Hamburger Datenschutzbeauftragter: Videoüberwachungs“verbesserungs“gesetz ist verfassungs- und europarechtlich bedenklich

Datenschutzrheinmain/ Februar 28, 2018/ alle Beiträge, Videoüberwachung/ 0Kommentare

Prof. Dr. Johannes Caspar, der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit hat in seinem aktuellen Tätigkeitsbericht Stellung genommen zum Videoüberwachungs“verbesserung“sgesetz, das am 04.05.2018 in Kraft getreten ist. § 6b Abs. 1 Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) wurde folgender Satz angefügt: „Bei der Videoüberwachung von öffentlich zugänglichen großflächigen Anlagen, wie insbesondere Sport-, Versammlungs- und Vergnügungsstätten, Einkaufszentren oder Parkplätzen, oder Fahrzeugen und öffentlich zugänglichen großflächigen Einrichtungen des öffentlichen Schienen-, Schiffs- und Busverkehrs gilt der Schutz von Leben, Gesundheit oder Freiheit von dort aufhältigen Personen als ein besonders wichtiges Interesse.“

In der Stellungnahme erklärt Prof. Dr. Johannes Caspar: Das Videoüberwachungsverbesserungsgesetz begegnet verfassungs- und europarechtlichen Bedenken… Es ist nicht die Aufgabe privater Stellen, die Sicherheit der Bevölkerung zu gewährleisten. Dies obliegt allein den Sicherheitsbehörden, die über ausreichende landes- und bundesgesetzliche Grundlagen sowohl für die Gefahrenabwehr als auch für die Strafverfolgung verfügen. Hinzu kommt, dass die Betreiber von Videoüberwachungsanlagen in der Regel aus Kostengründen kein Live-Monitoring durchführen und die Bilder der vielen Kameras durch ihr eigenes Personal nicht so auswerten, dass bei Gefahren direkt und schnell eingegriffen werden kann… In der Praxis bleibt der Nutzen der Kameras daher auf eine Speicherung auf Vorrat für die spätere Strafverfolgung beschränkt. Die präventive Zielsetzung des Gesetzes wird insoweit nicht erreicht… Wir haben erhebliche Zweifel daran, dass der deutsche Gesetzgeber auch zukünftig noch die Befugnis hat, die Videoüberwachung durch private Stellen selbst zu regeln. Eine entsprechende Öffnungsklausel enthält die ab 25. Mai 2018 unmittelbar anzuwendende Datenschutzgrundverordnung nicht.“ (S. 52 ff. des Tätigkeitsberichts)

In einem weiteren Abschnitt des Tätigkeitsberichts informiert der Hamburgische Datenschutzbeauftragte über die Anfrage eines Einzelhandelsunternehmens, das auf der neuen Rechtsgrundlage den Einsatz  von Videoüberwachungskameras plant: „Auch wenn erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken gegen die neue Regelung bestehen, haben wir sie zu beachten und anzuwenden. Dies gilt jedenfalls für den Zeitraum bis zur unmittelbaren Anwendbarkeit der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO). Sollte diese Regelung im Widerspruch zur DSGVO stehen, wofür unseres Erachtens vieles spricht, geht die Regelung der DSGVO grundsätzlich der innerstaatlichen Bestimmung vor. Wir begrüßen die Initiative des Unternehmens, vor der geplanten Ausweitung der Videoüberwachung auf Ladenpassagen und Ein-/Ausgänge den Austausch mit uns zu suchen. Umso bedauerlicher ist es, dass das vom Unternehmen vorgelegte Grobkonzept aus Kostengründen kein Live-Monitoring vorsieht. Wenn Videoüberwachungsmaßnahmen überhaupt eine präventive Wirkung im Sinne einer Verhinderung von Straftaten entfalten können, dann setzt dies ein Live-Monitoring durch Sicherheitsmitarbeiter und nicht nur eine Speicherung der Bilddaten voraus. Ansonsten ist kein Eingreifen möglich, die Bilder können lediglich für die Rekonstruktion einer Straftat hilfreich sein. Den Opfern ist damit in aller Regel wenig geholfen…“ (S. 110 ff. des Tätigkeitsberichts)

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