die Eigentümer kontaktiert…“

Die Antwort an den anfragenden Bürger: „Rechtsgrundlage für den Einbau von digitalen Stromzählern ist das Messstellenbetriebsgesetz und hier insbesondere der § 29. § 29 Abs. 1 MsbG stellt eine muss-Regelung dar, § 29 Abs. 2 eine kann-Regelung. Was ‚moderne Messeinrichtungen‘ i. S. d. § 29 Abs. 3 sind, können wir nicht beantworten.  Für uns stellen sich aus der Ferne daher mindestens 2 Fragen: 1. Haben Sie einen Stromverbrauch von mehr oder von weniger als 6.000 Kwh per Anno? 2. Welche technischen Parameter haben die Geräte, die bei Ihnen eingebaut werden sollen?“

Da der anfragende Bürger mitteilte, er sei von seinem Energieversorger Süwag vor dem Einbau des neuen Stromzählers nicht hinreichend unterrichtet worden, hat die Redaktion dieser Homepage auf der Internet-Präsentation von Süwag nachgeforscht und dabei folgenden Hinweis unter Smart Meter Rollout gefunden: „Die Bundesregierung schreibt durch das Gesetz zur Digitalisierung der Energiewende‘ die Digitalisierung der Verbrauchsdaten vor. Durch intelligente Stromzähler wollen wir die Erzeugung und den Verbrauch von Energie besser in Einklang bringen und Sparpotentiale erschließen… Am 2. September 2016 trat das MsbG als Teil des Gesetzes zur Digitalisierung der Energiewende in Kraft. Von 2017 bis 2032 sollen alle herkömmlichen Stromzähler durch moderne Messeinrichtungen bzw. intelligente Messsysteme ersetzt werden. Ihr grundzuständiger Messstellenbetreiber, wie die Syna GmbH , wird diese Aufgabe übernehmen…“ Die Syna GmbH – ein Tochter-Unternehmen der Süwag – teilt auf ihrer Homepage unter Häufige Fragen und Antworten zum Smart-Meter Roll-out u. a. mit:

  • „Bei modernen Messeinrichtungen handelt es sich um digitale Stromzähler, die den Stromverbrauch besser veranschaulichen als herkömmliche Ferraris-Zähler. Anders als bei den bisher verbauten Zählern, an denen man in der Regel ausschließlich den aktuellen Zählerstand ablesen kann, zeigen moderne Messeinrichtungen neben dem aktuellen Stromverbrauch auch tages-, wochen-, monats- und jahresbezogene Stromverbrauchswerte für die letzten 24 Monate an.“
  • “ Zum intelligenten Messsystem wird eine moderne Messeinrichtung (mME), wenn diese mit einem Smart-Meter-Gateway (SMGW) verbunden wird. Das Smart-Meter-Gateway dient als Kommunikationseinheit (ähnlich einem Router) welches eine verschlüsselte Fernauslesung der modernen Messeinrichtung ermöglicht. iM = mME + SMGW
  • Ob Sie eine moderne Messeinrichtung oder ein intelligentes Messsystem erhalten ist abhängig von Ihrem Jahresstromverbrauch. Bei Erzeugungsanlagen ist zusätzlich die Anlagenleistung mit zu berücksichtigen. Die entsprechenden Verbrauchs- und Leistungsgrenzen entnehmen Sie bitte den veröffentlichten Preisblättern (PDF | 0,4 MB).“

Die Verbraucherzentrale (Bundesverband) teilt auf ihrer Homepage mit: Ab dem Jahr 2020 müssen Haushalte mit einem Jahresverbrauch von mehr als 6.000 Kilowattstunden ein intelligentes Messsystem bekommen und sollen dafür maximal 100 Euro im Jahr bezahlen. Für Haushalte mit einem geringeren Verbrauch ist der Einbau freiwillig. Beim turnusmäßigen Zählertausch bekommen diese Haushalte eine moderne Messeinrichtung, die aber keine Daten übertragen kann. Allerdings werden auch diese Haushalte zwangsweise mit Smart Metern ausgerüstet, wenn es ihr Vermieter oder zuständiger Messstellenbetreiber will.“

Bleibt für den anfragenden Bürger also als erstes zu klären: Will sein Vermieter oder sein zuständiger Messstellenbetreiber seine Wohnung zwangsweise mit Smart Metern ausrüsten? Und wenn ja: Sind dagegen Rechtsmittel möglich?

In einem vergleichbaren Fall – dieser betraf allerdings den Einbau von Smart Metern für den Verbrauch von Kaltwasser, Warmwasser und Heizung – hat ein Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main das Begehren seines Vermieter vor dem Amtsgericht Frankfurt abwehren können. Näheres dazu hier und hier.


Update 21.11.2018

Eine erste Reaktion der Süwag auf diesen Beitrag auf Twitter

3 Kommentare

  1. Verstehe ich das richtig: Wenn ich unterhalb der ‚muss‘-Grenzen bin aber der Messstellenbetreiber, d.h. die örtlichen Stadtwerke bzw Subunternehmen, sich entscheidet, mir eine intelligentes Messsystem/smart Meter (moderner / digitaler Zähler + Gateway zur Fernauslesung) zu installieren kann ich nichts dagegen tun?

    Da ich ja die Kosten tragen muss ist es doch für den Messstellenbetreiber nur von Vorteil und für mich nur von Nachteil, oder sehe ich da was falsch?

  2. Ganz vergessen:
    Danke für diesen gut recherchierten Artikel, war sehr aufschlussreich!

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