Hessische Landesregierung beabsichtigt Überwachung psychisch kranker und suchtkranker Menschen
Das geht aus einem Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU und SPD für ein „Zweites Gesetz zur Änderung des Psychisch-Kranken-Hilfe-Gesetzes“
(PsychKHG) vom 17.06.2025 (Landtags-Drucksache 21/2392) hervor.
- Zum einen soll § 1 PsychKHG ergänzt werden um den Satz: „Eine psychische Störung im Sinne dieses Gesetzes ist auch eine mit dem Verlust der Selbstkontrolle einhergehende Abhängigkeit von Suchtstoffen.“
- Zum anderen soll § 28 PsychKHG um einem Absatz 4 ergänzt werden mit folgendem Wortlaut: „Erfolgte die Unterbringung aufgrund einer Fremdgefährdung und besteht zum Zeitpunkt der Entlassung aus medizinischer Sicht die Sorge, dass von der untergebrachten Person ohne ärztliche Weiterbehandlung eine Fremdgefährdung ausgehen könnte, sind… die für den Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthaltsort zuständige örtliche Ordnungsbehörde und Polizeibehörde von der bevorstehenden Entlassung unverzüglich zu unterrichten. Mit der Entlassungsmeldung sind die notwendigen Informationen für eine Gefährdungseinschätzung zu übermitteln…“
Im Ergebnis bedeutet dies: Psychisch Kranke und suchtkranke Menschen in Hessen müssen künftig damit rechnen, dass sowohl das örtliche Ordnungsamt als auch die örtlich zuständige Dienststelle der Landespolizei über ihre Gesundheits- und ggf. Behandlungsdaten unterrichtet werden.
In der Begründung für die beabsichtigten Neuregelungen teilen die Koalitionsfraktionen mit: „Hierdurch wird ein hinreichender Informationsaustausch zwischen den einzelnen Behörden zur effektiven Gefahrenabwehr gewährleistet. Für einen zielgerichteten Einsatz behördlicher Ressourcen ist hierbei zum Zwecke der akuten Gefahrenabwehr eine enge und kooperative Zusammenarbeit zwischen den Sozialpsychiatrischen Diensten, örtlichen Ordnungsbehörden und
Polizeibehörden sicherzustellen.“
Ob und wie die Fraktionen von CDU und SPD in der Vorbereitung ihres Gesetzentwurfs geprüft haben, wie die beabsichtigten Neuregelungen in Einklang zu bringen sind mit Art. 9 DSGVO („(1) Die Verarbeitung… von… Gesundheitsdaten… einer natürlichen Person ist untersagt. (2) Absatz 1 gilt nicht in folgenden Fällen…“), ist aus dem Gesetzentwurf nicht erkennbar.
In einer Pressemitteilung der CDU-Fraktion im Hessischen Landtag vom 26.06.2025 wird stolz verkündet: „Ein zentraler Bestandteil der Gesetzesnovelle ist die Einführung einer verpflichtenden und unverzüglichen Meldung über die Entlassung von Personen aus psychiatrischen Fachkrankenhäusern und entsprechenden Fachabteilungen an die zuständigen Ordnungs- und Polizeibehörden, um fortgesetzte Fremdgefährdungen – etwa für Angehörige oder unbeteiligte Dritte – infolge der Erkrankung wirksam zu verhindern… Wir schaffen mehr Sicherheit für alle Menschen in Hessen… Diese Gesetzesänderung ermöglicht es den Behörden, schneller und gezielter zu handeln und potenzielle Gefahren frühzeitig abzuwenden…“ Die CDU-Fraktion interpretiert damit sehr weitgehende Informationsverpflichtungen gegenüber Polizei und Ordnungsämtern; noch über den Wortlaut des Änderungsantrags hinaus.
Vedruckster argumentiert die SPD-Fraktion in einer Pressemitteilung gleichen Datums: „Uns ist es ein großes Anliegen, drogenabhängigen Menschen mehr medizinische und psychosoziale Unterstützungsangebote zu ermöglichen und so den Teufelskreis aus Abhängigkeit, psychischer Erkrankung und sozialem Abstieg zu durchbrechen. Ein Schwerpunkt der Gesetzesänderung betrifft die Entlassmeldungen aus stationären Einrichtungen. Künftig sollen auch örtliche Ordnungs- und Polizeibehörden informiert werden, wenn eine Person wegen Fremdgefährdung untergebracht war und bei Entlassung weiterhin aus medizinischer Sicht eine Gefahr für Dritte bestehen könnte. Dieser Informationsaustausch dient dem Schutz der Bevölkerung und zugleich dem Wohl der Betroffenen, die bei Bedarf erneut Unterstützung erhalten sollen. Die Änderungen sind Teil eines kontinuierlichen Weiterentwicklungsprozesses des PsychKHG…“ Davon, dass „drogenabhängigen Menschen mehr medizinische und psychosoziale Unterstützungsangebote“ angeboten werden sollen, ist in dem jetzt vorgelegten Gesetzentwurf aber nicht zu lesen.
Dass sich die CDU bundesweit auch zu dieser Problematik als law-and-order-Partei profilieren will, wurde bereits deutlich, als CDU-Generalsekretär Linnemann Nach dem Anschlag auf den Magdeburger Weihnachtsmarkt im Dezember 2024 forderte er: „Es reicht nicht aus, Register anzulegen für Rechtsextremisten und Islamisten, sondern in Zukunft sollte das auch für psychisch Kranke gelten.“ (Interview – ab 4:20 Min.) Er forderte ferner „einen Austausch der Behörden untereinander, der Sicherheitsbehörden auch mit der Psychiatrie und Psychotherapeuten.“
Linnemanns Äußerungen sorgten Anfang des Jahres für Entsetzen und Protest. Auffallend auch, dass Herrn Linnemann keine bessere Betreuung psychisch kranker Menschen fordert; z. B. mehr Ärzte / Therapieplätze / sonstige Hilfsangebote.
Dass sich die SPD-Landtagsfraktion in Hessen für so etwas hergibt und in Gesetzesform gießen will macht deutlich, dass der Schutz der Grundrechte marginalisierter Personen vor staatlicher Überwachung nicht mehr im Focus ihrer Politik steht.