Was hat die Stadt Hanau zu verbergen? Datenschutzbeauftragter verweigert Einsicht in Verfahrensverzeichnis zur Videoüberwachung

Datenschutzrheinmain/ März 26, 2018/ alle Beiträge, Videoüberwachung, Videoüberwachung in der Region/ 3Kommentare

In der Innenstadt von Hanau sollen am Freiheitsplatz und am Marktplatz im April Videoüberwachungskameras in Betrieb gehen. Das teilte die Stadtverwaltung Hanau in einer Presseerklärung vom 12.03.2018 mit: „Die erfassten Bilder werden in die Empfangszentrale geleitet, wo sie ausgewertet werden können. Dafür steht sowohl bei der Polizeistation Hanau I als auch in der neuen Stadtwache ein Arbeitsplatz zur Verfügung. Wie lange die Aufzeichnungen gespeichert werden sollen, wird derzeit mit dem Datenschutz geklärt. Denn neben den berechtigten Aspekten des Datenschutzes gilt es auch sicherzustellen, dass bei verzögert eingehenden Anzeigen eine Strafverfolgung noch möglich ist.“

Diese mehr als dürftige Information zu den beabsichtigten Speicherfristen veranlasste ein Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main am 13.03.2018 zu einer Anfrage an den behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Hanau: „…ich beziehe mich auf die Pressemitteilung der Stadt Hanau vom 12.03.2018 ‚Erste Videokameras sind installiert‘ in der u. a. mitgeteilt wird: ‚Wie lange die Aufzeichnungen gespeichert werden sollen, wird derzeit mit dem Datenschutz geklärt.‘ Da die Anlagen in Kürze in Betrieb gegen sollen, gehe ich davon aus, dass für die Kameras ein Verfahrensverzeichnis i. S. d. HSOG und des HDSG erstellt wurde. Da ich mich häufig in der Innenstadt von Hanau bewege und daher von der Installation der Kameras betroffen bin beantrage ich hiermit, mir gem. § 8 Abs. 1 Ziff. 3 HDSG kurzfristig, d. h. noch vor Inbetriebnahme der Überwachungskameras, Einsicht in die Verfahrensverzeichnisse zu gewähren.“

Die Antwort des Datenschutzbeauftragten der Stadt Hanau auf diese Anfrage kam schnell. Und sie hatte für den anfragenden Bürger eine Überraschung parat. Die Einsichtnahme in das Verfahrensverzeichnis wird rundweg verweigert. Die Begründung: „Es ist davon auszugehen, dass durch eine Einsichtnahme in das Verfahrensverzeichnis die Sicherheit des Verfahrens beeinträchtigt sein wird.  Deshalb wird das Verfahrensverzeichnis als nicht einsehbar gekennzeichnet und somit wird eine Einsichtnahme durch jedermann grundsätzlich nicht möglich sein.“ Eine Rechtsgrundlage für diese Verfahrensweise wurde nicht mitgeteilt.

Das in Hanau gewählte Verfahren unterscheidet sich damit wesentlich von den vom Frankfurter Polizeipräsidium und der Stadt Frankfurt gewählten Verfahren. Am 22.05.2017 haben zwei Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main Einsicht genommen in die Verfahrensverzeichnisse der stationären Videoüberwachungsanlagen der Polizei in Frankfurt. Eine Übersicht über Videoüberwachungsanlagen, die von der Stadt Frankfurt betrieben werden erhielten vier Mitglieder der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main am 05.10.2016 in einem Gespräch mit Vertretern des Referats Datenschutz und IT-Sicherheit der Stadt Frankfurt. In beiden Fällen wurde auf Anfrage problemlos Einsicht gewährt in

