Landesarbeitsgericht (LAG) Düsseldorf: Beschäftigter hat Anspruch auf Schadenersatz wg. Ausforschung durch eine vom Unternehmen beauftragte Detektei während der Zeit einer Arbeitsunfähigkeit
Mit Entscheidung vom 26.04.2023 (Aktenzeichen: 12 Sa 18/23) hat das LAG festgestellt, dass das Unternehmen „an den Kläger 1.500,00 Euro Entschädigung“ zu zahlen habe, weil die Ausforschung seines Verhaltens während seiner Arbeitsunfähigkeit unzulässig in dessen persönlichen Lebensbereich und sein Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung eingegriffen habe.
Das Untenehmen ließ den Kläger in der Zeit vom 25.02. – 04.03.2022 durch die Detektei überwachen. Im Zuge dieser Überwachung wurde neben dem Wohnhaus des Klägers auch eine Arztpraxis und das Wohnhaus der ehemaligen Lebensgefährtin des Klägers beobachtet. Im Bericht der Detektei, den das Unternehmen dem Gericht vorlegte, war u. a. vermerkt:
- Beobachtung des Hauses des Klägers und des geparkten Wagens mit Ablichtung.
- Beobachtung an der Anschrift der Arztpraxis mit Ablichtung.
Beobachtung an der Wohnanschrift des Klägers mit Ablichtung des Wohnhauses. - Bei einem der häufigen „Kontrollgänge“ der Detektei wurde der Kläger beobachtet, wie er einen sperrigen Gegenstand und einen anderen Gegenstand in Form einer Rolle in den Kofferraum seines Autos verbrachte.
- Überwachung des Besuchs eines Badstudios mit der Angabe, dass der Kläger beim Gehen auf dem Parkplatz das linke Bein nachzog, mit Ablichtung.
- Überwachung des Besuchs eines Lebensmittelgeschäfts, bei dem der Kläger einen mit Lebensmitteln gefüllten Karton zu seinem Wagen trug mit Ablichtung.
- Überwachung des Besuchs eines Getränkemarkts mit Ablichtung.
- Beobachtung des Klägers beim Ausbau der Autobatterie aus seinem Wagen mit Ablichtung.
- Beobachtung des Klägers bei Betätigung mit einer Handkreissäge auf seiner Terrasse mit Ablichtung.
Das LAG stellt dazu in seiner Entscheidung fest: „Die Datenverarbeitung in Form der Detektivüberwachung des Klägers war nicht erforderlich und zugleich unverhältnismäßig. Die Datenverarbeitung wurde nicht auf das notwendige Maß beschränkt… Es müssen dabei zur Wahrung der Verhältnismäßigkeit im Falle einer attestierten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung begründete Zweifel an der Richtigkeit der ärztlichen Bescheinigung bestehen, um einen aufklärungsbedürftigen Verdacht des Vortäuschens einer Arbeitsunfähigkeit annehmen zu können… Zu fragen ist auch, ob andere gleich wirksame, aber weniger stark in das informationelle Selbstbestimmungsrecht des Arbeitnehmers eingreifende Aufklärungsmaßnahmen zur Verfügung gestanden hätten…“
Zum Schadenersatzanspruch des Klägers stellte das LAG fest: „Gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO hat jede Person, der wegen eines Verstoßes gegen diese Verordnung ein materieller oder immaterieller Schaden entstanden ist, Anspruch auf Schadenersatz gegen den Verantwortlichen oder gegen den Auftragsverarbeiter. Einen solchen Anspruch macht der Kläger hier geltend, auch wenn im Antrag von einem Schmerzensgeld spricht. Damit bringt er nur zum Ausdruck, dass es ihm insoweit nicht um einen materiellen Schadensersatz geht, sondern den davon zu unterscheidenden immateriellen Schadensersatz gemäß Art. 82 Abs. 1 DSGVO… die Observation durch einen Detektiv einen immateriellen Schaden im Sinne von Art. 82 DSGVO darstelle. Die Beklagte… geht indes davon aus, dass die Datenverarbeitung durch sie rechtmäßig erfolgt sei und insbesondere alleine ein Verstoß gegen die DSGVO keinen Schaden darstelle.“
Das LAG schloss sich in seiner Bewertung dem Kläger an und sprach ihm eine Entschädigung von 1.500 € zu.