Landesarbeitsgericht (LAG) Baden-Württemberg zu Regeln bei der Auswertung von Diensthandys, die auch für private Nutzung zugelassen sind

WS/ August 12, 2023/ alle Beiträge, Beschäftigtendatenschutz/ 0Kommentare

Mit Urteil vom 27.01.2023 (Aktenzeichen: 12 Sa 56/21) hat das LAG Baden-Württemberg u. a. festgestellt:

1. …

3. Hat der Arbeitgeber die Privatnutzung dienstlicher Kommunikationsmittel (E-Mail; WhatsApp) erlaubt, ist im Rahmen von § 26 Abs. 1 Satz 1 BDSG bei deren Auswertung eine verschärfte Verhältnismäßigkeitskontrolle durchzuführen…

4. Bei erlaubter Privatnutzung eines dienstlichen E-Mail-Accounts darf eine verdachtsunabhängige Überprüfung durch den Arbeitgeber in aller Regel nicht verdeckt erfolgen. Vielmehr muss dem Arbeitnehmer angekündigt werden, dass und aus welchem Grund eine Verarbeitung von E-Mails stattfinden soll. Es muss ihm die Gelegenheit gegeben werden, private Nachrichten in einem gesonderten Ordner zu speichern, auf den kein Zugriff erfolgt.

5. Es spricht viel dafür, dass bei unterbliebener ausdrücklicher Regelung durch den Arbeitgeber die Arbeitnehmer grundsätzlich von einer Erlaubnis auch zur privaten Kommunikation über einen dienstlichen E-Mail-Account ausgehen können… Die E-Mail ist nach der Art ihres üblichen Einsatzes in der betrieblichen Wirklichkeit ein gegenüber dem Geschäftsbrief eigenes Kommunikationsmittel mit regelmäßig höherem Gehalt an persönlichem Informationsaustausch. Sie nimmt verglichen mit dem (Telefon-)Gespräch und dem Geschäftsbrief eine Zwischenstellung ein.

6. Wird einem Arbeitnehmer ein Smartphone als umfassendes Kommunikations- und Organisationsgerät überlassen und erfolgt im Hinblick auf bestimmte Kommunikationsformen (WhatsApp; SMS; Telefon) ausdrücklich eine einvernehmliche Mischnutzung, darf der Arbeitnehmer annehmen, dass sich die Erlaubnis auch auf andere Kommunikationsformen (E-Mail) bezieht.

7. …

Was war dieser Entscheidung vorausgegangen?

Die Prozessparteien stritten über zwei außerordentliche, hilfsweise ordentliche verhaltensbedingte Kündigungen, eine betriebsbedingte Kündigung, hilfsweise die Auflösung des Arbeitsverhältnisses, datenschutzrechtliche Entschädigungsansprüche sowie Annahmeverzugslohn.

Das beklagte Unternehmen stattet einen Teil ihrer Beschäftigten mit einem Smartphone für den dienstlichen Gebrauch aus. Der Kläger wollte keine zwei Smartphones, sondern nur eines sowohl dienstlich als auch privat nutzen. Damit war das Unternehmen einverstanden. Es übernahm wegen der dienstlichen Mitnutzung die Kosten des auf den Kläger laufenden Handyvertrags. Der Kläger brachte seine SIM-Karte und die von ihm für seine private Kommunikation genutzte Mobilfunknummer ein. Im Dezember 2016 kaufte sich der Kläger ein neues iPhone unter Weiterverwendung der bisherigen SIM-Karte und Mobilfunknummer. Auf dem iPhone war der Messenger-Dienst WhatsApp installiert. Diesen nutzte der Kläger sowohl für private Nachrichten an Freunde, Bekannte und Verwandte als auch für dienstliche Nachrichten an Kollegen und Vorgesetzte. Über das Gerät wickelte der Kläger auch seinen dienstlichen E-Mail-Verkehr ab. Der Kläger nutzte die geschäftliche E-Mailadresse auch für private Kommunikation.

Im weiteren Verlauf des Arbeitsverhältnisses kam es zu Zerwürfnissen, die zu außerordentlichen, hilfsweise ordentlichen Kündigungen durch das Unternehmen führte. Der Kläger wurde dabei auch aufgefordert, iPhone und Laptop an das Unternehmen zu übergeben. Der Kläger übergab das iPhone ohne SIM-Karte den Vertretern des Unternehmens. Im Kündigungsschutzprozess erklärte er, er habe es vor der Übergabe auf „Werkseinstellung“ zurückgesetzt und dabei die Option „Alle Inhalte & Einstellungen löschen“ gewählt. Dadurch sei das iPhone ohne jeglichen verfügbaren Inhalt auf Werkseinstellung zurückgeführt worden. Das Unternehmen müsse den Inhalt wiederhergestellt haben.

Nach Herausgabe des vom Kläger genutzten iPhones verfügte das Unternehmen nach Feststellungen des LAG über sämtliche Kontakte, die der Kläger dort angelegt hatte, eine „Wallet“-App mit allen Flug- und Bahntickets, annähernd 100 Notizen des Klägers, die in einer Notizen-App abgelegt waren, unzählige SMS-Nachrichten, fast 9.000 Fotos und mehr als 100 Videos. Die Beklagte wertete zumindest einen Teil der gespeicherten WhatsApp-Nachrichten aus und trug eine Vielzahl dieser Nachrichten im Kündigungsschutzverfahren vor.

Der Kläger stellte gegenüber dem LAG fest, dass die vom Unternehmen vorgetragenen WhatsApp-Nachrichten nicht zur Begründung der Kündigung herangezogen werden könnten. Es bestehe ein Sachvortragsverwertungsverbot, weil mit der Auswertung seines Smartphones datenschutzrechtliche Bestimmungen verletzt und sein allgemeines Persönlichkeitsrecht missachtet wurde.

Dieser Argumentation folgte das LAG weitgehend. Es wies sowohl die außerordentliche als auch die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zurück.

Eine Revision beim Bundesarbeitsgericht wurde vom LAG nicht zugelassen.

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