Kritik am Gesetzentwurf von CDU und Grünen in Hessen für ein „Verfassungsschutz“-Gesetz auch aus den Reihen der Grünen

Datenschutzrheinmain/ November 14, 2017/ alle Beiträge, Hessische Landespolitik, Polizei und Geheimdienste (BRD), Telekommunikations-Überwachung/ 1Kommentare

Ende Oktober 2017 traf sich die Landesarbeitsgemeinschaft Medien und Netzpolitik der Grünen in Hessen. Sie lehnte den schwarz-grünen Gesetzentwurf ab und beschloss einen Antrag an die Grüne Landesmitgliederversammlung, die am 18.11.2017 stattfinden wird. Im Antrag wird unter der Überschrift „Bürgerrechte achten statt Gesetzen, die unsere Sicherheit gefährden“ wird gefordert: „Die Landesmitgliederversammlung Hessen möge beschließen, den ‚Gesetzentwurf der Fraktionen CDU und BÜNDNIS 90/ DIE GRÜNEN für ein Gesetz zur Neuausrichtung des Verfassungsschutzes in Hessen‘ abzulehnen.“ Ein klares Wort zur rechten Zeit!

Update: Beachten Sie bitte zum oben stehenden Absatz den Kommentar von Peter Löwenstein zu diesem Blog-Beitrag.

Die Grüne Jugend Hessen dagegen versucht, auf beiden Schultern zu tragen. In ihrer Position zum Gesetzentwurf wird zu Beginn zu Recht festgestellt: Die Quellen-Telekommunikationsüberwachung, landläufig ‚Staatstrojaner‘ genannt ist eine sicherheitspolitische Maßnahme, die die Gefahr bergen, auf lange Sicht zu mehr Unsicherheit als zu Sicherheit zu führen. Zugleich bedeutet die Anwendung von Staatstrojanern auf Computern, Smartphones und Tablets einen für die eigene Person nicht nachvollziehbaren und extremen Eingriff in die informationelle Selbstbestimmung und Privatsphäre.“ Der Antrag endet dann aber mit einer Feststellung, die in mehrfacher Hinsicht blauäugig ist: Die Grüne Jugend Hessen sieht im Vorschlag für das Hessische Verfassungsschutzgesetz eine deutlich rechtsstaatlichere Version der Quellen-TKÜ. Der doppelte Richter*innenvorbehalt, der hier vorgesehen ist, wäre für die Bundesgesetze zum BKA dringend nötig. Aus dem im Antrag beschriebenen Gründen, sehen wir aber die Quellen-TKÜ generell kritisch. Sollte die Quellen-TKÜ in Hessen Bestandteil des Maßnahmenkatalogs der Sicherheitsbehörden werden, fordern wir zusätzlich ein Verbot von Zusammenarbeit mit Firmen, die ihre Systeme nicht nur an den Staat, sondern auch an autoritäre und totalitäre Systeme oder Gruppierungen liefern, um die Wirkungen der Quellen-TKÜ auf die Sicherheitsinfrastruktur abzumildern.“

Auch Jürgen Frömmrich, innenpolitischer Sprecher der Grünen Fraktion im Hessischen Landtag und einer der härtesten Befürworter des Gesetzentwurfs bei den hessischen Grünen, antwortete Netzpolitik.org schon unmittelbar nach Bekanntgabe des Gesetzentwurfs auf eine Anfrage: „Der vorliegende Gesetzentwurf ist das Ergebnis langer Diskussionen zwischen den Koalitionspartnern. In einer grünen Alleinregierung hätten wir wahrscheinlich einen anderen Entwurf vorgelegt. Wichtig ist uns, dass der doppelte Richtervorbehalt – einmal zur Genehmigung einer Maßnahme, einmal zur Verwertung der Resultate – den Kernbereich der privaten Lebensführung schützt und die Maßnahmen der Abwehr von dringenden Gefahren durch Terrorismus vorbehalten sind.“

Den tatsächlichen Wert des Richtervorbehalts in der Praxis der Geheimdienste und Strafverfolgungsbehörden hat Netzpolitik.org im August 2017 am Beispiel des Landes Berlin in Zahlen deutlich gemacht: „In Berlin wurden letztes Jahr über eine Million Telefonate abgehört, ein Drittel wegen Drogen. Das geht aus dem aktuellen Jahresbericht hervor. Die Überwachung von Internet-Anschlüssen hat sich verdoppelt und erreicht einen neuen Rekord. Seit neun Jahren wurde kein einziger Überwachungs-Antrag abgewiesen…“

Und sollte der schwarz-grüne Gesetzentwurf vom Landtag mehrheitlich beschlossen werden, dann wird die Forderung der Grünen Jugend nach Verbot von Zusammenarbeit mit Firmen, die ihre Systeme nicht nur an den Staat, sondern auch an autoritäre und totalitäre Systeme oder Gruppierungen liefern schon an den Vergaberichtlinien des Landes Hessen scheitern.

Welche grundlegende politische Kehrtwende die Landtagsfraktion der Grünen Hessen vorgenommen hat wird am Vergleich des  schwarz-grünen Gesetzentwurfs mit dem Positionspapier der Grünen Landtagsfraktion zur Netzpolitik aus dem Jahr 2013 deutlich. Dort wurde zu Recht festgestellt: In der hessischen Gefahrenabwehr darf Online-Durchsuchung nicht eingesetzt werden. Hessen muss sich dafür einsetzen, dass auf Bundesebene die Durchsuchung privater Rechner ausgeschlossen wird.“

Des galt aber scheinbar nur so lange, bis die Grünen Teil der hessischen Landesregierung wurden. Es sei denn, eine Mehrheit der Grünen Landesmitgliederversammlung am 18.11.2017 unterstützt den Antrag der Landesarbeitsgemeinschaft Medien und Netzpolitik der Grünen.

1 Kommentar

  1. Hallo zusammen,

    eine kleine Ergänzung:
    Den Antrag habe ich als Grüner, also als Peter Löwenstein gestellt. Ich spreche nicht für die LAG MuN, diese ist auch nicht der Antragsteller.

    Es gibt keinen Antrag der MuN, da hierzu ein Treffen der vierteljährig tagenden LAG notwendig wäre zur Beschlussfassung. Was in der Kürze der Zeit nicht klappt.

    Gruß, Peter Löwenstein

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