Landgericht Frankfurt (Oder) : Kfz-Kennzeichenerfassung in Brandenburg war rechtswidrig

CCTV-NeinDanke/ August 9, 2022/ alle Beiträge, Polizei und Geheimdienste (BRD), Videoüberwachung, Vorratsdatenspeicherung/ 1Kommentare

Zwischen 2017 und Ende Juni 2021 war es Praxis des Landes Brandenburg, unter Zuhilfenahme von Kfz-Kennzeichenscannern alle Fahrzeugbewegungen auf den Autobahnen des Landes vorsorglich zu erfassen und zu speichern. Dies war rechtswidrig, wie das Landgericht Frankfurt/Oder mit Urteil vom 22.07.2022 (Aktenzeichen: 22 Qs 40/19) entschied. Das Gericht stellte fest, dass es keine Rechtsgrundlage für entsprechende Anordnungen der Staatsanwaltschaften gab. Das System war zwischen 2017 und Ende Juni 2021 in Betrieb.

Den Betrieb des automatischen Kfz-Kennzeichenerfassungssystems Kesy und die erfolgte Vorratsdatenspeicherung bewertete das Gericht als „gewichtigen Grundrechtseingriff“. Das rückwärtige Nummernschild aller die Geräte passierenden Fahrzeuge sei erfasst und ein vergrößertes Bild davon zusammen mit einer Aufnahme der gesamten Heckansicht – verbunden mit Ort, Datum, Uhrzeit und Fahrtrichtung – in einer zentralen Datenbank gespeichert worden. Die Richter bewerteten das Vorgehen als besonders gravierend, weil die Behörden diese Informationen zeitlich unbegrenzt vorgehalten hätten, solange die Maßnahme in einem beliebigen Ermittlungsverfahren gegen eine beliebige Person aktiv gewesen sei. Dadurch habe über Jahre hinweg „ohne transparente Begrenzungen“ durch den Gesetzgeber das Bewegungsverhalten von Fahrzeugen weiter Teile der Bevölkerung, die vor Ort verkehrten, „akkurat nachvollzogen werden“ können. Hinzu käme – so das Gericht – dass die Maßnahmen verdeckt und ohne entsprechende Benachrichtigungen vollzogen wurden. Die Betroffenen hätten sich kein Fehlverhalten zuschulden kommen lassen müssen, auch ein sonstiger Anlass für die Überwachung sei nicht erforderlich gewesen. Das für die Überwachung eingesetzte Instrumentarium greife „in erheblicher Weise in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung ein“.

Der Kläger, Marko Tittel (Mitglied der Piratenpartei), begrüßte die Entscheidung und erklärt: „Eine wahllose Vorratsspeicherung jeder Fahrt auf der Autobahn schafft gläsernen Autofahrer:innen und setzt sie einem ständigen Überwachungsdruck aus, aber auch dem Risiko eines falschen Verdachts oder missbräuchlicher Nachverfolgung der persönlichen Lebensführung durch Unbefugte. Ich möchte nicht in einem Land leben, in dem jede Bewegung erfasst und gegen mich verwendet werden kann.“

Der Europaabgeordnete Dr. Patrick Breyer (Mitglied der Piratenpartei), der seit Jahren gerichtlich gegen den massenhaften Abgleich von Kfz-Kennzeichen vorgeht, stellt aus Anlass des Urteils fest, dass der „massenhafte Abgleich von Kfz-Kennzeichen… selten und allenfalls zufällig einmal zur Aufklärung von Straftaten“ führt. „Die permanente, massenhafte, und automatisierte Kontrolle der gesamten Bevölkerung droht wie ein Krebsgeschwür immer weitere Kreise zu ziehen: Heute zur Fahndung und Beobachtung, morgen für Knöllchen gegen Temposünder:innen und zur Diesel-Fahrverbotsüberwachung, und übermorgen wird eine biometrische Gesichtserkennung an jeder Straßenecke eingeführt. Unter ständiger Überwachung können wir uns nicht frei verhalten!“

1 Kommentar

  1. „Die permanente, massenhafte, und automatisierte Kontrolle der gesamten Bevölkerung droht wie ein Krebsgeschwür immer weitere Kreise zu ziehen: Heute zur Fahndung und Beobachtung, morgen für Knöllchen gegen Temposünder:innen und zur Diesel-Fahrverbotsüberwachung, und übermorgen wird eine biometrische Gesichtserkennung an jeder Straßenecke eingeführt. Unter ständiger Überwachung können wir uns nicht frei verhalten!“

    …ich finde diese Kommentare immer wieder amüsant. Man muss schon unglaublich naiv sein um in 2022 immernoch an die Legitimität und den Realitätsgehalt von „Politik“ zu glauben. Es ist mehr als offensichtlich dass die Agenda das schrittweise Einführen der Technokratie ist, welche in China probegefahren wurde.

    Die meisten neuen Autos haben ja bereits Kameras vorne, hinten, und an den Seitenwinkeln und da wäre es auch sehr naiv zu glauben dass diese nicht permanent aufzeichnen oder bereits den Stream auf einen Server spielen zwecks AI Analyse.

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