  • Name und Anschrift der datenverarbeitenden Stelle,
  • die Zweckbestimmung und die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung,
  • die Art der gespeicherten Daten,
  • den Kreis der Betroffenen,
  • die Art regelmäßig übermittelter Daten, deren Empfänger sowie die Art und Herkunft regelmäßig empfangener Daten,
  • die zugriffsberechtigten Personen oder Personengruppen,
  • Fristen für die Löschung nach § 19 Abs. 3 HDSG.
  • Name und Anschrift der datenverarbeitenden Stelle und
  • die Zweckbestimmung und die Rechtsgrundlage der Datenverarbeitung,

Lediglich die Einsichtnahme in die technischen und organisatorischen Maßnahmen nach § 10 HDSG, die Technik des Verfahrens und das begründete Ergebnis der Untersuchung nach § 7 Abs. 6 Satz 3 HDSG war von beiden Institutionen auf der Grundlage des § 6 Abs. 2 HDSG ausgeschlossen worden.

Das Mitglied der Bürgerrechtsgruppe dieDatenschützer Rhein Main, das beim behördlichen Datenschutzbeauftragten der Stadt Hanau um Einsichtnahme in das Verfahrensverzeichnis gebeten hatte, hat jetzt eine Beschwerden an den Hessischen Datenschutzbeauftragten gerichtet.


Update 27.03.2018

Unter der Überschrift „Was gibt es zu verbergen?“ informiert die Offenbach Post vom 27.03.2018.  Im Bericht wird zur Verweigerung der Einsichtnahme in das Verfahrensverzeichnis mitgeteilt: „Nachdem unsere Zeitung recherchierte, präzisierte die Stadt Hanau, dass sie Angaben über die Dauer der Datenspeicherung und wer Zugriff auf die Videoaufnahmen hat, ‚im Interesse der Transparenz des Verfahrens in geeigneter Art und Weise öffentlich machen‘ wolle.“

3 Kommentare

  1. Ich gewinne immer mehr den Eindruck, dass die Ämter und Politik in den letzten Jahren methodisch alle Auskünfte und Ansprüche der Bürger ablehnen und den Weg dazu so steinig es nur geht zu gestalten. Vermutlich lassen sich viele davon so verunsichern, dass sie nichts weiter machen und auf ihre Rechte verzichten. Das wird wahrscheinlich genauso einkalkuliert / erhofft.

    Es sagt viel über einen Staat aus, wenn der Bürger pausenlos um seine Rechte kämpfen muss und Prozesse vor Gericht einreichen muss, obwohl vieles eindeutig zu Gunsten des Bürgers bereits im Gesetz steht, die Verwaltungen aber diese Rechte ignorieren oder sich zurechtargumentieren – notfalls schnell Gesetzesänderungen veranlassen.
    In den Augen der Politik scheint der gemeine Bürger schon lange als Feind betrachtet zu werden und nicht mehr als Grund für deren Existens: Dem Bürger zu dienen.

  2. In Schwalbach am Taunus haben wir exakt dasselbe Thema: Die BM teilt mit, dass weder Verfahrensverzeichnis noch Stellungnahme des hessischen Datenschutzbeauftragten öffentlich zugänglich sein werden. Auch Parlament und Magistrat haben keinen Zugang.
    Da haben wir einen neuen Datenschutz aber die Verwaltung (Rathaus, Polizei, Innenministerium) haben alle Freiheiten ohne jede Kontrolle.
    So baut man einen Polizeistaat auf.

  3. Hallo Thomas,

    seit Inkrafttreten der EU Datenschutz-Grundverordnung gibt es kein öffentliches Verfahrensverzeichnis mehr. Statt dessen gibt es Informationspflichten des Verarntwortlichen nach Art 13 DS GVO.
    Hier muss die Öffentlichkeit und jeder Betroffene über alle Details der Vearbeitung informiert werden, einschließlich der Zweckbestimmung der Videoüberwachung und der Speicher-/ Löschfristen der Videodaten.
    Wenn das bisher nicht passiert ist, ist das bereits ein Rechtsverstoß durch die Kommune.
    Fordere diese Informationen einmal gezielt an und schau, was passiert.

    Gruss,
    Roland Schäfer, dDRM

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